Erfolg – Adaptieren oder abdankenErfolg –

DocLX-Gründer Alexander Knechtsberger weiß, wie Partyreisen und Eventmanagement funktionieren. Jetzt rollt er den Markt der City Cards im europäischen Städtetourismus auf. Und muss nach 30 Jahren im Geschäft jünger denken als je zuvor.  Text: Susanne Mayer

Er hat den TuesdayClub im U4 gegründet. Die ersten Maturanten zum Feiern auf feucht-fröhliche Gelage in die Türkei geschickt. Und Studenten davor bewahrt, bei wilden Partys im Naturhistorischen Museum das Skelett des großen Dinos in seine Einzelteile zu zerlegen. Heute beinhaltet die DocLX Holding von Alexander Knechtsberger auch das Geschäftsfeld City Card Solutions, eine digitale Systemlösung für Stadt- und Regionskartenbetreiber. Die City Cards berechtigen Touristen, auf Städtereisen für mehrere Tage alle Öffis zu nutzen, gewähren vergünstigte Eintritte und sind gleichsam Touristenguides. Alles in einer App, alles aus einer Hand. Aber der Reihe nach.

Aller guten Dinge sind elf

Es war im Jahr 2015, als DocLX fast zufällig in die Branche der smarten Gästekarten, oder City Cards, rutschte. Für die
Firma DocLX unter der Federführerschaft von Alexander Knechtsberger (DocLX steh tatsächlich für „Doc Alex“, den Titel hat sich der Touristiker im Jus-Studium erarbeitet) sollte das Maturareise-Business digitaler aufgegleist werden: „Das war davor alles im Direktvertrieb organisiert. Wir hatten 200 junge Leute, die neue Kunden anwarben. Das hat zwar funktioniert, war aber einfach ineffizient“, erklärt Knechtsberger den Schritt Richtung gesteigerter Onlinevermarktung der Partyreisen. Als man bei den Eventprofis eifrig auf ein neues Vertriebssystem umsattelte, das kein physisches Klinkenputzen mehr benötigte, schrieb die Stadt Wien die Vienna City Card aus: eine Gästekarte, mit der sich Touristen für 24, 48 oder 72 Stunden unkompliziert und gut informiert durch den Dschungel der Wiener Sehenswürdigkeiten arbeiten konnten – Öffi-Ticket inklusive. Knechtsberger pitchte mit und gewann den Auftrag. Heute betreut seine Holding elf europäische Städte, die Gefallen an seinem System gefunden haben. Über eine Million verkaufte City Cards jährlich kann sich Knechtsberger heute freuen.

Wendiger Underdog

Dass Städte wie Oslo, Kopenhagen oder Helsinki ausgerechnet der Wiener Firma des Eventreisenprofis und Festivalveranstalters den Zuschlag gegeben haben, mag überraschen. Denn es gibt etablierte Player am Markt, die weit über die europäischen Grenzen hinweg erfolgreich sind. Warum also DocLX und kein großer, eingesessener Dampfer? Genau deswegen, sagt Knechtsberger: „Wir sind das kleine Speedboot – wendiger und flexibler. Wir können auf die Bedürfnisse der jeweiligen Städte eingehen. Das bieten die Großen gar nicht an.“ Tailor-made from Vienna also. Flexibilität kann im Business mit Städten und Kommunen übrigens nicht schaden. Kaum eine Entität ist behäbiger und langsamer als manche offizielle Institutionen in Europa, die City Cards betreiben. Deren Wünsche können dagegen durchaus variieren und Knechtsbergers Team schnelle Kurswechsel abverlangen.

Die härtesten Nüsse in der Kundenakquise sind vor allem Städte und Regionen, in denen die Digitalisierung noch nicht so weit vorangeschritten ist, sagt Knechtsberger. Etwa in Ex-Jugoslawien, wo erst Aufklärungs- und dann Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, bevor es ans Eingemachte geht. Umso einfacher gestaltet sich die Implementierung des Systems dagegen in digitalaffinen Ländern wie Norwegen, Dänemark und Finnland. „Da müssen wir nichts mehr erklären, diese Länder sind digital schon sehr weit und verstehen das System schnell.“ Nachhaltigkeitsbestrebungen der jeweiligen Stadtregierungen spielen ebenfalls eine große Rolle: Autos sind in Großstädten nicht gerne gesehen, Touristenströme sollen nach Möglichkeit über öffentliche Verkehrsmittel gelenkt werden. Dass die City Cards mit entsprechenden Schnittstellen auch gleich als Öffi-Tickets funktionieren, ist daher nicht nur für die Touristen praktisch, sondern auch für teilnehmende Städte attraktiv. Geo-Tagging soll zudem bald ermöglichen, Reisenden in Echtzeit Updates zu Wartezeiten vor beliebten Sehenswürdigkeiten anzuzeigen und sie stattdessen zu weniger frequentierten Orten zu führen. Das könnten die ersten Tendenzen zur Entzerrung 2.0 sein, auf die der Städtetourismus schon länger gewartet hat.

