Uhren – Supertrumpf

Schneller, weiter, höher – was im Sport gilt, lässt sich auch auf die Haute Horlogerie umlegen, wo sich Uhrenmarken mit immer neuen Rekorden gegenseitig zu übertreffen versuchen,wie einige spektakuläre Beispiele zeigen.  Foto: Hersteller / Paul Calver

Ferrari-Pilot Charles Leclerc: An seinem Handgelenk trägt der Formel-1-Fahrer die flachste mechanische Uhr der Welt, die RM UP-01 Ferrari. Sie stammt von Richard Mille und ist nur sagenhafte 1,75 Millimeter „dick“.

2022 wird Uhrengeschichtsbücher wohl mit mehreren Seiten füllen. Was ist geschehen? Es ist erst wenige Monate her, da stellte Bulgari mit der Octo Finissimo Ultra die flachste mechanische Uhr der Welt vor. Sie ist gerade einmal 1,8 Millimeter „hoch“, verzichtet auf Traditionen wie eine klassische Krone und ist dennoch eine vollwertige Uhr. Statt die Einzelteile auf einer Grundplatte aufzubauen, nutzten die Uhrmacher hier den Gehäuseboden, um die Elemente zu befestigen. Alle Komponenten des Handaufzugskalibers BVL180 sind auf einer einzigen Ebene angeordnet, so erreicht das Werk nur schlanke 1,5 Millimeter Höhe. Trotzdem bietet es eine Gangreserve von recht ordentlichen 50 Stunden.

Viel Zeit war den Römern nicht gegönnt, sich im Lichte dieses Erfolgs zu sonnen. Schon im Oktober ließ Richard Mille mit seiner Titanuhr RM UP-01 Ferrari aufhorchen: Der Zeitmesser, einer Partnerschaft mit Ferrari entsprungen, holte sich mit einer Bauhöhe von sagenhaften 1,75 Millimetern (1,18 Millimeter für das Handaufzugswerk) den Weltmeistertitel. Immerhin kann sich Bulgari damit trösten, immer noch die Uhr mit dem kleinsten Tourbillon und die flachste Minutenrepetition mit Handaufzug weltweit in petto zu haben.

Richard Mille, schon davor mit extremen Modellen aufgefallen, jedenfalls hat mit seiner ultraflachen Uhr die Grenzen des Möglichen noch einmal verschoben. Der Aufwand dürfte enorm gewesen sein. Dutzende Prototypen wurden angefertigt, mehr als 6.000 Stunden Entwicklungs- und Labortests waren nötig. Dafür vertraute man auf die Expertise von Audemars Piguet Renaud & Papi in Le Locle. Das Kaliber RM UP-01 verlagert die normalerweise übereinanderliegenden Räder auf eine Ebene. Das Gerüst besteht aus Titan, was für die nötige Stabilität sorgt. Im Gegensatz zu der Octo Finissimo Ultra verfolgt Richard Mille einen eher traditionellen Ansatz, bei dem das Werk auf einer eigenen Grundplatine sitzt und nicht in den Gehäuseboden integriert ist. Als limitierte Edition wird die Manufaktur 150 Exemplare des Modells fertigen. Der Preis ist auch rekordverdächtig: 1,7 Millionen Schweizer Franken (1,75 Millionen Euro) muss man dafür hinblättern.

Die Omega Seamaster Planet Ocean
Ultra Deep Professional ist die Uhr, die bisher am tiefsten von allen Zeitmessern abgetaucht ist – knapp 11.000 Meter in das Challengertief im Marianengraben.
Rolex Datejust: das beliebteste Modell der bekanntesten und wertvollsten Uhrenmarke der Welt.

Die Komplizierteste

In der Fachwelt wird manchmal darüber diskutiert, ob ultraflache Uhren nun als eine eigene Kategorie unter den sogenannten Komplikationen zu werten sind oder nicht. Einig ist man sich allerdings, dass der Titel „komplizierteste Armbanduhr der Welt“ der Grandmaster Chime gebührt. Und die hat mit ultraflach nichts am Hut: Die 20 Komplikationen, die Patek Philippe dem Ausnahmezeitmesser anlässlich des 175. Jubiläums der Manufaktur 2016 verpasst hat, brauchen entsprechend Raum. Die Roségolduhr ist mit zwei Zifferblättern ausgestattet und lässt sich beidseitig tragen. Wie der Name andeutet, liegt die Spezialität der Grandmaster Chime in ihren verschiedenen Schlagwerken. Dazu gehören eine große und eine kleine Sonnerie sowie eine Minutenrepetition. Hinzu kommen – als Weltneuheiten – eine Datumsrepetition sowie ein Alarm, der die eingestellte Zeit schlägt. Weitere Zusatzfunktionen sind ein ewiger Kalender mit vierstelliger Jahreszahlanzeige, eine zweite Zeitzone, eine Mondphasenanzeige etc. Eine Patek Philippe Grandmaster Chime in Stahl wurde im Jahr 2019 für aufsehenerregende 31 Millionen Schweizer Franken versteigert.

