Einzelstücke von „Lalanne“ werden immer beliebter, der Nashorn-Schreibtisch markiert einen neuen Preissprung.

Kunst – Tierisch schönes Design

In Paris erzielte ein Nashorn-Schreibtisch von François-Xavier Lalanne den neuen Rekordpreis von 18 Millionen Euro. Neben den Lalannes dominieren vor allem Mid-Century-Designer den Designsammlermarkt.  Text: Eva Komarek

Rhinocrétaire I“, ein Nashorn-Schreibtisch von François-Xavier Lalanne, erzielte heuer bei Christie’s in Paris einen neuen Rekordpreis von 18,3 Millionen Euro und pulverisierte damit den bisherigen Rekord von 8,3 Millionen Euro aus dem Jahr 2021. Die Schätzung lag bei vier bis sechs Millionen Euro. Das Nashorn kann geöffnet werden und enthält neben einem Schreibtisch auch eine Bar, einen Safe und Lampen. „1964 ausgeführt, unmittelbar nachdem sich François-Xavier Lalanne von der Malerei abwandte, ist es seine erste bedeutende Skulptur“, sagt Sonja Ganne, Vorsitzende des Christie’s Design Departments.

Design ist zum fixen Bestandteil des Kunstmarktes geworden. Wobei die Grenze von Kunst zu Design immer mehr verschwimmt. Der Unterschied liegt in der Funktion. Design hat einen praktischen Nutzen, Kunst nicht. Die Werke des Künstlerpaars Claude und François-Xavier Lalanne bewegen sich geschickt an der Grenze zwischen Kunst und Design. Der „Rhinocrétaire“, der schon vor dem Rekordzuschlag in Paris zu den teuersten Werken von François-Xavier Lalanne gehörte, ist ein gutes Beispiel dafür.

Die Geschichte von Claude und François-Xavier Lalanne, die sich in den 1950er-Jahren in Paris trafen, zeugt von einer einzigartigen kreativen Partnerschaft. Sie begannen unter dem Namen „Les Lalanne“ zu arbeiten, bevor sie später ihren Werken ihre Vornamen hinzufügten. Die Natur diente als Inspirationsquelle, wobei François-Xavier eine Zuneigung zur Tierwelt und Claude eine zur Pflanzenwelt hegte. Prominente Persönlichkeiten wie Yves Saint Laurent, Pierre Bergé, Gunter Sachs und Karl Lagerfeld zählten zu den Sammlern ihrer Kunst.

Preissprünge und Wachstum

„Der Lalanne-Markt ist in den letzten 20 Jahren stetig gewachsen, mit einem ersten Preissprung Ende der Nullerjahre anlässlich der Auktion Yves Saint Laurent & Pierre Bergé bei Christie’s Paris, als Werke von Claude und François-Xavier Lalanne mehr als eine Million Euro erzielten“, sagt Ganne. Auch nach dieser Versteigerung stieg das Interesse kontinuierlich weiter an. „Der Tod von Claude Lalanne im Jahr 2019 markierte einen neuerlichen Preissprung auf dem Markt mit den anschließenden Verkäufen der Sammlung von François-Xaviers und Claudes Töchtern sowohl bei Christie’s als auch bei Sotheby’s“, erklärt die Designexpertin. So erzielte die persönliche Sammlung der Lalannes 2019 bei Sotheby’s in Paris 91 Millionen Euro und damit das Vierfache ihres Schätzpreises. Auch für Claude Lalanne wurden neun der zehn besten Auktionsergebnisse nach 2019 erzielt. Sotheby’s erreichte mit vier Millionen Euro inklusive Taxen für „Pomme d’Hiver“ im Vorjahr in New York einen neuen Rekord für die Künstlerin. Anfang Oktober kam ein „Pomme de Londres“ bei Sotheby’s in Paris auf 1,98 Millionen Euro.

Neben den Lalannes dominieren einige wenige große Namen des französischen Mid-Century-Designs der Fünfziger- und Sechzigerjahre den Designmarkt. Jean Prouvé und Charlotte Perriand sind diesbezüglich die Elite. Sehr gesucht, wenn auch preislich nicht so hoch, ist Le Corbusier. Jean Prouvé spielt in der Millionenliga. 1,8 Millionen Euro erzielte „Structure Nomade“ 2011 bei einer Auktion des französischen Auktionshauses Artcurial. Es ist der zweithöchste Preis. Der höchste ist 3,3 Millionen Euro für den Prototyp eines Hauses, „Maison Tropicale“. Im Bereich Möbel wurden 2021 für einen für die Air-France-Headquarters in Brazzaville entworfenen Tisch „S.A.M.“ bei Sotheby’s in Paris 1,5 Millionen Euro bewilligt.

