assets Magazin: Immobilien Round Table

Leistbares Wohnen, Stadtentwicklung und Ökologisierung

Dichtes Programm für die Teilnehmer am traditionellen assets-Immobilien-Round-Table im Wiener Luxushotel Palais Hansen Kempinski. Gleich eine ganze Palette an Themen wartet auf Michael Baert, Vorstand IFA AG, Peter Ulm, Managing Partner allora Immobilien, Michael Schmidt, geschäftsführender Gesellschafter der 3SI Immogroup, Daniel Jelitzka, Geschäftsführer JP Immobilien, und Hannes Speiser, Prokurist der Winegg Realitäten GmbH.

assets: Gremien in der OeNB befürchten eine Immobilienblase. Sie auch?
Michael Schmidt: Es gibt keine Immobilienblase. Natürlich sind die Preise in letzter Zeit stark gestiegen, aber wir leben mit Negativzinsen, manche Banken denken schon an Verwahrgebühren in der Höhe von einem Prozent. Deshalb fließt das Geld in Immobilien.
Peter Ulm: Eine Immobilienblase würde bedingen, dass der Markt als Ganzes massiv fremdfinanziert ist und Zinsänderungen hohe Nervosität auslösen. Wir sind in hohem Ausmaß eigenkapitalfinanziert, die großen Immobilieninvestoren sind mit Geldern von Pensionskasse und Versicherungen ausgestattet und könnten eine gewisse Preiskorrektur überstehen. Wir sind im internationalen Vergleich auch nicht teuer. Das stimmt schlichtweg nicht. Diese Befürchtungen sind übertrieben.
Daniel Jelitzka: Die Pandemie hat dafür gesorgt, dass viele Menschen ihr Wohnumfeld verändern wollen. Wir haben auch eine historische, bisher unbekannte Situation: Kreditnehmer zahlen niedrige Zinsen, Geld ist also billig. Zweitens, Anleger haben Negativzinsen, momentan minus 50 Basispunkte, Tendenz steigend. Wir haben eine relativ hohe Inflation und eine allgemeine Verunsicherung aufgrund der Pandemie und der Zukunftsaussichten. Und es gibt wenige Investmentalternativen. All das treibt die Menschen in Betongold. Aber ich warne davor, von einem Immobilienboom zu sprechen. Man muss den Markt differenziert sehen. Es gibt nicht nur Wohnimmobilien. Es gibt auch Büroimmobilien, Logistik- und Hotelimmobilien. Wohnimmobilien gehören zu den Gewinnern der Krise, Logistik auch – Stichwort Onlineshopping, digitale Geschäftsmodelle etc. Aber es gibt auch Bereiche, die stagnieren, wie Büros, oder sogar massiv abstürzen, wie Hotelimmobilien. Letztere sind der Verlierer der Krise. Über die redet kaum jemand. Auch nicht darüber, dass Wohnimmobilien einen dynamischen, positiven Trend zeigen, aber Logistikimmobilien viel stärker von der Krise profitieren.
Hannes Speiser: Beim VÖPE-Herbstempfang sprach die OeNB-Chefökonomin Dr. Doris Ritzberger-Grünwald über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Immobilienprojektentwicklung und führte aus, dass die Überbewertung von Immobilien aktuell bei ungefähr 19 Prozent liegt. Das heißt, die Differenz zwischen den Kosten einer Immobilie und dem Preis, den sie erzielt, wird immer größer. Gleichzeitig liegt die Überschuldung der Haushalte bei 83 Prozent, es ist deshalb Aufgabe der OeNB, systemrelevante Initiativen zu setzen. Das wird uns in den nächsten Monaten beschäftigen.