Die Berühmteste

Bei allem Respekt für das uhrmacherische Können bei Patek Philippe, den Titel für die bekannteste Uhrenmarke der Welt holt sich eine andere in Genf ansässige Brand – Rolex. Dem Unternehmen ist es gelungen, mit seinem Produkt gleichgesetzt zu werden. Spricht man von Rolex, denkt man automatisch an Luxusuhr, so wie man bei Tesla an Elektroauto denkt oder bei Vespa an Roller. Der Schweizer Riese steht seit vielen Jahren in dem Ruf, exklusiv zu sein, der Marketingtraum schlechthin, obwohl er jedes Jahr, je nach Schätzung, 800.000 bis eine Million Zeitmesser produziert. Anders ausgedrückt: „Eine Rolex ist ein Kultobjekt, das jeder rationalen Analyse trotzt.“ Da hat er wohl recht, der Wissenschaftsjournalist Lucien F. Trueb, dem dieses Zitat zugeschrieben wird.

Mit ein Grund für den Erfolg ist bestimmt auch die Tatsache, dass ein einmal eingeführtes Modell zumeist für immer im Katalog bleibt. Die Manufaktur hat sich im Laufe der Zeit gänzlich von anderen Herstellern unabhängig gemacht. Sie gehört zu der kleinen Schar von Uhrenmarken, die ihre Uhrwerke und all deren Komponenten ohne andere Konzerne und Firmen fertigen kann. So wie die Datejust, die es bereits seit 1945 gibt und die laut einer Erhebung von Chrono24 zu den beliebtesten Uhren der Welt zählt. Der Klassiker hat durch stetige Modellpflege über die Jahrzehnte nichts von seiner schlichten Eleganz verloren und ist in einer Vielzahl von Gehäusematerialien, Zifferblattfarben und Bandvarianten erhältlich.

Selbstverständlich kann Rolex auch einige Rekorde für sich verbuchen, als wertvollste Uhrenmarke der Welt zum Beispiel. Oder dass man mit der Deepsea Special Challenge 2012 eine Uhr an die tiefste Stelle der Welt, das Challengertief im Marianengraben, schickte. Regisseur James Cameron schaffte es mit dem an seinem U-Boot angebrachten Zeitmesser in eine Tiefe von 10.908 Metern.

Das schnellste Tourbillon der Welt kommt von Zenith. Es dreht seine rasanten Runden in der Defy El Primero Doppeltourbillon.
Zwei Seiten einer in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Armbanduhr: Die Grandmaster Chime wurde von Patek Philippe anlässlich des 175. Jubiläums präsentiert. Sie vereint 20 Komplikationen in ihrem Gehäuse und ist damit die komplizierteste Armbanduhr der Welt.

Die Stabilste

Doch wie bei allen Rekorden gilt: Es gibt immer einen, der versucht, ihn zu brechen. Hier kommt Omega ins Spiel. Die Bieler hatten mit der Speedmaster ja schon die erste Uhr auf dem Mond. Mit der Seamaster Planet Ocean Ultra Deep Professional hat man nun auch einen Zeitmesser auf der Habenseite, der bisher am tiefsten von allen abgetaucht ist. Sie war mit dabei, als der Meeresforscher und Selfmade-Millionär Victor Vescovo in seinem U-Boot in das Challengertief bis auf 10.928 Meter abtauchte. Zwanzig Meter tiefer als Cameron.

Um den extremen Verhältnissen standzuhalten, wurden Lünette, Gehäuse, Gehäuseboden und Krone der Planet Ocean Ultra Deep Professional aus dem gleichen Material wie das U-Boot hergestellt, Titan. Um die Belastung zwischen Saphirglas und Gehäuse möglichst gut zu verteilen, ließ man sich vom Kegeldesign der U-Boot-Bullaugen inspirieren und verwendete ein spezielles „Liquidmetal“, um eine robuste und doch flexible Verbindung von Saphirglas und Gehäuse sicherzustellen. Dank dieser „Heißformbindung“ konnte auf den Einsatz von Polymerdichtungen verzichtet und die Dicke des Saphirglases reduziert werden. Auf Basis dieser extremen Uhr stellte Omega heuer die Seamaster Planet Ocean Ultra Deep vor. „Nur“ bis zu 6.000 Meter tief kann man mit dieser zivilen Version der Professional abtauchen. Das sollte für den Durchschnittsschnorchler aber genügen.

Eher nicht für extreme Tiefen gedacht ist der letzte Kandidat auf unserer Liste der „Superuhren“. Er wartet mit einem technischen Schmankerl auf: dem schnellsten Tourbillon der Welt. Zu finden ist es an Bord der Defy El Primero Doppeltourbillon von Zenith. Jener Marke, der wir das weltweit erste automatische Chronografenkaliber, El Primero, zu verdanken haben. Geburtsjahr 1969.

In dieser speziellen Uhr stecken zwei Tourbillons. Eines davon ist an den Hundertstelsekundenchrono des Zeitmessers gekoppelt. Mit einer Frequenz von 50 Hertz, das sind 360.000 Halbschwingungen pro Stunde, und einem Drehkäfig, der alle fünf Sekunden eine vollständige Drehung durchführt, ist dieses Tourbillon das schnellste der Welt. Es treibt den Chronografenzeiger mit einer vollen Umdrehung des Zifferblatts pro Sekunde an. Das zweite Tourbillon wiederum, das mit fünf Hertz und einem Drehkäfig arbeitet, der eine Umdrehung pro Minute durchführt, regelt den Gang der Uhr, also die Stunden, Minuten und Sekunden. In Anlehnung an diese doppelte Architektur speichern und liefern zwei spezielle Federhäuser, eines für die Uhr und eines für den Chronografen, die Energie. Sie sorgen jeweils für 60 Stunden Gangreserve für die Uhr und 50 Minuten für den Hundertstelsekunden-Chronografen.   ←