Unternehmensnachfolge – Weder Juniorchefin noch Juniorchef in Sicht. Was nun?

Viele Unternehmer wünschen, dass ihre Kinder die Firma dereinst weiterführen. Doch oft hat der Nachwuchs andere Pläne. Kein Problem: Mit gutem Timing, durchdachtem Fahrplan und kompetenter Begleitung funktioniert auch die Übergabe an Familienfremde.

Text: Uschi Sorz

Hinter einem Familienbetrieb stecken nicht selten Pioniere, eine Marke oder eine über Generationen hochgehaltene Tradition. Manchmal wird das Unternehmer-Gen mitvererbt, manchmal nicht. Doch im Gegensatz zu früheren Zeiten verpflichtet Familie heute nicht mehr automatisch. Was wird also aus dem Lebenswerk, wenn sich Chef und Chefin dem Pensionsalter nähern und der Nachwuchs in der Familie entweder nicht vorhanden ist oder keine Ambitionen zeigt? Eine externe Geschäftsführung einstellen, das Unternehmen verkaufen? „Das ist oft eine hochemotionale Sache, die nichts­destotrotz wohlüberlegt sein will“, sagt Werner Zenz, Vorstandssprecher des Bankhauses Spängler. Dieses engagiert sich seit vielen Jahren im Bereich Family-Management auf die Beratung von Unternehmerfamilien und deren Familienunternehmen. Eine nicht unwesentliche davon ist das Thema Nachfolgeregelung. Es gebe etliche Möglichkeiten, ein Unternehmen extern zu übergeben, erklärt Zenz. Will es vielleicht eine Führungskraft übernehmen oder eignet sich die Gesellschaft für einen Wettbewerber oder Finanzinvestor? Der richtige Weg sehe bei jedem Unternehmen anders aus und sei zudem abhängig von dessen Größe, Branche und Marktposi­tion. Für den Familienfrieden und nicht zu­letzt für einen gelungenen Übergabeprozess sei es allerdings auch bei externer Nachfolge wesentlich, dass unter den Familienmitgliedern Einigkeit über die gewählte ­Alternative herrsche. „Bei großen Unternehmen halten diese oftmals gemeinsam Unternehmensbeteiligungen, auch wenn sie selbst nicht operativ tätig sind. Etwa über eine Privatstiftung oder  über Holdingstrukturen.“

Familienleitbild entscheidet

Mit Blick auf Konfliktprävention beim Generationenwechsel hat das Bankhaus Spängler – selbst ein Familienunternehmen in siebter Generation – einen Leitfaden zur gemeinsamen Erarbeitung eines Familienkodex entwickelt. „Auf gemeinsame Werte und Ziele aufbauende Regeln zu definieren, schafft Klarheit und Verbindlichkeit für eine klare Familienstra­tegie“, unterstreicht Zenz. Das sei in jedem Fall sinnvoll, egal ob man eine klassische Führungsnachfolge aus der Familie anstrebe oder eine Beteiligungsnachfolge mit familienfremdem Management. Ein solches Regelwerk helfe sowohl bei der Entscheidungsfindung als auch bei der Umsetzung.

Ebenso können Grundsätze und Werte bei einem Verkauf eine Rolle spielen. „Manchmal wiegen sie sogar schwerer als Gewinnmaximierung“, schildert Zenz, „und zwar dann, wenn dem scheidenden Unternehmer Dinge wie Standortsicherung, Know-how-Stabilität, Erhalt der Arbeitsplätze und Anknüpfungspunkte an die bisherige Firmenphilosophie wichtiger sind.“ Interessieren sich nämlich Mitarbeiter aus der Führungsriege für einen Kauf, steht dem in der Praxis oft ein Entgegenkommen beim Kaufpreis gegenüber. „Bei einer guten Vertrauensbasis zwischen diesen und dem bisherigen Eigentümer kann das aber für beide Seiten eine sehr zufriedenstellende Option sein.“

Unabhängig davon, welche Alternative man wählt: „Es ist nie zu früh, sich mit dem Thema Unternehmensnachfolge zu beschäftigen. Sehr wohl aber kann es zu spät sein.“

