assets magazin: Harry Richards

Fed: Inflationsbekämpfung um jeden Preis

Daher wird nun eine hundertprozentige Chance auf eine restriktivere Geldpolitik um mindestens 25 Basispunkte im März eingepreist. Zudem hat die Fed die Möglichkeit einer Anhebung der Zinsen bei jeder monatlichen Sitzung im Frühjahr und Sommer ins Spiel gebracht.  

Man rufe sich in Erinnerung, dass sich die Fed im letzten Zinserhöhungszyklus vor sechs Jahren einmal pro Quartal bewegt hat. Heute sind fünf Zinserhöhungen in den nächsten zwölf Monaten und einige weitere im Jahr 2023 in den Märkten eingepreist. Die Fed lässt sich von den jüngsten Marktbewegungen nicht aus der Ruhe bringen und scheint die Volatilität bei Aktien und Anleihen zumindest vorläufig als angemessene Korrektur zu betrachten. Fairerweise muss man sagen, dass die Anleihemärkte bisher relativ widerstandsfähig waren. Unserer Ansicht nach überreagiert die Fed auf die Inflation und auf den politischen Druck vor den Zwischenwahlen im November. Joe Bidens „Hot-Mic“-Kommentare (die hier nicht wiedergegeben werden können) gegenüber einem Journalisten haben deutlich gemacht, wie sehr die Inflation für die Demokraten ein politisches Thema ist. 

Überreaktion der Fed und der Märkte 

Wir halten an unserer Meinung fest, dass die Inflation vorübergehender Natur ist und sich abschwächen wird, sobald sich die Engpässe in der Lieferkette auflösen und die Menschen wieder arbeiten, weshalb sowohl die Fed als auch die Märkte überreagieren. Die Inflation wird sich allmählich abschwächen – erste Anzeichen dafür sehen wir in den Daten des Einkaufsmanagerindex (PMI) und den Lagerbestandsdaten – und das wird der Fed mehr Spielraum geben, wenn wir uns auf das Jahresende 2022 zubewegen. Die Frage ist, wie viel Schaden durch eine schnellere Straffung der Politik angerichtet wird, bevor die Fed ihren Kurs ändert.  

Die Volatilität, die wir an den Märkten beobachten, ist natürlich zum Teil eine Reaktion auf die verringerte Liquidität, zeigt aber auch, dass die Märkte weiterhin vermuten, dass die Fed einen politischen Fehler begeht. Flachere Renditekurven zeigen, dass der Markt höhere kurzfristige Zinsen auf Kosten des längerfristigen Wachstums einpreist, das durch die restriktivere Politik gedämpft wird.  

Wir sind der festen Überzeugung, dass die Zahl der derzeit eingepreisten Zinserhöhungen nicht eintreten wird. Wir verweisen auch auf die relativ flachen Renditekurven. Im Dezember 2015 betrug die Differenz zwischen den Renditen 5-jähriger und 30-jähriger US-Staatsanleihen 1,3 Prozent (d. h. die Rendite der 30-jährigen US-Anleihen lag um 1,3 Prozent über der 5-jährigen). Diese Differenz ging in den folgenden zweieinhalb Jahren fast auf Null zurück, bevor die Fed das Tempo der Straffung verlangsamen musste. Heute beträgt derselbe Abstand nur noch 0,5 Prozent und ist von 1,5 Prozent auf dem Höchststand im ersten Quartal letzten Jahres gesunken, was auf die Erwartung einer strafferen Politik zurückzuführen ist. Der Spielraum der Fed für eine weitere Straffung ist nun wesentlich geringer, bevor sich die Renditekurve umkehrt und sie erneut einen Kurswechsel vornehmen muss. 

Gefahr einer Verlangsamung des Wachstums wird unterschätzt 

Der andere wichtige Teil unserer Analyse besteht darin, dass der Markt auf vernünftige kurzfristige Fundamentaldaten schaut, insbesondere im Hinblick auf die Unternehmensgewinne, die noch eine Weile gut aussehen können, wenn sich die Welt wieder öffnet. Gleichzeitig wird jedoch unterschätzt, wie schnell sich sowohl die Inflation als auch das  

Wachstum im weiteren Verlauf dieses Jahres verlangsamen werden. Grund hierfür ist unseres Erachtens eine Kombination aus: der Erschöpfung der Ausgaben für langlebige Güter (was später im Jahr zu einer Deflation bei Gütern führen wird), dem Wiederaufbau von Materialbeständen im vierten Quartal, den negativen Auswirkungen der kurzfristigen Inflation auf das Verbrauchervertrauen, weitaus geringeren fiskalischen Anreizen als 2020 oder 2021, dem politischen Stillstand in den USA, deutlich höheren Energiekosten und einem strukturellen Wandel in der chinesischen Wirtschaftspolitik. Dieses Zusammenspiel wird unseres Erachtens das Wachstum verringern, und das wird im Laufe dieses Jahres immer deutlicher werden.  

Außerdem haben wir in den letzten zwölf Monaten weltweit fast 100 Zinserhöhungen erlebt, vor allem in den Schwellenländern. Die Auswirkungen dieser Erhöhungen werden sich früher oder später bemerkbar machen und das Wachstum bremsen. Wir weisen auch weiterhin auf die langfristigen Faktoren einer schwachen Demografie und einer übermäßigen Verschuldung hin, die das Wachstum und die Inflation dauerhaft einschränken.  

Kombiniert man diese Faktoren mit der Entschlossenheit der US-Notenbank, ihre Politik schnell zu straffen, gehen wir weiterhin davon aus, dass die Volatilität bei Risikoanlagen anhält, Wachstum und Inflation zurückgehen und die US-Notenbank in der Lage (oder gezwungen) ist, das Tempo der Straffung im Laufe des Jahres zu verlangsamen. Das führt zu niedrigeren Zinsen und einem günstigen Umfeld für Hochzinsanleihen.