assets Magazin: Haus Albstadt
Foto © David Matthiessen

Ein Familien-Haus

„Unser Alltag wird zu einem wesentlichen Teil durch die Architektur bestimmt, die uns Tag für Tag umgibt“, schreibt Jürgen Tietz 1998 in „Geschichte der Architektur des 20. Jahrhunderts“. Eine zeitlose Aussage, deren Folgen wir bewusst und unbewusst erleben: Beton, grau, gewaltig, groß, das sind die Bauwerke der 30er- bis 80er-Jahre. Glas und Stahl pflastern diese Moderne, Dekonstruktion und „überbaute“ Repräsentationsarchitektur begleiten sie. Es folgte der Ziegelhype, und heute ist Holz gefragt. Der nachwachsende Baustoff entspricht den neuen, nachhaltigen Maximen der zeitgenössischen Architektur, ebenso Lehm, Stroh und Flachs. Gedämmt wird zum Teil schon mit Schafwolle, solarenergiebetriebene Heizungs- und Stromsysteme sind die regenerativen Impulse und „klimagerechte Architektur“ die Rückbesinnung von Hightech zu Lowtech, speziell, was das Raumklima betrifft. Oona Horx-Strathern vom Zukunftsinstitut fasst dies unter dem Terminus „Indoor Air Care“ zusammen, wobei hier auch Grundsätze des „Biophilic Design“ zur Anwendung kommen, etwa luftreinigende Pflanzen, natürliche Baumaterialien wie Holz und Lehm, Frischluftzufuhr und natürliches Licht. Denn „künftig gilt es nicht mehr, nur schadstoffarm zu bauen, sondern eine wohngesunde Umgebung zu schaffen“.

Neue Vielfalt bei Einfamilienhäusern

Jede Krise hat auch ihre positiven Seiten, sagt man. Bei den neuen Eigenheimen entsteht gerade eine Vielfalt, die das Klischee des langweiligen Einfamilienhauses gehörig auf den Kopf stellt. (Flexible) Wohnhäuser für eine Person, eine Familie, für mehrere Generationen oder als Zweitwohnsitz finden sich auf dem Land, im Dorf, in der Vorstadt oder der Innenstadt. Mit raumhohen Panoramafenstern, zonierten Geschossen, ummantelt mit Weißtannenleisten, liegend am Hang oder am Wasser, aufs Gelände ragend oder sich gegen den Himmel streckend – der individuelle Anspruch der Bauherren entscheidet, die Lage gibt vor. Die kleinsten Entwürfe brauchen kaum 50 Quadratmeter, Stichwort Tidyism, und sind maßgeschneidert für die Bedürfnisse Kochen, Schlafen, Arbeiten. Die größten fangen bei knapp 300 Quadratmetern und mehr Wohnfläche an. Verbindungen mit der Umgebung werden im Planungsprozess definiert, wo Formgebung, Farbgestaltung und Materialauswahl sowie Sichtbezüge, Raumabfolgen und Wegeführungen außen und innen bestimmt werden.

Und wie baut man auf schwieriger Topografie „schöne“ Häuser? Helmut Dietrich, Mitgründer des Architekturbüros Dietrich | Untertrifaller weiß um die Herausforderung Bescheid: „Das ist ein Thema, das mich sehr beschäftigt, und ich finde es extrem spannend. Meine Vorgabe: Die Umgebung soll man nicht verändern. Wenn man in so einer Lage bauen darf, frage ich mich, wie ich den Baukörper so in die Landschaft setzen kann, dass sie möglichst wenig Schaden nimmt und ihre Ästhetik behält.“ Das Büro hat sich seit der Gründung 1994 längst einen Namen mit modernen Holzbauten gemacht. Alltagstaugliche Einfamilienhäuser und ökologischer Anspruch zählen ebenso dazu wie großvolumige Projekte und Innendesign. Das von Dietrich | Untertrifaller entworfene „Haus B“ in den Wiener Weinbergen wurde dieses Jahr bei dem vom Callwey Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Architektur Museum und Partnern ausgelobten Wettbewerb unter die 50 besten Einfamilienhäuser gewählt. Im 320-Seiten-Bildband schreibt man dazu: „Weit kragt der transparente Stahlriegel über den Betonsockel und bietet allseitig einen fantastischen Ausblick. Den Nachteil des steilen Nordhangs verwandelt er in heraus(k)ragende Wohnqualität.“ „Der Wolkenbügel“ ist erlebbare Landschaftskulisse.

