Kulinarik – Kulinarische Weltreise in Wien

Die authentische Küche mit einem Gang um die Ecke ist in Wien derzeit gefragt – und in den verschiedensten Stadtteilen wie Geschmacksrichtungen auf hohem Niveau erlebbar.

Text: Jasmin Reif-Medani

Dem Ruf nach einer unkomplizierten und authentischen Küche sind in Wien in den vergangenen Jahren zahlreiche Lokale gefolgt. In früheren Jahrzehnten logistisch schwer umsetzbar, gelangen mittlerweile auch exklusive Zutaten für die frische Zubereitung von traditionellen Rezepten aus fernen Ländern und Kulturen über kurze Lieferwege hierzulande auf den Tisch – und ermöglichen die tägliche kulinarische Reise zu original anmutenden Gaumenfreuden.

Apulisch genießen in Wieden

Als gastfreundliche Adresse für Anhänger der süditalienischen Küche hat das „Made in Sud“ in der Margaretenstraße vor rund eineinhalb Jahren seine Türen geöffnet. Der Familienbetrieb von Francesco Tedesco und Team bringt apulisches Flair auf den Teller und setzt auf überliefertes Know-how aus Tradition: „Der Fischeintopf in der Kupferpfanne wird nach einer alten Rezeptur zubereitet, wie es meine Großmutter schon vor 70 Jahren in Apulien gemacht hat“, erzählt der Restaurantchef. Und für die direkt in der Auslage handgemachte Pasta ist „die Tante“ täglich im Lokal am Werk.

Als Spezialität des Hauses gelten Fische, die extra von einem kroatischen Fischlieferanten von der Insel Brac gebracht werden – in „sehr sparsamen Bestellungen, ein paar Stück pro Woche, aber so frisch, dass sie sich noch bewegen“.

Vergeblich sucht man im Made in Sud nach einer Speisekarte: Improvisation ist an der Tagesordnung, denn gekocht wird, was verfügbar ist – häufig sind das wechselnde seltene Fischarten, Seeigel oder Kaisergranaten, versammelt auf der Fischplatte „Crudo di Mare“, dem Aushängeschild an der Anlaufstelle für leichte apulische Küche. „Wir brauchen die Produkte, um daraus ein Rezept zu machen – nicht umgekehrt.“ Und dabei legt der Chef größten Wert auf Qualität sowie darauf, „dass das Essen so einfach wie möglich bleibt: Bei uns gibt es Meeresgeschmack und Natur pur, wie wir es ursprünglich gelernt haben – ohne Schnickschnack, Zange und Blümchen.“

In der kurzen Zeit hat sich das Made in Sud unter den heimischen Fischrestaurants einen Namen gemacht und einen hohen Stammkundenanteil aufgebaut. Tedesco: „Jeder Zweite reserviert beim Verlassen des Lokals schon wieder einen Tisch – in unserer kleinen Welt sind wir immer ausgebucht.“ Wobei sein Erfolgsrezept denkbar einfach ist: „Unsere Idee war, bodenständig zu kochen – so wie es immer schon war. Wir gehen lieber zurück zu den Wurzeln, als sorgenvoll in die Zukunft zu schauen.“

Neapel im Wiener Discofieber

Der italienische Süden dient auch als Inspirationsquelle für einen anhaltenden Trend in der heimischen Gastronomiebranche: authentische Pizza wie auf den Straßen Neapels. Mit der Pizzeria Pizza Mari’ in der Leopoldstadt, der dazugehörigen Disco Volante in der Gumpendorfer Straße sowie deren „kleiner Schwester“ Pronto Volante in der Kolschitzkygasse im vierten Bezirk hat original neapolitanische Pizza in Wien mittlerweile an mehreren Standorten Einzug gehalten. Doch warum eine Pizzeria mit einem Pizzaofen in Form einer Discokugel? „Unsere Idee war ein Lokal mit hervorragender, frischer Pizza, das nicht zu schick, sondern für alle zugänglich ist. Und die mediterrane Küche ist für ein schnelles und leicht verdauliches Essen immer gefragt“, erzählt Verena Piontek, gemeinsam mit Hedwig Zinöcker Geschäftsführerin von Disco Volante und Pronto Volante. Der Erfolgsmix aus langfristig gebundenem Personal und konstant hoher Qualität zu einem gleichbleibenden Preis-Leistungs-Verhältnis bewährt sich schon seit Jahren.

Die sorgfältig ausgewählten Zutaten kommen im direkten Import aus Italien sowie teils von regionalen Märkten und Fleischereien mit besonderem Augenmerk auf Nachhaltigkeit und Bioqualität. Und die Discokugel hat sich als wahrer Glücksgriff erwiesen: Was bei der Eröffnung vor rund zehn Jahren als origineller Eyecatcher für hungrige Besucher gedacht war, hypt inzwischen als beliebtes Fotomotiv für die Instagram-Generation und neugierige Touristen.

