Wein – Die Kraft der Erde

Vor 30 Jahren richtete Gerhard Markowitsch die elterliche Landwirtschaft auf die Produktion hochwertiger Weine aus. Heute ist er einer der renommiertesten Winzer des Landes. Und mitverantwortlich, dass Österreichs „Rote“ international große Beachtung finden. 

Text: Stefan Schatz

Schön ist es hier vor den östlichen Toren Wiens. Sanft steigen die Hänge, erst in vielen Kilometern werden sie zu schroffen Karpaten und
gebirgigen Alpen. Aus geologischer Sicht finden beide hier ihren Anfang – was den Boden interessant für Weinbau macht, der auch seit dem ersten Jahrhundert betrieben wird. Heute ist diese nach der einstigen römischen Metropole Carnuntum benannte Region mit 900 Hektar bewirtschafteter Rebfläche zwar eines der kleinsten, aber auch bekanntesten Weinbaugebiete des Landes.

Ausgezeichnete Legenden

Was nicht zuletzt Gerhard Markowitsch zu verdanken ist. Seine Rotwein-Cuvées Redmont und Rosenberg oder der Zweigelt Rubin Carnuntum sind längst vielfach ausgezeichnete Legenden. Die Preise gewannen sie nicht mit Opulenz, sondern mit feingliedriger Raffinesse und überraschender Frische. Und definierten damit jene Eigenschaften, für die Carnuntum-Weine heute weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt sind.

Natürlich entstehen solch feine Tropfen nicht durch Zufall, sondern durch Handwerk, großes Können und viel Gespür. „Man muss den Wein zulassen“, erklärt Markowitsch. Das hieße, „wenig im Keller tun, aber um so mehr im Weingarten“.  Und man müsse „das ganze Jahr hinhören. Das beginnt beim Rebschnitt, zieht sich über die Arbeit unter dem Jahr bis zum exakten Erntezeitpunkt und dann zu der Arbeit im Keller und wie man den Wein ausbaut.“ Der 53-Jährige hat sogar unterschiedlich große Fässer verschiedener Provenienz im 2001 neu errichteten Keller – übrigens ein sehenswertes Schmuckstück. „Filigraner Wein muss in ein großes Fass, damit ihn das Holz nicht zu sehr einnimmt, während kräftige Sorten mehr Holz vertragen.“ Wichtig sei, dass die Dauben aus langsam wachsenden Bäumen gewonnen werden, weil nur solche den Wein perfekt mit Eigengeschmack ergänzen. „Das Ganze ist ein orchestraler Akt, man baut ein Bild aus all den vorhandenen Möglichkeiten“, so Markowitsch.

Was nicht nur schön und kreativ, sondern auch sehr arbeitsintensiv ist. Trotzdem entschied er sich schon früh für diesen steinigen Weg. Nach der Ausbildung in der renommierten Weinbauschule HBLA Klosterneuburg übernahm er 1990 die elterliche Landwirtschaft. Und beschloss gleich einen radikalen Kurswechsel. Statt eines gemischten Betriebes mit Tieren, Feldern und Weinbau setzte er ganz auf die in diesem Gebiet recht kleinen Trauben. „Die Eltern haben das anfangs etwas belächelt, mein Vater war sogar dagegen.“

Die Spitze als Vorbild

Aber Markowitsch spürte den Aufwind in der heimischen Winzerszene: „Nach den Skandalen in den frühen Achtzigern hat man erkannt: Wenn Österreich eine Zukunft als Weinproduzent haben will, geht das nur mit Qualität.“ Also orientierte sich Markowitsch an den Besten. Und bereiste die berühmten Weinbaugebiete in Frankreich, Kalifornien und Italien. „Sogar unsere Hochzeitsreise war ein Kompromiss: Ein wenig Paris und Nizza, der Rest ging ins Bordeaux.“ Was ihn auf diesen Erkundungstouren faszinierte: „Welche Qualität die Weine in diesen Regionen haben, welches Image sie umgibt – und welche Preise sie erzielen.“ 

