assets Magazin: Suvretta House St. Moritz
Das Suvretta House thront nicht nur im geografischen Sinn am obersten Ende von St. Moritz.

Der Hang zum Luxus

Im Oberengadin in einem langen Hochtal voller Seen, die im Winter mit dickem Eis überzogen sind, liegt St. Moritz. Seit 1864 pilgern königliche Hoheiten samt Gefolge, schwerreiche Industrielle und alter wie neuer Geldadel in das Schweizer Dorf mit rund 5.000 Einwohnern.

Hier wurde im Hotel Kulm 1879 das erste elektrische Licht der Schweiz angeknipst, hier fanden schon Olympische Spiele statt – 1928 und 1948 – und selbst James Bond war schon zweimal hier, in „Der Spion, der mich liebte“ und „Im Angesicht des Todes“. Das hat natürlich mit dem Duft des großen Geldes zu tun, vor allem aber mit den mächtigen Bergen, die man von St. Moritz aus wunderbar erreichen kann: den Corvatsch und die Corviglia, den Schafkopf und den Piz Nair.

Warum St. Moritz zu einem Biotop der Reichen und Schönen wurde, könnte an einer listigen Wette gelegen haben und an einem Club, der in einem Londoner Hotel zwei Tage vor Weihnachten im Jahr 1857 von einigen sportlichen und höchst vermögenden Herren gegründet wurde: der Alpine Club, der erste Bergsteigerverein der Welt. Das Lieblingsziel der britischen Gentlemen war die Schweiz, denn für Bergsteiger brach damals ein goldenes Zeitalter an: Alle Gipfel der Alpen warteten noch auf ihre Erstbesteigung. Den Bergsportlern folgten bald ebenfalls gut situierte, aber nicht ganz so sportliche britische Touristen, die sich einfach an der großartigen Schweizer Bergwelt erfreuen wollten.

Im damals bettelarmen Engadin bot der Tourismus so die Chance auf Arbeit und Brot, wenngleich die Einheimischen über die Fremden anfangs nur den Kopf schüttelten. Dass vornehme Britinnen ihr Gesicht mit einer Maske aus Leinen vor dem Sonnenlicht schützten, trug ihnen den Beinamen „Weiße Teufel“ ein. Und über merkwürdige britische Angewohnheiten wie mehrmaliges Baden pro Woche oder auch den Tick, ein üppiges Picknick womöglich mit Champagner auf den Gipfeln zu zelebrieren, konnten sich die Engadiner nur wundern.

Doch manch einer wurde dank der spleenigen Engländer reich. So der bauernschlaue Johannes Badrutt, der weder studiert noch einen Beruf erlernt hatte, aber der besser als andere verstand, was die reichen Briten suchten: Komfort, Service, Hygiene. Badrutt wurde einer der ersten Luxushoteliers der Schweiz und das „Badrutt’s Palace“, das zum Namen passend wie ein Tudor-Schloss wirkt, ist immer noch das berühmteste Hotel von St. Moritz. Der umtriebige Unternehmer mit langem Rauschebart soll, so die Legende, den Schweizer Wintertourismus erfunden haben.

Gefälligkeitsgarantie

Weil die Briten nur im Sommer kamen und die kalte Jahreszeit verschmähten, schlug der geschäftstüchtige Herr Badrutt 1864 seinen Stammgästen eine Wette vor: Sie sollten doch zu Weihnachten anreisen und die Wintersonne genießen. Bei Nichtgefallen würde er ihnen die kompletten Reisekosten von und nach London ersetzen. Die Sache funktionierte vorzüglich. Die Gäste reisten natürlich nicht ab, sondern blieben oft vier Monate lang. Damit sich die Städter nicht langweilten, wurden Eislaufbahnen, Skipisten und der weltberühmte Cresta Run gebaut. Auch der erste Skilift der Schweiz eröffnete in St. Moritz, damals im Jahr 1935.

Wie aber reist man heute mit Stil dorthin, wo einst der Schah von Persien, Aga Khan und Gunther Sachs Ski fuhren und ausschweifende Feste feierten und wo heute noch Bill Gates & Co sündhaft teure Chalets ihr Eigen nennen?

Holzklassen-Dämmerung

Nun, die wirklich Reichen schweben mit dem Privatjet ein, entweder mit dem eigenen oder einem Miet-Jet (ab Zürich rund 8.200 Euro). Fünf Kilometer von St. Moritz entfernt, im Dörfchen Samedan, liegt einer der höchstgelegenen Flughäfen Europas, klein, aber fein, nichts für Touristenbomber, nur für Privatflieger. Der Jetset findet allein das schon toll.

Mit dem Auto braucht man ab Zürich rund 2,5 Stunden, mit dem Zug drei Stunden und 20 Minuten. Genießer mit Zeit wählen ein schönes Vorprogramm: den Glacier Express, und zwar nicht wie normale Touristen, sondern in der Luxusversion. Die nennt sich Excellence Class und man kann dort guten Service, ein fünfgängiges Menü, eine nachmittägliche Teatime und eine eigene Bar im Waggon erwarten. Jeder Passagier hat hier einen Fensterplatz und darf die 291 Brücken persönlich nachzählen, die man angeblich zwischen Zermatt und St. Moritz befährt (Ticketpreis z. B. ab Zermatt 395 Franken, Abfahrt 8.50 Uhr, Ankunft ca. 16.30 Uhr).

