Karl und Andreas Pilstl: Die beiden Agrarrohstoffhändler haben ein beachtliches Imperium aufgebaut – und zeigen auch bei Immobilien ein geschicktes Händchen.

Grenzenlos „Noch nie da gewesene Preise“

Das Hotel Blue Haven auf der Insel Tobago, gelegen auf einem Felsvorsprung an der Bacolet Bay süd­östlich der Hauptstadt Scarborough, ist ein pinker Kolonialbau. Einst war es eines der führenden Häuser der Karibik, Hollywoodstars wie Robert Mitchum und Rita Hayworth logierten dort. In den 1980er-Jahren wurde es geschlossen und verfiel. Im Jahr 2000 eröffnete es wieder, liebevoll saniert. Zeitweilig geschlossen musste es erst wieder im ersten Coronajahr 2020 werden.

Szenenwechsel: Wien

Das Palais Equitable am Stock-im-Eisen-Platz Nummer 3 ist das einzige „Palais“ Wiens, wo niemals eine Adelsfamilie wohnte. Die Equitable Life Assurance Society war ein US-Versicherungsunternehmen und ließ 1887 bis 1891 die Immobilie errichten, mit einem Seeadler auf dem Giebel, einem Wikingerschiff auf dem Dach und einem Stiegenhaus aus Marmor aus Hallein und Granit aus Sachsen. Eine große Fläche darin gehörte bis 2010 der Kärntner Skandalbank Hypo Alpe Adria.

Szenenwechsel: Raab

Das Wasserschloss in Raab im Bezirk Schärding wurde im 12. Jahrhundert errichtet. Das heutige Aussehen bekam das Schloss im 16. Jahrhundert. Von Mitte des 19. Jahrhunderts bis 2002 war es Sitz des Bezirksgerichtes.

Szenenwechsel: Gmunden

Der Freisitz Roith in Gmunden wurde Ende des 16. Jahrhunderts erbaut. Das Schmuckkästchen war nach wechselhafter Geschichte ab Ende der 1960er-Jahre ein „Schlosshotel“. Stars und Sternchen kamen und gingen, ebenso eine Drei-Hauben-Küche.

Was alles verbindet

Vier sehr unterschiedliche Immobilien, und doch haben sie etwas gemeinsam. Alle stehen sie heute mit jemandem aus der Familie Pilstl in Verbindung. Die Innviertler Agrarhändler wurden in den vergangenen Jahrzehnten zum zweitgrößten Landproduktehändler des Landes nach Raiffeisen Ware.

Das Karibikhotel beispielsweise gehört Karl Pilstl IV. (geboren 1957), dessen Frau Marilyn von der Nachbarinsel Trinidad stammt. Pilstl hatte sich 1991 in die damalige Ruine verschossen, ließ die Immobilie renovieren und betreibt heute ein Hotel mit rund 50 Zimmern – das vor allem bei Hochzeitsreisenden beliebt ist.

Mit dem Stammhaus der Pilstls in Raab ist es gesellschaftsrechtlich aber nicht verbunden. Dieses residiert im Wasserschloss, von der Familie Ende der 1990er-Jahre erworben.

Ein Dienstag, knapp vor acht Uhr Früh: Die Assistentin von Karl Pilstl III. schickt eine Mail an den Autor. Der 87-jährige Firmenpatriarch hat den Inhalt persönlich zusammengetragen als Vorbereitung auf das Gespräch – diverse Marktentwicklungen, Mais, Soja, Weizen, Pflanzenöle,Roh­öl sind angeführt, plus kurze Anmerkungen und Einschätzungen wie „noch nie da gewesene Preise“ oder „Vorschau derzeit schwierig“. Wenn man dann bei der Pilstl Handelshaus GmbH & Co KG unter der Chefdurchwahl anruft, hebt der Chef auch persönlich ab. „Lesen Sie sich bitte meine Mail durch. Um 16 Uhr habe ich dann Zeit.“ 

Später sagt Karl Pilstl: „Ich bin als Erster in der Firma und gehe als Letzter. Immer schon, seit fast 70 Jahren.“ Er ist Unternehmer, seit er 19 Jahre alt ist. Als Kind war er im Stift St. Florian bei Linz Sängerknabe (so wie einst auch Anton Bruckner), danach Lehrling in einem Raiffeisen-­Betrieb.

Heute leitet er von Raab aus mit seinem zweitgeborenen Sohn Johannes Andreas (56) die 1934 als Lagerhaus gegründete Firma. Das Handelshaus Pilstl hat mittlerweile in einem Dutzend Länder Auslands­töchter und Beteiligungen, in Ungarn etwa seit 33 Jahren, 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie einen Jahresumsatz von rund 400 Millionen Euro. Dass das Handelshaus mit seinen Firmensitzen in Raab und Wien ein Familienunternehmen bleibt, ist zwischenzeitlich gesichert. Karl IV. betreibt wie gesagt sein Hotel auf Tobago, die Vertreter der nächsten Generation, Paul Pilstl und Karl Pilstl V., werken aber bereits im Stammhaus.