1993 beschließt Gerhard Markowitsch, ausschließlich hochqualitative Weine herzustellen. „Am Anfang habe ich umgesetzt, was ich auf meinen Reisen gesehen habe. Das war ein bisschen Kopieren“, gibt er zu. Sogar Merlot und Cabernet Sauvignon hat er angepflanzt, der Erstgenannte spielt auch heute noch eine wichtige Rolle in seinem Weingut. „Irgendwann hatten wir alle Tools, die wir in Italien, Kalifornien und Frankreich entdeckt haben. Jetzt ging es darum, aus diesem Puzzle ein eigenes Bild zu bauen.“ Denn, so Markowitsch: „Wenn man gute Qualität produzieren will, muss man es mit den eigenen, autochthonen Weinen probieren.“ Niemand wusste damals, wohin dieser Weg führen würde. Aber Markowitsch war bereit, die Persönlichkeit der Carnuntum-Weine zu entdecken. Was das genau heißt? „Aus meiner Zeit im Bundesheer nahm ich eine interessante Beobachtung mit. In Uniform sahen wir alle gleich aus. Aber nach dem Dienstende war jeder wieder eine eigene Person, der eine in T-Shirt und Röhrljeans, der andere in Sakko und Bundfaltenhose. Auch beim Wein gibt es diese Unterschiede.“ Die aber nicht leicht zu finden sind. Dem Wein die Uniform auszuziehen und seine wahre Persönlichkeit zu entdecken, „das muss man wollen, das muss man verstehen – und es ist ein sehr weiter Weg“. Das heißt: Genau die Böden analysieren, den richtigen Rebschnitt entwickeln, biologisch arbeiten. Der Lohn: Schon 1999 wurde Markowitsch vom Falstaff Magazin als „Winzer des Jahres“ ausgezeichnet, viele weitere Awards folgten, auch seine Weine gewannen mit verblüffender Konstanz regelmäßig hochbegehrte Preise.

Vom ehrlichen Wein

600.000 Flaschen Wein produziert Markowitsch pro Jahr. Etwa 30 Prozent davon gehen in den Export, der Rest großteils in die gehobene heimische Gastronomie, „den wichtigsten Botschafter für das Weinland Österreich, weil dort viele Touristen unsere Weine kennenlernen“. Seit Jahresbeginn arbeitet die jüngere Tochter Helene im Betrieb mit, ihre ältere Schwester Johanna ist schon länger dabei und hat mit dem Label „JoMa“ eine eigene Weinlinie etabliert, die viel vom puristischen Geist der „Jungen Wilden“ atmet. Ob sich Markowitsch davon inspirieren lässt? „Die Grundidee des Low Intervention Wine ist keine schlechte. Da kann man schon etwas mitnehmen.“ Sonst bleibt er lieber seinem Weg treu, zumal sein Betrieb ohnehin biologisch bewirtschaftet wird. Auch da war er Vorreiter. Auf Modeströmungen reagiert er nicht, den Trend zum alkoholfreien Wein sieht er kritisch: „Wein ist ein sehr ehrliches Produkt. Es gibt Trauben, die werden gepresst, der Saft natürlich vergoren, vielleicht kommt ein wenig Schwefel dazu. Um den Alkohol zu entziehen, braucht es industrielle Verfahren. Das hat nichts mit Terroir und Weinbaugebiet zu tun, alkoholfreien Wein kann ich aus allem machen. Das ist mehr ein Geschäftsmodell als eine Weinbaumethode.“ Natürlich würden damit manche viel Geld verdienen, er mache lieber weiter Wein, der ihm selber schmeckt. „Gott sei Dank teilen meinen Geschmack auch andere“, lacht er.

Der Weg zur Marke

Was er sich noch wünscht? Sicher keine Vergrößerung, schließlich bewirtschaftet er mit über 100 Hektar schon jetzt 14 Prozent des gesamten Weinbaugebietes. Aber vielleicht ein wenig mehr Export. Und dass Carnuntum zur eigenständigen Marke wird. Weil: „Im Burgund oder in der Champagne trinkt man weniger nach Herstellern, sondern nach Region. Und das wollen wir hier auch schaffen.“