Immobilien – Teilweise zu verkaufen

Wie nutzt man den Wert einer Immobilie, ohne deshalb ausziehen zu müssen? Eine zumindest in Mitteleuropa neue Variante bietet eine mögliche Lösung. Der sogenannte Teilverkauf von Immobilien wird deshalb auch in Österreich populärer.  

Text: Robert Prazak

Das schöne Haus befindet sich in allerbester Lage in einem noblen Stadtviertel, es ist gut erhalten und hat die ideale Größe. Kein Wunder also, dass es am Immobilienmarkt heiß begehrt ist. Sein Wert hat sich in den vergangenen Jahren zumindest verdoppelt – und angesichts der hohen Nachfrage wird es wohl weiter bergauf gehen mit dem Preis. Doch was haben die Eigentümer der Immobilie eigentlich davon? Sie wollen ja nicht verkaufen, weil gleichwertiger Wohnraum schwierig zu bekommen wäre – und außerdem können sie sich (noch) nicht vorstellen, auszuziehen.

Eine relativ neue und noch wenig bekannte Möglichkeit, von solchen Wertsteigerungen – wie sie für die Mehrzahl der Regionen in Österreich und Deutschland inzwischen üblich sind – zu profitieren, ist der Teilverkauf einer Immobilie. Die Idee dahinter klingt gar nicht kompliziert: Eigentümer verkaufen nur einen Teil ihres Hauses oder ihrer Wohnung, erhalten dafür sofort die gewünschten finanziellen Möglichkeiten und bezahlen für die Nutzung dieses Teils ihrer Immobilie ein Entgelt. Später können sie den Teil zurückkaufen oder den übrigen Teil wie üblich verkaufen.

Christoph Neuhaus gründete 2018 mit Alexander Ey das Unternehmen wertfaktor und brachte den Immobilienteilverkauf damit auf den deutschen Markt. „Wir sind mit wertfaktor gestartet, weil wir dafür einen großen Markt sehen.“ Die sonstigen Möglichkeiten, über Geld zu verfügen und dennoch Eigentümer der Immobilie zu bleiben, seien ja begrenzt. Neben wertfaktor sind in Deutschland unter anderem Hausanker und Heimkapital in diesem Bereich des Immobilienmarktes tätig.

Wie läuft ein solcher Teilverkauf nun konkret ab? „In der Praxis wird ein Gutachten erstellt und unter Mitwirkung eines
Notariats ein Vertrag vorbereitet, erklärt Neuhaus. „Kunden verkaufen maximal 50 Prozent der Immobilie und nutzen diesen Teil dennoch weiterhin allein.“ Dieser Teil könne vom Eigentümer jederzeit zurückgekauft werden bzw. können die Eigentümer Ankaufsberechtigte angeben – meistens sind das ihre Erben.

Engel & Völkers in Österreich

In Österreich ist das Modell noch nicht allzu bekannt. Seit Herbst 2022 versucht Engel & Völkers, den Teilverkauf auch hierzulande populärer zu machen. Dazu wurde in Graz die LiquidHome GesmbH gegründet; Immobilien ab einem Wert von 200.000 Euro kommen dafür infrage. Vor allem die Zurückhaltung der Banken bei der Vergabe von Krediten an ältere Kunden soll das Interesse an der Immobilienverrentung, wie das Modell auch genannt wird, heben. In Deutschland hat Engel & Völkers nach eigenen Angaben bisher 200 Millionen Euro für den Kauf von Immobilienteilen ausgegeben.

Wie sieht die Branche dieses Angebot? Karina Schunker von EHL weist darauf hin, dass die Ermittlung eines marktkonformen Preises ein wichtiges Kriterium sei. Sie weist außerdem auf jene Angebote am österreichischen Markt hin, bei denen Unternehmen Immobilien ankaufen und dem bisherigen Eigentümer ein Wohnrecht anbieten. „Das ist vor allem für die Zielgruppe 60 plus interessant, die dadurch einen guten Lebensstandard halten und zugleich in ihrer Immobilie bleiben kann.“

Daniel Jelitzka, Chef von JP Immobilien, hält den Teilverkauf von Immobilien grundsätzlich  für eine sehr gute Idee, die für alle Beteiligten eine Win-win-Situation schaffen könnte – „sofern die Vereinbarungen für alle fair und ausgewogen sind“. Er rechnet damit, dass das Modell in Österreich noch populärer wird. „Oft ist der Teilverkauf ja die einzige Möglichkeit, um rasch zu kapitalisieren.“ Das Modell biete zudem für ältere Menschen die Chance, einen Kredit zu bekommen: Wenn beispielsweise der ältere Besitzer die Hälfte seiner Villa belehnt und dafür Entgelt zahlt, entspreche das ja einer Rückführung des Kredits.