Wie könnte man den Preisauftrieb bei Wohnimmobilien stoppen?
Michael Baert: Der Preisauftrieb hat verschiedene Gründe. Die Grundstückspreise steigen ins Unermessliche, Baukosten haben sich massiv erhöht. Um die Grundstückspreise einzubremsen, müssten Gemeinden und Kommunen deutlich schneller und umfassender widmen, vor allem im Bereich bestehender Strukturen. Das wäre auch im Sinne der Nachhaltigkeit. Tatsächlich hat Wien die Bebauungsmöglichkeiten in Randbezirken verringert. Das ist in einer wachsenden Stadt kontraproduktiv. Die sehr dynamische Baukostensteigerung der letzten Jahre wird deutlich abflachen. Klar haben wir das Thema der Baumaterialien, aber die machen nur 20 Prozent aus, der Rest sind Lohnkosten. Zudem spricht keiner darüber, dass etwa die Kosten von Bauholz nach einer viel beachteten Rallye wieder gefallen sind. Die Immobilienpreise werden langfristig dennoch nicht sinken. Ganz im Gegenteil: Häuser, die wir heute übergeben, wurden vor drei Jahren gekauft. Würden sie heute gekauft, bekäme man 25 Prozent weniger. So dynamisch sind die Preise.
Jelitzka: Auch wenn alle nur vom Preisanstieg von Wien sprechen: Im Wiener Umland steigen die Preise noch viel schneller. Das könnte man in den Griff kriegen, aber man müsste an vielen Stellschrauben drehen. Erstens: Wir müssen schnell mehr Fläche produzieren. Das nimmt Druck aus dem Markt. Dafür braucht es schnellere Verfahren. Eine Umwidmung dauert bis zu zwei Jahre, danach dauert die Baubewilligung weitere zwei Jahre. Macht insgesamt vier Jahre. Laufen beide Verfahren parallel, sinkt die Zeit auf die Hälfte. Zweitens: Man muss die Wiener Bauordnung entrümpeln. Derzeit müssen wir teure Stellplätze in Tiefgaragen errichten, die dann zur Hälfte ungenutzt bleiben. Wir bauen also am Bedarf vorbei. Ähnlich ist es bei den Techniknovellen: Jedes Jahr werden neue Vorschriften erlassen, aber die alten, die überholten, nicht aufgehoben. Drittens: Um Wohnen leistbarer zu machen, müsste man kleinere Wohnungen zulassen. In Wien sind 30 Quadratmeter vorgeschrieben, wir könnten auch funktionelle Wohnungen mit 25 Quadratmetern bauen. Das spart viel Geld. Im Gegensatz dazu hat es die neue Widmungskategorie Geförderter Wohnbau nicht geschafft, die Wohnungsnot zu beseitigen.

Auch die Finanzierung von 25 Quadratmetern stellt viele Menschen vor Probleme.
Jelitzka: Die Frage ist: Wie wird Wohnen leistbar? Da muss man auch disruptiv denken. Ein Beispiel. In Singapur hat es 1960 1,7 Millionen Menschen gegeben. 80 Prozent wohnten zur Miete, 20 Prozent im Eigentum. Singapur wuchs auf 5,7 Millionen Einwohner, eine extreme Wohnungsnot entstand. Diese wurde gelöst, indem man den Eigentumserwerb erleichterte. In Kerneuropa und vor allem in Österreich spricht man immer von Regulativen für die Produzenten. In Singapur sagte man: Wohnen wird leistbar, wenn es finanzierbar ist. Also ließ man zu, dass jene, die schon 40 Prozent ihres Gehalts ins Pensionssystem eingezahlt haben, diese Ansprüche mit 90 Prozent zum Erwerb von Eigentum belehnen durften. Damit wurde das Wohnthema für Generationen gelöst. Das könnte man in Österreich auch machen, etwa indem man Kredite für selbst genutzten Wohnraum stützt. Oder indem man steuerliche Anreize für den Eigentumserwerb über Abschreibungen setzt. Oder über Kredite mit besonders langer Laufzeit – Generationenkreditverträge. Das passt aber leider nicht in das Denkschema der meisten österreichischen Politiker.
Ulm: In der Schweiz ist der Generationenkredit für die private Wohnungsanschaffung vollkommen üblich, sogar über zwei oder drei Generationen. In Holland sind Zinsen für den Erwerb des Eigenheims steuerlich abzugsfähig. Diese Modelle funktionieren also in Westeuropa schon. Wir sollten in Österreich auch überlegen, in der Wohnbauförderung der Länder den Schwerpunkt auf Subjekt- statt Objektförderung zu legen. Die Kategorie Geförderter Wohnbau ist seit zwei Jahren gesetzlich verankert, ich bemerke aber keinen Druck auf die Grundstückspreise. Im Gegenteil, die steigen weiter. Uns als Errichter sind die Hände gebunden. Wir müssen diese Grundstückspreise bezahlen. Und trotzdem sind wir die Bösen, während Grünlandbesitzer für Grundstücke, die vor zehn Jahren um 30 bis 50 Euro gehandelt wurden, jetzt 700 bis 800 Euro verlangen.