Volante-Inhaberinnen Hedwig Zinöcker und Verena Piontek: Der Ofen als Discokugel ist ebenso legendär wie die Pizzen daraus.
 

Geselliges Nachtessen

Seinen Ausgangspunkt nahm der Trend zu authentischen Lokalen in Wien ursprünglich mit traditionellen Gasthäusern oder Beisln wie dem Rebhuhn im neunten Bezirk oder dem Gasthaus Schilling in Neubau, die Wiener Beislkultur auf ein modernes kulinarisches Niveau befördert haben. Später folgten der Balkanküche verschriebene Lokale wie das 2020 eröffnete, exilbosnische Sofra in der Märzstraße oder das Safran Vienna in der Nussdorfer Straße als eines der jüngsten Beispiele für authentisch persische Küche in Wien.

Doch auch die zeitgemäße asiatische Küche in Wien hat mit altbekannten „europäisierten“ Chinarestaurants der vergangenen Jahrzehnte weniger gemein als mit Essen, wie es in China serviert wird. Das Kng Tao in der Schottenfeldgasse, eröffnet im Dezember 2019 kurz vor dem ersten covidbedingten Lockdown und wiedergestartet im April 2020, überzeugt mit einem fein abgestimmten Mix aus der authentischen chinesischen Küche sowohl Gäste mit chinesischen Wurzeln als auch Europäer.

Auf der Karte finden sich sowohl vegetarische und vegane Gerichte als auch traditionelle Speisen wie Dim Sum, scharfe Spezialitäten aus der Sichuan-Küche, Meeresfrüchte und Barbecue-Spieße. Die Zubereitung ist „bewusst nicht an den europäischen Geschmack angepasst – und viele unserer Gäste sagen, es schmeckt wie in China“, betont Gründerin und Inhaberin Catey Zhou, die selbst in der Gastronomie aufgewachsen ist und gemeinsam mit ihrem Mann mit dem M1NE in der Kettenbrückengasse, den Green-Express-Restaurants und dem eigenen Choo Foodstore an der Linken Wienzeile ein kleines Kulinarikimperium betreibt. Größten Wert legt Zhou auf Qualität und Herkunft der Gewürze, die zum Großteil direkt aus China geliefert werden, ebenso wie einige der angebotenen Teesorten. Fleisch, Fisch und Gemüse werden lokal eingekauft, einige Zutaten kommen aus dem eigenen Supermarkt und die exotischeren Gemüsesorten sind bei chinesischen Händlern in Wien frisch erhältlich.

Besonders gut kommt bei den Gästen das der Mentalität entsprechende, authentisch chinesische Sharingkonzept für gemeinsames Essen an: „Jeder bekommt einen Teller und kann vom Essen probieren, das in der Tischmitte steht. Viele Europäer kennen diese Tradition und echt chinesisches Essen von Reisen nach China und suchen es auch in Wien – unsere Küche ist sehr leicht, gut verträglich und gesund.“ In naher Zukunft möchte Zhou das Konzept der restauranteigenen Karaokebar mit einem spätabendlichen Küchenangebot verbinden: „Unser Koch bereitet auch Schalenmeeresfrüchte wie Hummer oder Venusmuscheln zu. Und wir haben vor, am Wochenende nach 23 Uhr Essen in einem geselligen Rahmen zu servieren: eine Meeresfrüchte-Schaufel im Gesamtpaket mit Spielen und Karaokesingen nebenbei. So wie man es auch in China gerne macht.“

Rebhuhn: ein Gasthaus wie früher, nur mit viel besserem Essen.

Original gewürzt

Doch woher kommt dieser anhaltende Trend zur authentischen Küche? „Wenn Menschen im Urlaub oder auf Reisen gut gegessen haben, möchten sie diese Geschmackserlebnisse zu Hause wiederholen“, vermutet Dominik Köhler vom Onlinemagazin Gastro.News. „Niemand hat Lust auf eine halb dünne, lauwarme österreichische Interpretation von Speisen aus anderen Ländern: Es sollte so schmecken wie dort auch. Deshalb importieren Lokale, die auf authentische Küche aus anderen Kulturen setzen, zum Beispiel ihre Gewürze aus den Ursprungsländern: als Basis für den echten Geschmack, ganz nah am Original.“ 

Kng Tao: Essen wie im Reich der Mitte – mit Originalzutaten aus China und allen Speisen in der Tischmitte.

Infos

Made in Sud

Margaretenstraße 36

1040 Wien

+43 1 952 23 45

office@madeinsud.at

madeinsud.at

Disco Volante

Gumpendorfer Straße 98

1060 Wien

+43 664 195 25 45

reservierung@disco-volante.at

disco-volante.at

Kng Tao

Schottenfeldgasse 2–4

1070 Wien

+43 1 956 18 04

office@kngao.at

kngtao.at