Bei Charlotte Perriand wurden 2021 und 2022 neue Rekordpreise erzielt. Eine Wandkonsole, entworfen für die Wohnung von Bruno Coquatrix, wurde bei Christie’s 2021 um 680.000 Euro zugeschlagen und ein Tisch „Feuille“ (Blatt) ein Jahr später um 600.000 Euro. Le Corbusier liegt bei den Preisen für Design schon deutlich unter Perriand. Der höchste Zuschlag wurde für einen bedeutenden Ministerschreibtisch bewilligt, entworfen für den High Court und das Sekretariat im indischen Chandigarh. 158.878 Euro inklusive Taxen wurden 2019 bei Phillips in London dafür bezahlt. Seine wohl berühmteste Chaiselongue „LC4“ liegt hingegen bei gerade einmal 6.432 Euro.

Beliebte Klassik

Zu den weiteren Klassikern der Mid-Century-Designer zählt das Designerduo Charles und Ray Eames, das mit seinem „Lounge Chair“ und dem „Plastic Chair“ weltweit bekannte Designikonen schuf. Besonders der „Lounge Chair“ gehört zu den bedeutendsten Entwürfen im Möbeldesign des 20. Jahrhunderts und wird von Vitra bis heute gefertigt. Dann wäre der Italiener Gio Ponti zu nennen, der mit seinem „Superleggera“-Stuhl und mit der Kaffeemaschine „La Cornuta“ für den Kaffeemaschinenhersteller La Pavoni bekannt wurde. Und auch die Skandinavier brachten in der Nachkriegszeit richtungsweisende Designer hervor, deren Entwürfe am Markt gesucht sind. Dazu zählt Arne Jacobsen, dessen bekanntestes Stück der „Egg Chair“ ist. Wenige wissen, dass auch der Ameisen-Stuhl von ihm ist. Er ist bis heute oft in Wartezimmern zu finden. Weiters wären da Poul Henningsen mit seinem berühmten Leuchter „PH Artichoke“, Alvar Aalto mit seinen Holzmöbeln und Hans J. Wegner, dessen „Shell Chair“ mit seiner flügelförmigen Sitzschale Geschichte schrieb. Gerade skandinavisches Design mit seinen zeitlosen Entwürfen und qualitativ hochwertiger Ausführung ist gefragt. Poul Henningsens Rekord liegt bei 328.255 Euro, Wegners teuerstes Sesselset „Cow Horn“ wurde um 216.478 Euro gekauft und Arne Jacobsens höchster Preis für eine Wohnzimmergarnitur belief sich auf 98.000 Euro.

Schließlich sind noch die Bauhaus-Designer zu nennen, die ebenfalls die Designentwicklung prägten. Marcel Breuer erfand die Stahlrohrmöbel und Mies van der Rohe die Freischwinger – Stühle ohne Hinterbeine, die zu den Büro-, Ess- und Wartezimmerklassikern gehören. Preislich kann Breuer mit einem Zuschlag von über 100.000 Euro aufwarten, Mies van der Rohe mit 220.000 Euro. Insgesamt bewegen sich die Preise im fünfstelligen Bereich oder darunter. Die Nachfrage kann trotz der historischen Bedeutung mit der für andere Designer nicht mithalten. Bei zeitgenössischem Design stehen zwei Designer an der Spitze des Marktes. Der Superstar ist der Australier Marc Newson. Er positioniert sich in der Sparte Kunst und verkauft seine Möbel über den einflussreichen Galeristen Larry Gagosian. Zu seinen bekanntesten Entwürfen zählt der „Lockheed Lounge Chair“, für den bei Auktionen die zwei höchsten Preise erzielt wurden: 2015 2,9 Millionen Euro und 2017 1,5 Millionen Euro. Neben Newson gehört noch Ron Arad zu den hochpreisigen Zeitgenossen. Ein „Prototype D-Sofa“ von 1993 stieg 2021 auf 1,4 Millionen Euro.