Könnten Sie billiger produzieren?
Hannes Speiser: Wir haben nicht nur mit steigenden Grundstückspreisen und steigenden Baukosten zu tun. Auf uns kommt auch die CO2-Bepreisung zu, die betrifft die gesamte Baustoffproduktion. Die Auswirkungen sind noch nicht messbar. Gleichzeitig stellen unsere Kunden immer höhere Ansprüche an Wohnimmobilien. Sie sind bereit, mehr zu zahlen, aber die Immobilie muss auch viel mehr können als vor 20 Jahren. Das sind Nachhaltigkeits- und ökologische Qualitätszertifikate, die Bauweise, die Flexibilität und die hochwertige Ausstattung der Wohnung. Und Schritt für Schritt wird das Bauen und das Produzieren von Lebensräumen einfach teurer.
Ulm: Wir könnten auf ein polnisches System umsteigen. Dort werden Wohnungen im Edelrohbau geliefert. Die Fassade wird angestrichen, die Gänge werden gemacht und die Eingangstüre eingebaut. In den Wohnungen selbst gibt es nur tragende Wände, Fenster und einen Anschlusspunkt. Sonst nichts. Das richten sich die Wohnungskäufer dann selbst.
Baert: Viele qualitätssteigernde Vorschriften führen zu „Luxuswohnungen“. Der Gesetzgeber müsste auch zulassen, günstige Wohnungen zu bauen. So wie im sozialen Wohnbau in Frankreich oder in den Niederlanden.

Wird die Wunschliste der Wohnungskäufer tatsächlich immer länger?
Schmidt: Natürlich. Wir liefern Topqualität, das wird auch verlangt. Es gibt auch immer mehr Auflagen, jetzt kommt mit Nachhaltigkeit ein großes Thema dazu. Das reduziert vielleicht später die Heizkosten, zuerst erhöht es aber einmal die Baupreise.

Gäbe es einen Markt für Wohnungen, die früher zur Kategorie D zählten?
Schmidt: Ja, den gäbe es, aber er ist kleiner geworden. Es wollen auch immer weniger Menschen selbst Hand anlegen in der Wohnung. Früher baute man im Altbau selber Bad und WC ein, das tut sich heute niemand mehr an. Die Kunden wollen ein fertiges Produkt, das auch das Auge erfreut.
Baert: Die Ausbaukosten, also die Kosten fürs Legen von Holzfußboden oder Fliesen, sind aber nur für einen kleinen Teil der Immobilienpreise verantwortlich.
Schmidt: Tatsächlich sind unsanierte Wohnungen nicht viel billiger als sanierte, Private haben auch keinen Zugang zu Großhandelspreisen wie wir. Wahrscheinlich kommt das Selbermachen sogar teurer, als wenn es von professionellen Bauträgern gemacht wird, und die Arbeit hat man dann auch noch.
Jelitzka: Es geht nicht nur um die Wünsche der Kunden, es geht auch um die Wünsche der Stadt. Wir Investoren sind gerne Partner der Stadt, um sie nach ihren Wünschen und zu ihrem Vorteil zu verändern. Manchmal sind die Wünsche aber etwas überschießend. Die Stadt will, dass wir in unseren Projekten neben gefördertem Wohnbau auch noch die produktive Stadt und das Thema soziale Infrastruktur berücksichtigen und über städtebauliche Verträge den allgemeinen Freiraum mitgestalten. Jeder dieser vier Bereiche hat seine Berechtigung. Aber nicht alle vier auf einmal. Das kann sich keiner leisten.
Ulm: Wir fordern über die VÖPE, den Verein österreichischer Projektentwickler, ein, dass die Bauordnung und die berechtigten Wünsche der Stadt für uns berechenbar und erwartbar werden. Wir sind uns unserer sozialen Verantwortung bewusst. Wir haben derzeit 20.000 Obdachlose in Österreich. Das will keiner von uns. Wir sind bereit, leistbaren Wohnbau zur Verfügung zu stellen. Aber wir müssen vorher wissen, worauf wir uns einlassen. Berechenbarkeit hat auch Auswirkungen auf die Grundstückspreise. Weil derzeit Glücksritter die Preise treiben, die glauben, die Wünsche der Stadt wegverhandeln zu können.
Baert: Keiner von uns will ein Freispiel haben. Ich wünsche mir, dass die Zusammenarbeit mit der Behörde eine andere, eine konstruktivere wird. Wir werden mit unserer Fachkompetenz und unserem Fachwissen viel zu wenig eingeladen, gemeinsam etwas zu entwickeln.
Speiser: Dafür ist die Vereinigung Österreichischer Projektentwickler (VÖPE) wichtig. Der Aufwand, neue Stadtentwicklungen und neue Immobilienprojekte bis zur schlüsselfertigen Wohnung zu realisieren, wird zunehmend größer. Mit einer gemeinsamen Stimme können wir unsere Anliegen hörbar machen.