Verkaufsdruck etwa sei keine gute Basis. Auch die nötigen Analysen und Firmendokumentationen, die Aufbereitung der Zahlen, die Klärung rechtlicher und steuerlicher Details oder in manchen Fällen eine Umwandlung der Gesellschaftsform benötigen Zeit. Der Rat von Werner Zenz aus der langjährigen Beratungspraxis im Family-Management und M&A-Bereich: „Vom Sondieren der Möglichkeiten über die Entscheidungsfindung und das Erstellen eines Fahrplans bis zur Transaktion selbst ist es ein intensiver, oft komplexer Prozess, bei dem man sich am besten von Experten begleiten lässt.“

„Es ist nie zu früh, sich mit dem Thema Nachfolge zu beschäftigen.“
– Werner Zenz  –
Bankhaus Spängler
„Ein externer Berater ist nicht betriebsblind und hilft im Verkaufsprozess.“
– Alfred Ackerl –
Geschäftsführer von Eurofokus

Außensicht und Fachexpertise

Ins selbe Horn stößt Alfred Ackerl, Übergabe-Consultant beim Wiener Beratungs­unternehmen Eurofokus, einem Spezi­alisten für die externe Nachfolge mittelständischer Unternehmen. „Ein Berater ist auf jeden Fall nicht betriebsblind“, bringt er die Vorteile eines fachkompetenten Blicks von außen auf den Punkt. Dieser schöpfe aus dem Erfahrungsschatz vieler durchgeführter Projekte und könne die Ausgangslage eines Unternehmens realistisch einschätzen. „Bei Verkaufsambitionen ist ein über­zogener Kaufpreis mitunter ein wesentliches Hemmnis.“ Dementsprechend sollte am Anfang immer ein Bewertungsgutachten stehen. Consultants seien zudem Profis in der Nachfolgersuche und neutrale Moderatoren bei Verhandlungen.

Laut einem 2021 publizierten Bericht der KMU Forschung Austria findet rund die Hälfte der außerfamiliären Übergaben in Form eines Verkaufs an externe Dritte statt. Bei jeweils knapp einem Viertel erfolge eine Übernahme durch Mitarbeiter bzw. Management-Buy-out oder Verkauf an Bekannte oder Freunde. Das Verhältnis zwischen familieninterner und externer Nachfolge betrug zur Zeit der Erhebungen 55 zu 45 Prozent. Anhand der Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ging die KMU Forschung Austria jedoch davon aus, dass sich der Trend zu externen Unternehmensübergaben langfristig weiter fortsetzen werde.

IT gefragt

Eurofokus ist Mitglied der Experts Group Betriebsübergabe, einer unabhängigen Ver­einigung von circa 100 Übergabe-Consultern für KMU mit eigenen Anlaufstellen in jedem Bundesland. „Darunter finden sich viele Beratungsfirmen, die wie wir Expertise in externen Übergaben haben“, so Ackerl. Zum Einlesen in die Ma­terie empfiehlt er das Buch „Betriebsübergabe – Betriebsübernahme“ von Experts-Group-Bundessprecher Albert Walter Huber. „Das ist ein sehr wesentlicher Ratgeber, der sämtliche Aspekte, die man im Vorfeld bedenken sollte, abdeckt.“ Für verkaufswillige Einzelunternehmen nennt er die Nachfolgebörse der Wirtschaftskammer (WKO) als probate Option. „Handwerksbetriebe, Friseure und kleine Gewerbe haben es am Markt sicherlich schwerer“, meint er. Bei seiner eigenen Klientel, den mittelständischen Unternehmen, sei diese Form der Übergabe viel problemloser. „Bei IT- und Softwaredienstleistern besteht starke Nachfrage.“ Zudem seien Einzelunternehmer ab 60 Jahren beim Verkauf ihres Unternehmens steuerlich begünstigt. „Im Gegensatz zum angelsächsischen Raum denken heimische Übergeber hinsichtlich Verkaufszeitpunkt hauptsächlich an Persönliches wie das Pensionsalter. Optimal wäre es, das konjukturelle Umfeld ebenfalls in die Über­legungen einzubeziehen.“ Ackerl rät, Führungs- und Eigentümerwechsel den Mitarbeitern erst zu präsentieren, wenn dies vertraglich abgerundet sei. „Mit dem Unternehmen verkauft man auch die Organisation, man verhandelt immer auch im Sinne der Mitarbeiter.“ Diskre­tion verhindere unnötige Unruhe und eine unvorhersehbare Eigendynamik.