Christoph Neuhaus, Gründer und Geschäftsführer wertfaktor: „Wir sehen einen großen Markt für Teilverkäufe.“

Markt hat Potenzial

Der Markt hat jedenfalls großes Potenzial, ist wertfaktor-Chef Christoph Neuhaus sicher, der zumindest momentan allerdings nicht in Österreich auftritt. „Wir geben Immobilieneigentümern schließlich die Möglichkeit, die starke Wertsteigerung auf ihr Konto zu bringen.“ Dabei haben die wirtschaftlichen Verwerfungen und die finanziellen Probleme von Privathaushalten – Stichwort Energiepreise und Inflation – durchaus ihre Auswirkungen. Das Angebot werde heute eher für Basisanschaffungen wie den Einbau einer Heizung verwendet, während es davor eher Weltreisen oder der Kauf eines Wohnmobils waren, erzählt Neuhaus.

Das Interesse werde weiter steigen, das zeigt auch die regionale Vielfalt:  „Wir haben von Sylt bis zum Bodensee Projekte in der Umsetzung.“

Warnung der BaFin

Zuletzt warnte allerdings die deutsche Finanzaufsicht BaFin vor den potenziellen Risiken dieser Variante eines Immobilienverkaufs. Viele Angebote würden nicht halten, was die Werbung verspricht, Nachteile würde sich erst später zeigen, etwa wenn die Immobilie dann als Ganzes an einen Dritten verkauft werden soll. Außerdem seien die Verträge oft komplex und schwer zu durchschauen. Bei der Warnung der BaFin seien teilweise falsche Aspekte enthalten, etwa dass ein Teilverkauf nicht insolvenzsicher sei, meint Neuhaus dazu. „Zumindest das Produkt von wertfaktor ist so konstruiert, dass auch eine Insolvenz keine wesentlichen Folgen für den Eigentümer hätte.“

Andere Kritikpunkte der BaFin würden stimmen, ließen sich aber nicht ganz nachvollziehen. Wenn etwa eine Hypothek auf die Immobilie aufgenommen werde und die Raten nicht mehr bezahlt werden, drohe irgendwann der Auszug, warnt die BaFin. „Aus unserer Erfahrung kommen solche Fälle erstens sehr selten vor und zweitens konnten wir immer partnerschaftlich eine Lösung mit unseren Miteigentümern finden“, sagt Neuhaus, der es dennoch begrüßt, dass sich die Finanzaufsicht mit dem Thema beschäftigt. „Der Immobilienteilverkauf ist eine wichtige Entscheidung. Daher finde ich es wichtig, dass sich Kunden rechtlich beraten lassen.“ Ob sich in Österreich die FMA mit dem Thema Teilverkauf in naher Zukunft intensiver befassen wird müssen, wird wohl vor allem davon abhängen, wie rasch das Interesse an dieser Variante steigt. 

Zahlen

6,5 Millionen Eigenheime, die weitgehend schuldenfrei sind, befinden sich in Deutschland derzeit im Besitz der Altersgruppe 65 plus, heißt es beim deutschen Anbieter wertfaktor.

Infos

Was ist ein Teilverkauf?

Der Teilverkauf von Immobilien ist in Deutschland bereits recht populär. Es ist eine Möglichkeit für Eigentümer, sich von einem Teil ihres Eigentums zu trennen und dennoch weiter in ihrem Haus bzw. ihrer Wohnung zu bleiben. Im Regelfall werden zwischen 25 und 50 Prozent der Immobilie verkauft. Einer der ersten Anbieter in Deutschland war wertfaktor, der inzwischen sogar über entsprechende Angebote für institutionelle Investoren wie große Versicherungsunternehmen nachdenkt. Zu den Konkurrenten von wertfaktor zählt unter anderem Engel & Völkers – das Maklerunternehmen ist auch in Österreich über seine Grazer Tochterfirma LiquidHome GesmbH mit diesem Angebot tätig.