Sind die Bauordnungen, Auflagen und Wünsche in anderen Bundesländern oder international ähnlich mühsam?
Ulm: In Deutschland ist es nicht leichter, dort gibt es zum Teil überhaupt keine klaren Regelungen, sondern Abmachungen. Wien wird dort beim leistbaren Wohnen als Vorbild gesehen.
Jelitzka: Weil in Wien 75 Prozent der 900.000 Wohnungen dem freien Markt entzogen sind, das drückt den Durchschnittspreis.
Schmidt: In Wien gibt es aber keine Wohnungsnot wie in Berlin, wo die Menschen alles versuchen, um an eine Mietwohnung zu kommen.
Jelitzka: Im Vergleich zu den Bundesländern ist die Wiener Bauordnung eine sehr gute mit wenig Schwankungsbreite. Man weiß, worauf man einen Rechtsanspruch hat. In ländlichen Gemeinden kann es oft komplexer und unsicherer sein. Die Überraschungen warten in Wien im Widmungsverfahren. Den Vogel schießt aber die Schweiz ab, wo jeder, der sich vom Projekt beeinträchtigt fühlt, ein Einspruchsrecht hat. Selbst wenn er am Berg sitzt und am Horizont gebaut wird.
Ulm: Ein Vorbild für die Bundesländer ist Wien auch mit der Möglichkeit der Beantragung von Bebauungsbestimmungen. Nach 18 Monaten weiß man, was man bauen darf. In ländlichen Gemeinden kann der Bürgermeister noch im Planungsverfahren umwidmen, wenn er jemanden in der Gemeinde nicht haben will. Das macht Investitionen auf dem Land schwierig. Aber den Bürgermeistern die Hoheit über die Flächenwidmung zu entziehen, ist in Österreich unvorstellbar.

In Deutschland werden kleinere Städte für Developer interessant. In Österreich auch?
Schmidt: In Deutschland hat eine kleine Stadt mehr als 100.000 Einwohner. Bei uns sind es 20.000 Einwohner. Das ist eine ganz andere Infrastruktur.
Ulm: Je besser unsere Bahnnetze ausgebaut sind, je rascher die Verbindungen dorthin sind, wo es Arbeitsplätze gibt, desto interessanter wird es, auf dem Land zu wohnen. Das ist ganz einfach.
Jelitzka: Ich glaube, was in Deutschland die B- und C-Citys sind, ist in Österreich der Speckgürtel von Wien. Das ist für uns alles, was von Wien aus in 45 Minuten mit der Bahn erreichbar ist, deswegen ist der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrsnetzes sehr wichtig. Nach St. Pölten fährt man 25 Minuten, nach Krems eine knappe Stunde. Das ist ein Hammer.
Ulm: Deswegen wird in St. Pölten derzeit auch so viel gebaut. Das hohe Angebot drückt auf die Preise.
Jelitzka: Die Quadratmeterpreise von Wohnungen sind dort nur halb so hoch wie in Wien.