Steigende Inflation

Die aktuellen Preisentwicklungen bei Agrargütern „mit den explodierenden Preisen, so etwas ist noch nie da gewesen“, sagt Karl III. Fragt sich der Laie, ob das nicht sprudelnde Gewinne für ein Agrarhandelshaus bedeutet? So simpel sei das nicht, meint der Firmenchef. „Wegen der hohen Inflation sparen die Leute mehr, kaufen gezielter ein, werfen auch weniger weg.“ Er erwartet Inflationsraten von bis zu zehn Prozent und mehr in den kommenden Monaten. Beim gentechnikfreien Sojafutter kostet eine Tonne derzeit 180 Euro, vor einigen Jahren waren es 35 Euro. „Sind die Konsumenten bereit, das zu bezahlen?“ Auf der anderen Seite gehen etwa die Eierpreise nicht mit, sodass Produzenten in Europa einfach aufhören. Oder: Die von Russland angegriffene Ukraine ist nicht nur ein großer Weizenproduzent, sondern auch einer der größten Sonnenblumenölanbieter weltweit. „Die Pflanzenölpreise sind explodiert. Rapsöl hat voriges Jahr 450 Euro pro Tonne gekostet, jetzt sind es mehr als 2.000 Euro. Was soll man da noch sagen?“ Pilstl ist Gegenwind gewohnt. In einem Zeitungsinterview zu seinem 80. Geburtstag erzählte Karl Pilstl, dass man ihn mitunter „Granitschädel“ nennt. Vielleicht, weil er sich als schwarzer Wirtschaftsbündler und Raika-Funktionär schon in den 70er- und 80er-Jahren mit der Raiffeisen-Gruppe angelegt und mit dem roten Konsum bis zu dessen Zusammenbruch 1995 gute Geschäfte gemacht hatte – er verkaufte Fleisch an Verarbeiter des Konsum und vertrieb unter den Landwirten im Gegenzug Saatgut der Konsum-Tochter

Ein Wasserschloss im oberöster­reichischen Raab als Stammhaus: Die Pilstls beweisen eine große Liebe zu historischen Immobilien.

Tagger. Pilstl hat auch als erstes marktrelevantes Unternehmen der Branche gentechnisch nicht verändertes Soja als Futter für die Tierzucht nach Österreich importiert. Die „Kronen Zeitung“ schrieb über die „Ökopioniere der ersten Stunde“: „Greenpeace-Aktivisten standen Spalier, um beim Löschen der ersten gentechnik­freien Sojafutterladung dabei zu sein.“ Juniorchef Andreas Pilstl kümmerte sich, im Jahr 1997 gerade 31 Jahre alt, persönlich bei Geschäftspartnern in Brasilien um eine gentechnikfreie Lieferkette.

Pilstl senior: „Politik darf keine Rolle spielen im Geschäft. Wir sollten gemeinsam für den Standort Österreich arbeiten. Wenn ich mir aber die heutige Politik anschaue, dann …“ Karl Pilstl beendet den Satz hier. „Reden wir besser nicht darüber.“

Im Immobilienbusiness ist man weniger lange als im Agrarhandel. „Es ist ein zweites Standbein“, sagt Karl III. „Wenn wir gute Gelegenheiten sehen, kaufen wir.“ Der Erwerb von Teilen des Palais Equitable im Jahr 2010 war so ein Deal. Die Wiener Prestigeimmobilie diente einst der Kärntner Skandalbank Hypo Alpe Adria als Wien-Zentrale. Die Pilstls erwarben von der staatlichen Abwicklungseinheit HETA größere Flächen – und verkauften es bis auf eine Etage nach kurzer Zeit an einen ukrainischen Lebensmittelhändler weiter. „Prächtiger Schnitt mit dem Palais Hypo“, so titelte die Tageszeitung „Der Standard“ dazu. Der Bürositz von Pilstl Trading International ist bis heute im Equitable.

Nicht alltägliche Immobilien

Den Pilstls gehört weiters auch ein mittlerweile komplett saniertes Haus aus dem 18. Jahrhundert in der Wiener Nagler­gasse, für das derzeit Mieter gesucht werden. Und das ehemalige Kloster Hamberg in Schardenberg an der Grenze zu Deutschland, heute ein Studentenheim an der Univer­sität Passau, ist auch im Besitz der Innviertler. Den Freisitz Roith in Gmunden erwarben die Pilstls im Jahr 2016 aus der Asamer-Insolvenz, ebenso wie rund 200 Hektar Bauhoffnungsgebiet in Strasshof bei Wien. Eine Immobilie wie den Freisitz Roith „be­kommt man nicht jeden Tag“, so Karl III. Angeblich, wie auch die Hypo-Immobilie, zu einem sehr lukrativen Preis. Der Freisitz Roith könnte wieder zu einem Schloss­hotel werden. „Wir suchen aber derzeit Personal, Köche und so weiter. Sie glauben nicht, was man dabei alles erlebt. Die jungen Leute heutzutage wollen einfach nicht mehr …“ Auch diesen Satz beendet das Pilstl-Familienoberhaupt vorzeitig. „Sagen wir, es dauert noch wegen Corona.“   ←