Gold – Wenn Banken wanken,steigt das Gold

Steigen die Zinsen, fällt der Goldpreis – so zumindest die Theorie. Tatsächlich hat der Goldpreis aber heuer deutlich zugelegt. Und das, obwohl sowohl die Fed als auch die EZB seit geraumer Zeit die Leitzinsen nach oben schrauben. 

Text: Harald Fercher

Der 21. Juli 2022 war ein historischer Tag – zumindest für die Anleger im Euroraum. Erstmals seit 2016 erhöhte die EZB den Leitzinssatz. Bis Redaktionsschluss folgten sechs weitere Zinsschritte, die den Hauptrefinanzierungssatz, wie der Leitzins offiziell heißt, auf mittlerweile 3,75 Prozent steigen ließen. Gleiches tat auch die amerikanische Zentralbank. Seit März 2022 wurde die Fundsrate der Fed in insgesamt neun Schritten auf mittlerweile fünf bis 5,25 Prozent angehoben.

Und tatsächlich tat der Goldpreis, nach einem Hoch bei 2.051 Dollar, welches er kurz nach dem russischen Überfall auf die Ukraine erzielt hatte, lange Zeit das, was er gemäß Opportunitätskostentheorie bei steigenden Zinsen zu tun hat: Er sank in Richtung Süden.

Die Iden des März

Bis zu den Iden des März, als ein exogener Schock dafür sorgte, dass wieder einmal das Schreckgespenst einer Bankenkrise hinter dem zugezogen geglaubten Vorhang hervorlugte. Zuerst die Pleite der Silicon Valley Bank in den USA, wo – laut Jörg Bayer von Raiffeisen Research – binnen eines einzigen Tages 42 Milliarden Dollar aus der Bank gezogen wurden. Damit nicht genug, schwappte das Thema auch noch über den großen Teich in die lange als „unverwundbar“ geltende Schweiz, wo die Credit Suisse ins Zentrum der Aufmerksamkeit geriet. Kein kleines Geldinstitut: Die 1856 gegründete Bank war mit einer Bilanzsumme von zuletzt mehr als 530 Milliarden Schweizer Franken nicht nur die zweitgrößte Bank der „Bankenrepublik“ Schweiz, sondern auch eine der größten Banken Europas.

Noch sei es keine Bankenkrise, aber doch eine Vertrauenskrise, meint der Raiffeisen-Analyst. Eine Vertrauenskrise in ein Finanzsystem, das anscheinend seit dem globalen Finanz- und Wirtschaftsbeben 2008/09 nichts dazugelernt hat, auch wenn das System diesmal rasch gehandelt hat, um schwereren Schaden abzuwenden.

Gold statt Geld

Opportunitätskostentheorie hin oder her –sinkt das Vertrauen, steigt das Gold. Reinhard Walz, Head of Sales & Marketing bei der Ögussa, kommentiert das so: „Die Theorie entspricht oftmals nicht der Praxis. Gold ist und bleibt eine Krisenwährung und leider gibt es aktuell genügend Gefahren, die zur Verunsicherung in der Bevölkerung beitragen; unter anderem auch die Ereignisse im Bankensektor.“

Es gibt aber noch andere Gründe, warum Gold wieder einmal en vogue ist. Peter Raddatz von der Goldinvest Berlin bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Gold hat einen sehr guten Ruf als stabile Anlage. Seine Knappheit und die stetig steigende Nachfrage treiben den Preis. Neben dem Wachstum der Weltbevölkerung, das auch die Schmucknachfrage beeinflusst, sind es vor allem staatliche, gewerbliche und private Anleger, die verstärkt nachfragen.“ Steffen Orben, einer der beiden Geschäftsführer von Xetra-Gold, ergänzt: „Die industrielle Nachfrage, Lieferketten und wirtschaftliche und geopolitische Gegebenheiten beeinflussen ihn (Anm.: den Goldpreis) ebenfalls.“

Reinhard Walz, Ögussa:„Gold ist und bleibt eine Krisenwährung. Derzeit gibt es genug Faktoren, die zur Verunsicherung beitragen.“
Steffen Orben, Xetra-Gold:„Über längere Zeiträume sind Sachwerte immer ein Inflationsschutz. Gold ist eben ein Sachwert.“

Dollar verliert an Gewicht

Dazu kommt laut dem Goldinvest-Experten Peter Raddatz noch eine weitere – historische – Entwicklung. Der US-Dollar verliert als Welthandelswährung an Gewicht und zahlreiche Akteure haben den Eindruck, dass die USA politische Interessen mit finanziellen Sanktionen durchsetzen wollen. „Das motiviert zur weiteren Diversifizierung der Staatsreserven, Rücklagen und Vermögen. Die Goldkäufe der Zentralbanken erreichten in diesem Jahr ein Rekordniveau. Gleichzeitig bauen viele Länder, darunter China, Russland, Japan und Großbritannien, US-Staatsanleihen, also Dollarbestände, ab“, sagt Raddatz.