Würde auch ein Umfeld mit steigenden Zinsen die Quadratmeterpreise senken?
Ulm: Die Chefökonomin der OeNB sieht vor Ende 2024 keine Anzeichen für kleinste Zinssteigerungen. Auch nicht durch die Inflation, die derzeit nur von den Energiepreisen getrieben wird. Wir haben keine generelle Inflation. Energiepreise werden durch steigende Zinsen nicht abgesenkt. Zudem hatten wir in den Lockdowns eine massive Deflation. Wenn man den Beobachtungszeitraum auf die vergangenen 24 Monate erstreckt, sind wir von einer beängstigenden Inflation weit entfernt.
Baert: Selbst wenn die Zinsen steigen würden, kämen nur wenige unter Druck. Weil viele Kredite für aktuelle Immobilien von Developern ebenso wie von privaten Käufern Fixzinssätze haben.
Schmidt: Zudem sind mittlerweile nicht mehr nur die südlichen Länder so verschuldet, dass man sich steigende Zinsen gar nicht leisten kann. Zinsschritte der EZB würden ein massives Problem erzeugen. Deshalb wird es keine geben.
Ulm: Die Verschuldung der Staaten wird auch nicht sinken. Österreich muss in den nächsten Jahren 125 Milliarden Euro in das Pensionssystem stecken, weil die Auszahlungen die Einnahmen jährlich um bis zu 20 Milliarden Euro übersteigen. Aber eine Pensionsreform samt Anhebung des Pensionsalters um zehn Jahre ist hierzulande politisch undenkbar.
Jelitzka: Trotzdem werden Finanzierungen teurer. Aber nicht durch Inflation, sondern wegen Eigenkapitalvorschriften der EZB. Es braucht immer mehr Eigenmittel, um bei Banken günstige Konditionen zu bekommen. Als Immobiliendeveloper müssen wir bei Finanzierungsstrukturen umdenken. In den USA werden Immobilienprojekte mit 80 Prozent Eigenmitteln oder Eigenmittelsurrogaten und 20 Prozent Bankkredit finanziert. In Österreich ist das Verhältnis genau umgekehrt. Bauträger werden sich damit auseinandersetzen müssen, wie sie den Kapitalmarkt anzapfen. Etwa durch Anleihen, Immobilien-Crowdfunding, Genussscheine, Investors Clubs.
Schmidt: So günstig wie bei der Bank finanziert man durch Crowdfunding und Co aber nicht. Wir sind bei den Banken grundsätzlich gut aufgehoben.

Das heißt, Finanzierung von Immobilien wird nicht mühsamer?
Speiser: Doch, weil die Auflagen steigen. Auch die Kriterien rund um Projekte werden immer umfangreicher. Wir Developer finanzieren zu einem Zeitpunkt, wo es in der Entwicklung noch viele offene Fragen gibt. Beim Liegenschaftsankauf gibt es Konzepte, die ein Projekt möglich machen, aber sehr viel mehr an Potenzial. Banken überzeugen wir mit unserem Track Record.
Schmidt: Die Banken glauben an uns und sie glauben an Immobilien. Die Vorschriften kommen von der EZB, ein Konto zu eröffnen, ist oft schon mühsamer, als einen Kredit zu nehmen.
Jelitzka: Dabei geht es uns noch gut. In Griechenland etwa gibt es nur zwei Banken, die Hotelimmobilien finanzieren. Und die ändern nach Zusagen einfach die Bedingungen. Auch in Italien oder Spanien ist es kompliziert, da ist in Österreich die Mühsal noch überschaubar.
Ulm: Höhere Anforderung ans Eigenkapital kann zu einer Marktberuhigung beitragen und Glücksritter und Spekulanten aus dem Markt treiben.
Schmidt: Das könnten die Banken ohnehin machen. Jeder, der erstmals eine Immobilie entwickeln will und die 20 Prozent Eigenmittel knapp schafft, bekommt dieselben Konditionen wie jemand mit gesunder Bilanz und 40 Jahren Erfahrung im Geschäft. Das ist ein bisschen unfair.
Baert: Ich finde eine gewisse Eigenkapitalquote vernünftig. Aber wenn die Anforderungen immer höher werden, muss man Eigenkapital durch Surrogate ersetzen. Aber erhöht das die Sicherheit? Steigen dadurch nicht die Finanzierungskosten, machen Bauen teurer und generieren neue Unsicherheit, weil auch Surrogate durch steigende Nachfrage immer teurer werden? Da wird nur das Risiko verschoben.
Ulm: Dem steht der Wettbewerb entgegen. Vor sechs oder sieben Jahren kostete Mezzaninkapital bis zu 15 Prozent, jetzt bekommt man es um sechs bis acht Prozent.
Schmidt: Es gibt viele am Markt, die wollen einfach ihr Geld platzieren. Ich denke anders als Banken. Für mich ist Crowdfunding-Kapital oder Mezzaninkapital etwas anderes als meine Eigenmittel. Diese Surrogate sind doch auch fremdes Geld. Mit eigenem Geld bin ich niemandem Rechenschaft schuldig und muss nicht auch noch teure Zinsen von fünf oder sechs Prozent bezahlen.