Das Beste oder nichts

Um noch mehr Reisende für seine City Cards zu begeistern, setzt Knechtsberger auf eine hohe Weiterempfehlungsrate unter den Nutzern: „Wir wollen keine Weiterempfehlungsrate von 75 Prozent. Wir stehen bei 95 und wir wollen noch mehr. In diesem Business gibt es kein: ‚Ist eh ok.‘“ Knechtsbergers Unmut zur Lücke hat System: Der Markt der City-Card-Anbieter ist extrem dynamisch. Die Oberhand zu behalten, ist nicht immer leicht und gelingt nur über gute Ratings. Halten Unternehmen über Jahre ein Monopol, kann das Auftreten eines neuen Anbieters alles innerhalb von Monaten über den Haufen werfen. Knechtsbergers System ermöglicht Touristen freien Zugang zu Öffis und vergünstigte Eintritte bei ausgewählten Sehenswürdigkeiten: „Wenn die Konkurrenz mit einem All-inclusive-Package in den Markt geht, wo zwar keine Öffis dabei sind, für die Touristen die kompletten Eintritte für 60 Sehenswürdigkeiten aber schon inkludiert sind, schnappt sich der Neue gleich mal 30 Prozent vom Kuchen.“

Entwickeln oder untergehen

In der Reisebranche hat sich in den letzten Jahren viel getan. Der Trend zu mehr Individualisierung, Digitalisierung und Ökologisierung, gepaart mit höheren Erwartungen an Geschwindigkeit und Qualität im Kundenservice, stellen den Tourismus vor Herausforderungen. Leichtfüßig müsse man in so einem Umfeld bleiben, sagt Knechtsberger. Und – sich laufend weiterentwickeln: „Wenn du dich nicht ständig neu erfindest, nicht dauernd umdenkst, bist du verloren.“ In mehreren Strategieworkshops pro Jahr wird an der Ausrichtung des Unternehmens gefeilt, wöchentlich kommen Konkurrenten mit neuen Produkten auf den Markt. Das sei mühsam, aber viel Zeit zum Raunzen bleibt dem Unternehmer sowieso nicht. Wenn etwas schiefgeht, dann müsse man eben handeln.

Bei der Weiterentwicklung seiner Angebote greift Knechtsberger gerne auf Marktforschung zurück und lässt abfragen, was seinen Kunden gut oder weniger gut gefallen hat. Das sorgt auch für Überraschungen. So wollte Knechtsberger für seine Maturareisen anfangs die größten Acts und die besten DJs organisieren. Umfragen aber zeigten: Auf die Basics kommt es an. Gutes Essen und ein sauberes, gemütliches Zimmer. Erst dann kann man in weiteres Programm investieren. Das alles lässt sich gut abfragen. Wenn es um die Entwicklung neuer Konzepte geht, setzt Knechtsberger aber weiterhin auf seine eigene Intuition und sein Bauchgefühl: „Hätten wir in den 90er-Jahren abfragen lassen, ob Maturareisen oder eine Studentenparty im Naturhistorischen Museum ein Erfolg werden, wäre die Antwort negativ aufgefallen.“

Mit perfekt organisierten Maturareise-Events wie dem X-Jam in Kroatien wurde DocLX zur Legende.

Corona – und aus?

Unterkriegen lässt sich der selbsterklärte Berufsjugendliche nicht leicht. Als 2020 Corona über den Erdball fegte, rutschte ihm zwar kurzzeitig das Touristiker-Herz in die Hose: „Ich habe unsere Firma den Bach runtergehen sehen. Keine Maturareisen, keine Städtetrips mehr. Wir können zusperren, hab’ ich mir am 13. März 2020 gedacht“, beschreibt Knechtsberger seinen Gemütszustand am Beginn der Pandemie. Nach drei Tagen war es dann aber auch wieder genug mit Trauer. Hilfen wurden beantragt, Kurzarbeit implementiert. Eineinhalb Jahre war Knechtsberger mit seiner Mannschaft weg vom Fenster. Aber bereits 2021 wurden wieder die ersten Maturareisen organisiert. Es hat DocLX auch nicht geschadet, dass die Konkurrenz in dieser Zeit weggebrochen ist. Corona war noch nicht einmal vorbei und Knechtsberger quasi allein am Markt. Kündigen wollte er während der schlimmsten Zeit niemanden: „Ich wusste, ich brauche alle meine Leute, wenn es wieder losgeht. Sobald der erste Ferienflieger wieder geht, müssen wir Vollgas geben. Da kann ich nicht erst mit Recruiting und Einschulung beginnen.“

Next Steps

Mit dem neuen Firmensitz in einem Ringstraßenpalais am Wiener Stadtpark hat sich Knechtsberger nun einen Lebenstraum erfüllt: alle Firmen unter einem Dach. Die Prognosen sehen gut aus, man will weiterwachsen. Aber mit Vernunft, wie der Unternehmer betont. In seiner Sturm-und-Drang-Phase habe er alle um jeden Preis in den Schatten stellen, immer die Nummer eins sein wollen. Am besten in jedem Bereich, in allen Businessschienen gleichzeitig. Bis das Learning kam: Wer sich auf zu viel konzentriert, zerfleddert sich und im schlimmsten Fall auch den Markenkern. Also: Kommando retour, konsolidieren und nicht mehr alles Hals über Kopf in die Waagschale werfen. „Mut ist gut, aber man muss nicht gleich alles riskieren.“ Denn heute gibt es für Knechtsberger mehr zu verlieren als in jungen Jahren. Drei Kinder hat der 55-Jährige. Dass eines von ihnen nach seinem Abdanken eines Tages seine Party-, Event- und Tourismusholding in eine Dynastie verwandelt, das wäre schon noch ein feines Achievement für die Bucketlist. 

Infos

Die DocLX Holding ist die Mutter der DocLX Travel Event GmbH. Weitere Beteiligungen bestehen am Lern-Apps-Entwickler Education Lab GmbH (10 Prozent) und der eSports Holding GmbH (23 Prozent) vom Start-up-Investor und umtriebigen Gründer Lorenz Edtmayer. Zur Holding gehören auch noch die Unternehmen DocLX Event Consulting, DocLX Yachting, DocLX Abistars mit Sitz in München (Deutschland), DocLX City Card Solutions und White Label Marketing. Die Gruppe beschäftigt 300 Personen und setzt ca. 20 Mio. Euro um.