Wo aber schlägt man dann sein Nachtlager auf, wenn das Beste gerade gut genug ist? Die nobelsten fünf Herbergen sind das Kulm Hotel (das älteste Hotel in St. Moritz), das Carlton, das Grand Hotel des Bains Kempinski (bei Russen sehr beliebt), das Badrutt’s Palace (eine Ikone) und das Suvretta House, der Favorit der Superreichen, denn es liegt anders als die Konkurrenz hoch über St. Moritz, abseits der Massen, und seine Klientel ist eher nicht vom Stamm der „nouveaux riches“. Gleich oberhalb des Suvretta House befindet sich der teuerste Berghang der Welt, der Suvretta-Hang mit 62 Villen, die hin und wieder ihre Besitzer wechseln. Unter 30 Millionen Euro bekommt man hier freilich kein Ferienhaus.

Der 300-Milliarden-Hügel

Suvretta ist ein ladinisches Wort und bedeutet „oberhalb des kleinen Waldes“. An diesem Hügel, keine zwei Kilometer vom Zentrum von St. Moritz und oberhalb des Örtchens Champfèr, haben die Reichen ihre Chalets. Wer auf den Suvretta-Hang blickt, schaut auf mindestens 300 Milliarden Euro Privatvermögen der dortigen „Häuslebauer“. Allein Bill Gates, der hier eine „Skihütte“ sein Eigen nennt, bringt ja schon 131 Milliarden in den Topf. Heute sind es oft die Erben des alten Geldes, die hier standesgemäß ihre teilweise pompösen Residenzen haben. Milliardäre wie Alfred Heineken, Klaus Jacobs, Barry Callebaut, Marc Rich, Gianni Agnelli, Silvio Berlusconi, Lakshmi Mittal, Joachim Herz (Tchibo), Helmut Horten, die Reeder Niarchos und Onassis, die Guccis und die Bassanis haben sich besonders ab den 60er-Jahren, als Berufs-Playboy Gunther Sachs St. Moritz berühmt machte, hier eingekauft. Auch der Schah von Persien hatte hier seine eigene Villa.

Komfort für den Lord

Gleich unterhalb des Suvretta-Hangs und der Schah-Villa befindet sich auf 1.800 Metern Höhe das legendäre Suvretta House. Wer die 1912 eröffnete Nobelherberge, die Mitglied der Leading Hotels of the World ist, betritt, landet in einer Mischung aus alpinem Country Club und einem Märchenschloss mit riesigen Bogenfenstern in der Lobby, durch die die Oberengadiner Seenlandschaft wie eine Postkarte wirkt. Hier oder auch auf der großen Sonnenterrasse kann man wie Seine Lordschaft feinen Afternoon Tea genießen oder sich abends in Antons Bar von Barkeeper Marco hauseigenen Gin kredenzen lassen. Anton kommt übrigens von Anton Bon, dem Gründer des Suvretta House, das noch heute mehrheitlich den Nachkommen, der Familie Candrian, gehört.

Eine Piste zum Mieten

Für Skifahrer ist das Suvretta House ein Traum. Es besitzt einen eigenen Schilift, der dem Gast die 350 Kilometer Pisten des Corviglia/Marguns-Schigebiets vor der Hoteltür erschließt. Abends kann man mit den Schiern direkt vor das Hotel fahren, und Betuchte dürfen abends die hauseigene Piste sogar exklusiv für sich mieten. Es versteht sich, dass der Skiraum mit feinsten Materialien ausgestattet ist und die Spinde individuell beheizt und belüftet werden. Ausrüstung und Skischule gibt es natürlich alles direkt im Hotel.

Auch Gourmets werden im Suvretta House nicht enttäuscht. Man kann leger in der Suvretta Stube speisen oder im eleganten Grand Restaurant, in dem nach wie vor von den Herren beim Dinner dunkler Anzug mit Krawatte erwartet wird. Hier zelebriert Küchenchef Fabrizio Zanetti feine französische Küche (16 Gault-Millau-Punkte). Zanetti ist gebürtiger St. Moritzer, seit sechs Jahren im Suvretta und hat sich seine Kochkunst bei Gordon Ramsey in London und bei Kempinski in China erarbeitet. Die Suvretta-House-Klassiker orientieren sich am Anspruch der wohlhabenden Gäste: Beluga-Kaviar, Maine-Hummer-Salat, ein Suvretta-Burger mit Foie gras und Trüffel-Brioche, Lammrücken im Heu geräuchert, französische Königstaube, Atlantik-Wolfsbarsch in der Salzkruste usw. Und zum Nachtisch flambiert man hier noch gekonnt Crêpe Suzette bei Tisch.

Fünf Minuten vom Hotel entfernt lockt ein steinernes Berghaus, das hauseigene Restaurant Chasellas, und auf über 2.200 Metern Höhe, auf der Trutz, betreibt das Suvretta auch ein eigenes Bergrestaurant.

Ist das Suvretta House ein Hort des alten Geldes? Ist es ein wenig „merry Old England“ wegen vieler betuchter britischer Gäste und auch weil das Direktorenehepaar Esther und Peter Egli zuvor in einem englischen Country-House-Hotel, dem Whatley Manor, tätig waren? Es ist, was es ist: das beste Hotel in St. Moritz.