Systeme für alternative Finanzierungen von Immobilien scheinen nicht nur in den USA zu funktionieren. Auch auf österreichischen Crowdfunding-Plattformen sind Immobilienprojekte schnell ausfinanziert, Anleihen und Investors Clubs sind auch hierzulande beliebt.
Speiser: Diese Plattformen boomen, weil sie Privaten Zugang zu Immobilienprojekten schaffen, die auch für Kleininvestoren interessant sind. Die Renditen sind hoch, die Zinsen liegen bei bis zu sieben Prozent. Wenn der Projektentwickler darauf angewiesen ist, die Finanzierung mit den notwendigen Eigenmitteln rasch sicherzustellen, ist eine Finanzierung über Crowdfunding oder eine andere Plattform ein geeignetes Instrument. Es bleibt trotzdem teures Geld. Durch unsere jahrelange Erfahrung und Track Record können wir notwendige Eigenmittel darstellen und dadurch die Kosten des Kapitals niedrig halten.
Jelitzka: Wir haben auch genügend Eigenkapital, wir machen trotzdem Immobilien-Crowdfunding. Warum? Weil es die Möglichkeit schafft, Eigenkapital aus einem Projekt abzuziehen. Dafür zahlen wir sechs Prozent. Mit diesem frei gewordenen Eigenkapital können wir aber in neue Projekte gehen und eine deutlich höhere Rendite erzielen. Wir vergleichen die Zinsen, die man für Surrogate zahlt, mit den Renditen, die man erzielen kann. Das Delta dazwischen, das Ergebnis aus dem Spread, das macht oft Sinn.
Schmidt: Wir haben jetzt von Wohnimmobilien gesprochen, wo wir 80, vielleicht sogar 90 Prozent fremdfinanzieren können. In anderen Assetklassen wie Hotelimmobilien, vielleicht sogar noch im Ausland, wo bis zu 70 Prozent Eigenmittel verlangt werden, ist die Lage anders, da machen alternative Lösungen sicher viel Sinn. Bei Wohnimmobilien in Österreich sollte man meiner Meinung nach schon mit eigenem Eigenkapital präsent sein.
Baert: Damit läuft man aber Gefahr, ein schönes Projekt vorbeiziehen lassen zu müssen, weil man sein Eigenkapital bereits in andere Projekte investiert hat.

Sind Hotelimmobilien angesichts der langen Lockdowns und geschlossener Grenzen überhaupt noch interessant?
Jelitzka: Sogar sehr interessant. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um zu investieren. Wir investieren massiv.
Baert: Auch wir entwickeln Hotelprojekte. Natürlich hat die Krise den Hotels geschadet und auch die Banken sind bei entsprechenden Projekten extrem vorsichtig geworden. Man darf aber das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Die Hotels haben aus der Krise viel gelernt und sind dadurch viel stärker als davor.
Jelitzka: Die Leisure-Hotellerie wurde sogar auch international als neue Assetklasse entdeckt. Sie hat eine sehr hohe Resilienz, mittlerweile suchen alle großen europäischen Fonds nach Immobilien im Leisure- und Resortbereich. Das ist ein wichtiges Indiz. Fonds arbeiten antizipativ und versuchen, Trends zu erkennen. Natürlich steht die Stadthotellerie vor größeren Herausforderungen, die Leisure-Hotellerie war aber nach Ende der Lockdowns wieder sehr schnell gut gebucht. Das zeigt: Die Leute wollen reisen, das ist ein Lifestyle-Thema, das bleiben wird.
Schmidt: Auch die Stadthotellerie wird ein Comeback feiern.
Baert: Vor allem in Wien fehlen der Stadthotellerie die Kongresse. Wegen der langen Vorlaufzeit in der Organisation werden solche Events erst im Jahr 2023 wieder kommen.
Ulm: Braucht man die B2B-Messen in Zeiten von Teams und Zoom überhaupt noch? Oder Ärztekongresse mit 4.000 Radiologen?
Schmidt: Ganz verschwinden werden Kongresse und B2B-Messen sicher nicht. Das persönliche Treffen kann Videotelefonie nicht ersetzen.