Der Streit darüber, ob Gold tatsächlich der beste Inflationsschutz ist, füllt mittlerweile ganze Bände. „Gold-Bullen“ und Bären führen ob dieser Frage beinahe schon einen Glaubenskrieg. In der Vergangenheit jedenfalls war es häufig so, dass reale Vermögenswerte wie eben Gold als Gewinner aus einer Phase mit hoher Inflation hervorgegangen sind. Steffen Orben begründet das folgendermaßen: „Über längere Zeiträume gesehen stellen Sachwerte immer einen Inflationsschutz dar. Gold ist ein Sachwert, Sachwerte werden in Geldeinheiten bezahlt. Wenn sich der Wert der Geldeinheiten verringert, steigt der Preis der Sachwerte an. Bei Gold kann man das seit den 1970er-Jahren beobachten, wenn man Zeiträume zwischen fünf und zehn Jahren betrachtet. Kurzfristig ist dieser Effekt nicht immer feststellbar.“ Auf die Frage, ob Gold auch diesmal wieder als Gewinner aus der dahingaloppierenden Inflation hervorgehen könnte, meint Peter Raddatz: „Eine Unze Gold hat heute die gleiche Kaufkraft wie vor 100 Jahren. Geld verliert ständig an Wert, man muss für die gleiche Ware immer mehr Geld hinblättern, das ist ein wesentliches Merkmal der Inflation. Ja, es spricht vieles dafür, dass Geld gegenüber Gold weiter abwertet, sprich der Goldpreis weiter steigt. Aber auch das Gold unterliegt Schwankungen. Aufgrund der Knappheit einerseits und der stetig steigenden Nachfrage andererseits gehen wir aber mittel- und langfristig nicht von sinkenden Goldpreisen aus. In den letzten zwanzig Jahren hat sich sein Preis versechsfacht. Die Faktoren, die den Goldpreis antreiben, sind nicht weniger geworden.“

Peter Raddatz, Goldinvest Berlin:„Der Goldpreis hat sich in 20 Jahren versechsfacht. Die Faktoren, die ihn antreiben, wurden nicht weniger.“
Jörg Bayer, Raiffeisen Research:„Derzeit gibt es trotz der Credit-Suisse-Turbulenzen noch keine Bankenkrise, aber eine Vertrauenskrise.“

Gefahr für Schnäppchenjäger

Die Beliebtheit von Gold treibt im Internet seltsame Blüten. Websites locken mit Preisnachlässen und Rabatten zwischen zehn und 20 Prozent. Was von solchen Angeboten zu halten ist? Peter Raddatz von der Goldinvest: „Niemand verkauft ohne Not seinen Artikel unter dem Marktwert. Es sind plumpe, aber auch dem Original sehr ähnliche Fälschungen auf dem Markt. Gerade im Edelmetallsektor erkauft man sich Schnäppchen oft sehr teuer, nämlich, wenn es Fälschungen sind. Wer beim zertifizierten Händler kauft, ist auf der sicheren Seite. Die ausgehende Ware ist geprüft. Kein Edelmetallhändler wird ohne Prüfung Ware ankaufen.“

Reinhard Walz ergänzt: „In erster Linie zählt bei Goldgeschäften das Vertrauen. Wer mit Hausverstand vorgeht, ist gut beraten, wer auf Schnäppchen im Internet hofft, eher nicht. Die aktuellen Edelmetallpreise können jederzeit zum Beispiel im Internet überprüft werden. Aber warum sollte irgendwer darauf einen Preisnachlass von zehn oder 20 Prozent gewähren? Die Prägekosten von Münzen und Barren sind im Vergleich zu den Edelmetallpreisen gering und deshalb würde ich bei derartigen Angeboten immer etwas genauer hinschauen.“ Neben Münzen oder Barren erfreuen sich mittlerweile auch ETFs oder ETCs wie etwa Xetra-Gold steigender Beliebtheit bei Investoren. Steffen Orben, Geschäftsführer von Xetra-Gold, erklärt den Grund dafür: „Xetra-Gold bietet ein Goldinvestment zum Großhandelspreis in der kleinstmöglichen Stückelung von einem Gramm. Xetra-Gold lässt sich mit wenigen Mausklicks an der Börse kaufen und verkaufen.“ Jedes Stück Xetra-Gold sei zudem mit einem Gramm physischem Gold im eigenen Firmentresor abgesichert. Anteile können über Broker, depotführende Banken bzw. die Börse Frankfurt erworben werden.