Kunst – Geldanlage in der Inflation

Ist Kunst das neue Gold?

„Wer etwas Beständiges sucht, der sollte besser Kunst kaufen.“ Dieses Zitat stammt nicht etwa von einem Kunstsammler, sondern vom früheren Chef der US-Notenbank Alan Greenspan. ­Tatsächlich hat sich Kunst als alternative Anlageform längst etabliert.

Text: Eva Komarek

Der globale Kunstmarkt wuchs trotz der wirtschaftlichen Auswirkungen von der Pandemie und dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine im Vorjahr laut aktuellem UBS Art Basel Art Market Report 2023 um drei Prozent auf 67,8 Milliarden US-Dollar. Doch das sagt relativ wenig darüber aus, ob Kunst als alternative Anlage auch eine gute Absicherung gegen die Inflation bietet, die sich derzeit hartnäckig auf hohem Niveau hält. Dazu muss man sich die Wiederverkaufswerte von Kunstwerken ansehen.

Die Kunstpreisdatenbank Artprice berechnet zwei Indizes: den Bluechip 100 Artist Index und den Artprice Global Index. Ersterer berechnet die hypothetische Rendite, die man erzielen würde, wenn man in die 100 meistverkauften Künstler der Welt investiert hätte. Der zweite umfasst die Preise des Gesamtmarktes. Für das Jahr 2022 verzeichnete der Bluechip 100 Artist Index ein Wachstum von drei Prozent, während der Artprice Global Index um 18 Prozent zurückging. Übrigens verlor der S&P 500 im Jahr 2022 19 Prozent seines Wertes. Vergleicht man die ­Indizes, so zeigt sich, dass man für Bluechip-Künstler auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zumindest mit einem leichten Anstieg des Marktwertes rechnen kann. Im Index sind sämtliche erzielte Preise des jeweiligen Künstlers berücksichtigt, also vom teuersten bis zum billigsten verkauften Werk.

Angeführt wird die Liste von Pablo Picasso mit einem Wertanstieg um 8,6 Prozent, gefolgt von Jean-Michel Basquiat mit 4,4 Prozent, und am dritten Platz liegt Andy Warhol mit 4,2 Prozent.

Topsegment wächst weiter

Ganz anders sieht die Performance aus, wenn man nur das Topsegment des Marktes hernimmt, also Kunst, die um mehr als eine Million Dollar verkauft wurde. Das hat sich Sotheby’s für den „Insight Report“ mit dem Kunst-Research-Unternehmen ArtTactic angesehen.

Herangezogen wurden für die Analyse die Daten impressionistischer, moderner und zeitgenössischer Kunst sowie Alter Meister im Zeitraum zwischen 2018 und 2022 der drei führenden Häuser Sotheby’s, Christie’s und Phillips. Das Ergebnis zeigt eine deutlich bessere Performance, nämlich 9,5 Prozent. Bei Werken im Wert von über 20 Millionen Dollar war der Anstieg mit einem Plus von 38 Prozent sogar noch signifikanter.

Diese Entwicklung beobachtet auch Kunstmarktökonomin Clare McAndrew, die alljährlich den renommierten UBS Art Basel Art Market Report erstellt. Sie hat sich für den aktuellen Bericht den langfristigen Trend angesehen. Demnach ist der Index für das Spitzensegment von mehr als zehn Millionen Dollar pro Werk zwischen 2009 und 2022 um knapp 700 Prozent gestiegen, während das Segment bis 50.000 Dollar im selben Zeitraum nur um zehn Prozent zulegte. McAndrew kann auch die für uns entscheidende Frage beantworten, ob Kunst eine gute Absicherung gegen Inflation ist.

Das Ergebnis für den inflationsberei­nig­ten Vergleich ist jedoch ernüchternd. Während sich das Zehn-Millionen-Dol­lar-plus-Segment im Laufe  der 14 Jahre immer noch verfünffachte, weist das Segment bis 50.000 Dollar ein Minus auf.

Diese Zahlen belegen, was auch aus dem österreichischen Kunsthandel aller Sparten zu hören ist: Die Schere zwischen dem Topsegment und mittlerer Ware ist in den letzten Jahren immer weiter auseinandergegangen. Händler führen das darauf zurück, dass die Kaufkraft der Mittelklasse abnimmt und die älteren Sammlergenerationen sterben oder zumindest keine Zukäufe mehr tätigen.

Auch seien viele Händler damit konfrontiert, dass aufgrund der wirtschaftlich ­angespannten Lage Kunden nach mehr Preisnachlässen fragen.

Taugt Kunst also gar nicht als Investment? Doch, aber ähnlich wie am Aktienmarkt muss man sich damit beschäftigen, will man mehr Rendite herausschlagen.

Einerseits muss man auf den richtigen Künstler setzen oder zumindest auf die richtige Sparte. Denn der Markt unterliegt Modeerscheinungen. Bis Anfang der 1990er-Jahre dominierten Alte Meister den Kunstmarkt. Dann jedoch kam der rapide Abstieg.

Spätestens seit der Jahrtausendwende prägt zeitgenössische Kunst das Markt­geschehen. Es ist das bei Weitem dy­na­mischste und profitabelste Segment des Marktes. Antiquitäten und Kunst des 19. Jahrhunderts hingegen sind heute noch maximal für Liebhaber geeignet, nicht jedoch als Investment. Ein genauer Blick auf die Performance der jeweiligen Sparte ist für eine Investmententscheidung also essenziell.

Günstiger und wachstumsstark

Das zweite wichtige Kriterium ist die Qualität. Verfügt man nicht über ein Spielgeld in Millionenhöhe, dann ist das Geheimnis die Wahl des Mediums. So sind Zeichnungen, Grafiken oder Fotografien günstigere Medien als Ölgemälde. Da kann man sich leichter das Topsegment leisten, das aber mit der generellen Marktentwicklung eines Künstlers mitsteigt. Will man auf Nummer sicher gehen, greift man auf einen Bluechip-Künstler, kauft aber beispielsweise eine Zeichnung oder eine Grafik und wählt hier die bestmögliche Qualität, die das eigene Budget zulässt.

Hat man die Wahl zwischen einem mittelmäßigen Ölgemälde aus einer für den Künstler wenig relevanten Schaffensperi­ode und einer bedeutenden Zeichnung aus einer wichtigen Zeit, entscheidet man sich für die Zeichnung. Generell sollte man die Veranlagung in Kunst aber immer mit einer Prise Leidenschaft würzen. Denn selbst wenn Kunst grundsätzlich als Geldanlage funktioniert, sollte es auch um den ideellen Wert und die Freude an einem schönen Werk gehen. Dann kann man im Gegensatz zum Kapitalmarkt eigentlich nicht verlieren.