Im Unternehmensalltag scheinbar schon, Homeoffice wird von vielen Mitarbeitern geliebt. Leiden darunter Büroimmobilien?
Schmidt: Die meisten Firmen haben ihre Mitarbeiter längst wieder ins Büro geholt, Homeoffice ist nur eine Ergänzung. Sonst funktioniert die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit nicht.
Speiser: Es gibt viele Branchen, die noch verstärkt auf Homeoffice und alternative Möglichkeiten setzen. Darauf wird man reagieren müssen, dass sich Arbeitswelten verändern und somit die Büros anders, alternativ genutzt werden.
Ulm: In Wien zeigen die Leerstandsraten, dass wir weit weg von einer Krise im Büromarkt sind. Die Neuproduktion ist überschaubar, weil Büroentwicklungen viel Kapital erfordern. Unzeitgemäße Büros fallen aus dem Markt. Ich sehe generell, dass die Lebenszeit der Gebäude länger wird, die nutzungsspezifische Zeit aber kürzer. Eine Immobilie wird im Lauf ihrer Lebenserwartung unterschiedlich genutzt werden. Darauf müsste der Gesetzgeber reagieren, damit bestimmte Vorschriften die Nutzung eines Gebäudes nicht einzementieren.
Schmidt: Der Gesetzgeber müsste auch eine Aufzonung zulassen, damit man auf einem Grundstück mehr Volumen, mehr Wohnraum schaffen kann.
Jelitzka: Innerstädtisches Nachverdichten entspricht dem Ökologisierungstrend. Bestehende Infrastruktur wie eine U-Bahn, die mit viel Beton und Aufwand gebaut wurde, sollte von möglichst vielen Menschen genutzt werden. Man könnte in der Stadt noch viel nachverdichten.
Schmidt: Gerade im Dachgeschossausbau sind die Flächen oft so klein, dass der Ausbau zu teuer wäre. Mit einer höheren Bauklasse sinken die Preise und neuer Wohnraum entsteht, noch dazu bei bester Infrastruktur.
Ulm: Vom ökologischen Gesichtspunkt müsste man zuerst Wien verdichten, eine Stadt der kurzen Wege schaffen. Wenn dann noch Bedarf ist, verdichtet man die Städte im Umland, natürlich unter Schutz historischer Stadtkerne. Es wäre sinnvoll, an Verkehrsknotenpunkten zu verdichten, statt in die Breite zu gehen.
Speiser: Durch die Bauordnungsnovelle wird es Stadtentwicklungsgebiete mit guter Infrastruktur geben, wo nicht so viel gebaut werden kann wie nötig. Innerstädtisch könnte auf bestehende Strukturen leichter und effizienter aufgebaut werden, damit würde günstiger Wohnraum geschaffen.

Wie wird die Wohnung der Zukunft aussehen? Eher kleiner?
Baert: Es wird ein breites Spektrum an Möglichkeiten geben, die Menschen brauchen unterschiedliche Wohnungen für unterschiedliche Lebensphasen.
Speiser: Es ist unsere Aufgabe, diese Wohnungen zu liefern. Im ländlichen Bereich ebenso wie in der Stadt.
Jelitzka: Was jedenfalls bleiben wird, ist der Megatrend Urbanisierung.
Schmidt: Die breite Masse sucht zwei Zimmer auf 40 Quadratmetern mit einem Balkon. Freiflächen sind wichtig.
Baert: Die Ansprüche ändern sich. In Wien ist mittlerweile jede zweite Wohnung ein Singlehaushalt. Die Menschen werden immer älter, sind länger gesund und wollen länger zu Hause bleiben. Sie haben aber natürlich andere Ansprüche an Wohnungen als Studenten. Wien wird in wenigen Jahrzehnten 2,5 Millionen Einwohner haben und an den Verkehrsachsen mit St. Pölten und Wiener Neustadt zusammenwachsen.
Speiser: Die klassischen Zweizimmerwohnungen werden immer kleiner. Es ist unsere Verantwortung, diese kleinen Wohnungen funktional und mit viel Lebensqualität auszustatten. Kleine Apartments von knapp über 30 Quadratmetern sollen auch Standards haben: wo das WC nicht im Badezimmer, das Schlafzimmer abgetrennt und ein Abstellraum vorhanden ist. Von Corona blieb der Anspruch auf Freiflächen, flexible Nutzungskonzepte und Gemeinschaftsräume. Alles, was nicht mehr in der Wohnung passieren kann, wird ausgelagert. Wir versuchen, dies auch bei kleineren Projekten umzusetzen.