Der Reiz des Bauens

Katharina Matzig, Co-Autorin des Buches zum Wettbewerb „Häuser des Jahres“, weiß, was es bedeutet, wenn man heute mit dem Projekt Einfamilienhaus starten möchte: Die kritischen Töne werden sehr viel lauter als vor Jahren, die Architektinnen und Architekten gehen aber mit gutem Beispiel voran. „Der ständige Neubau von Einfamilienhäusern kann unseres Erachtens nicht die Antwort auf die Wohnungsfrage sein. Zumal es gleichzeitig so viel Leerstand bei bestehenden (Wohn-)Gebäuden gibt. Bei unserer Suche nach einem geeigneten Wohnraum waren wir deshalb immer auf der Suche nach gemeinschaftlichen Wohnformen oder einem interessanten Bestandsgebäude“, so Rike Kress von ARSP.

Und wenn es doch der Neubau sein soll? „Dann bespricht man die Wünsche, sieht sich die Lage an, wo das Haus stehen soll, und ob es auch ökologisch und moralisch vertretbar ist. Wir sagen jedenfalls auch Projekte ab“, so Dietrich.

Gut gemacht und gut gedacht

Grund und Boden sind begrenzt, der Traum vom Einfamilienhaus aber ungebrochen groß. Da heißt es umdenken und vor allem neu denken. Heute geht es um ressourcenschonendes Bauen. Die Schlagworte sind: nachhaltiges Bauen, Smart-Home-Lösungen, Nachverdichtung in Städten, Siedlungsverbände, Angemessenheit, Zukunftsfähigkeit, flexibles Bauen fürs Alter, Green and Garden Living und individuelle Hausbaulösungen.

Eine im März 2021 veröffentlichte Studie der Universität Klagenfurt, WU Wien, Deloitte Österreich und Wien Energie zu erneuerbaren Energien in Österreich sieht eine deutliche Veränderung bei der Investitionsbereitschaft zu klimafreundlicher Wärmeversorgung: Über 60 Prozent stimmen der Verpflichtung zur Installation einer Fotovoltaikanlage auf neuen Gebäuden zu, 73 Prozent sind grundsätzlich für die Errichtung von erneuerbaren Energieanlagen in (der Nähe) ihrer Gemeinde. Fotovoltaik hat auch hier die höchste Akzeptanz von 85 Prozent. Umgekehrt sprachen sich im Vergleich zum Vorjahr mehr Befragte (ein Zuwachs von 44 Prozent auf 52 Prozent) für einen Einbaustopp für neue Öl- und Gasheizungen aus.

Ob landschaftssensibel in die Topografie eingelassen oder mit urbaner Haltung als markantes Objekt gebaut, die höchst differenzierten und unterschiedlichen Lösungen für einen Neubau, Umbau und Ausbau werden heute vor allem von zukunftsfähigen Konzepten bestimmt.

assets Magazin: Helmut Dietrich
„Es geht um Bewohnbarkeit“
Helmut Dietrich, geschäftsführender Gesellschafter bei Dietrich | Untertrifaller Architekten, spricht im Interview über seine Anforderungen an den Hausbau.

Ist der Neubau eines Einfamilienhauses noch zeitgemäß?
Es gibt Situationen, wo aus mehreren Gründen ein Neubau energieeffizienter ist als ein Umbau, speziell bei Bauten aus den 60er-Jahren. Grundsätzlich legen ich und unser Büro die Maßstäbe an Neubauten sehr hoch. Etwa: Welche Argumente gibt es, die den Neubau rechtfertigen? Denn beim frei stehenden Einfamilienhaus manifestiert sich der hohe Energieverbrauch, Müllanfall etc. natürlich noch stärker als bei der verdichteten Bauweise.

Wie sehen heute dialogbasierte Beziehungen zu Auftraggebern aus?
Bauen kann eine wunderbare Sache sein und extrem befriedigend, wenn die Chemie und die Werte beider übereinstimmen. Das klärt man gleich zu Beginn. Dann geht es um Fragen der Lebensvorstellungen: Was ist einem wichtig, was weniger? Und sind die Vorstellungen realisierbar, finanziell und ökologisch? Die Maßstäblichkeit muss einfach stimmen.

Was ist das Besondere an Ihren Entwürfen?
Mir ist es kein Anliegen, ein „cooles“ Haus zu bauen, mit einer rein technokratischen Oberflächenstruktur aus Beton, von Grau bis Schwarz. Auch nicht um ein stark es Determinieren jedes Raumes, sondern immer um Bewohnbarkeit: Häuser, die einen Nutzwert aufweisen. Und da spreche ich auch von benutzbaren Außenräumen, die gedeckt und beschattet sind. Hierfür beziehe ich die Freibereiche und Zwischenbereiche im Haus und in den einzelnen Wohnebenen mit ein. Das „Haus DI“ ist ein gutes Beispiel dafür.