Wird auch Ökologie wichtiger? Fragen Käufer nach Umweltstandards?
Schmidt: Das Ökologiethema ist riesig. Viele Kunden fragen aktiv nach der Nachhaltigkeit einer Immobilie.
Jelitzka: Es gibt keine Ökologisierung ohne Digitalisierung und es gibt keine Digitalisierung ohne Ökologisierung. Wir haben etwa eine App namens PUCK entwickelt, die mit Internet of Things arbeitet. Wenn etwa in einem Haus die Fotovoltaikanlage am Dach Strom liefert, verständigt PUCK die Bewohner, dass man gerade die Stromkosten für die Gangbeleuchtung spart. Das ist Ökologisierung, die ankommt. Auf Grünflächen misst PUCK die Bodentrockenheit und gießt, wenn es notwendig ist – und nicht automatisch um 16 Uhr. Die Brandschutztür teilt uns via PUCK selber mit, wenn sie offen steht. Der Hausverwalter braucht keine sinnlosen Kontrollfahrten zu machen. Das spart Zeit, Kosten und CO2. Es gibt die Taxonomieverordnung der EU, die uns zum CO2-neutralen Bauen zwingt. Digitale Ökologisierung wie PUCK verschafft uns Innovationssonderpunkte im Sinne der Taxonomieverordnung, die wichtig sind. Denn in Zukunft darf kein institutioneller Anleger eine Immobilie kaufen, die nicht der Taxonomieverordnung entspricht.

Die Proptechs treiben die Ökologisierung?
Ulm: Der umweltschonende Betrieb von Häusern ist wichtig, aber auch der Rückbau von Häusern, die Kreislaufwirtschaft von Baumaterial, das Nicht-Versiegeln von Flächen. Wir müssen diese ökologischen Kriterien für den Konsumenten einfach beurteilbar machen. Der Energieausweis ist gut, für Konsumenten aber unlesbar. Unsere Branche denkt weit voraus. Wir haben schon vor Jahren propagiert, Immobilien nicht nur nach Bau-, Erwerbs- und Mietkosten zu messen, sondern an Lebenshaltungskosten. Große Unternehmen berechnen die Gesamtkosten einer Immobilie über 30 Jahre und treffen darauf basierend Standortentscheidungen. Das sollte man auch Privaten ermöglichen, dann können wir noch nachhaltiger bauen.
Jelitzka: Unsere Branche macht viel, aber kommuniziert schlecht. In Holland werden Blöcke aus alten Backsteinwänden zu neuen Häusern zusammengefügt. Das sieht sensationell aus und ist Cradle to Cradle. In Deutschland setzt ein Bauprojekt alle 17 SDG-Ziele der UN um. In der Schweiz macht ein Unternehmen komplette Fassaden aus Fotovoltaikpaneelen.
Baert: Die Kunden wollen nicht nur heute in einer nachhaltigen Immobilie leben. Viele denken schon den nächsten Schritt, was in 30 Jahren noch verkaufbar ist.
Schmidt: Nachverdichtung und Aufzonung verhindern, dass Boden versiegelt wird. Je mehr wir in die Höhe bauen, umso weniger Boden wird versiegelt.
Speiser: Kunden beschäftigen sich mit Ökologie und Nachhaltigkeit. Unsere Aufgabe ist es aufzuzeigen, was das anhand ihrer Wohnung, ihres Projektes bedeutet. Dabei helfen uns Digitalisierungsplattformen, und mit Zertifikaten unabhängiger Dritter wird Nachhaltigkeit messbar, der Kunde kann sich somit mit der Immobilie identifizieren.

Herzlichen Dank für die Diskussion.