Comgest – Zeit ist Geld

Warum Comgest Unternehmen länger beobachtet

Die internationale Fondsboutique Comgest setzt jetzt noch stärker auf Österreich und eröffnet eine Niederlassung in Wien. Mit Gerald Pistracher als Leiter holte man einen fundierten Kenner der regionalen Player am heimischen Finanzparkett.

Text:  Stefan Schatz

Wer in der Investmentbranche arbeitet, braucht viel Energie. Nicht wenige satteln deshalb nach einigen Jahren um. Auch der 43-jährige Gerald Pistracher dachte bereits intensiv über einen grundlegenden Wechsel nach. Er war Institutional Sales Manager bei der Volksbank, Senior Sales Manager im Erste Asset Management, zuletzt baute er als Executive Director Austria & CEE das Geschäft von GAM Investments zuerst aus Zürich und dann aus Wien auf. „Im Vorjahr spürte ich: Die Zeit ist reif für eine neue Herausforderung.“ Einen detaillierten Plan für eine Zukunft fernab vom Asset-Management hatte er schon in der Tasche. Den er aber wieder in die Schublade steckte, als er Comgest kennenlernte. „Die Struktur des Unternehmens, das klare Bekenntnis zum österreichischen Markt und die Philosophie, an der man seit der Gründung im Jahr 1985 festhält, haben mich überzeugt. Schon nach den ersten Gesprächen wollte ich den Job unbedingt haben“, zeigt sich Pistracher begeistert. Seine Ausstiegspläne verschob er auf die ferne Zukunft.

Spezielle Regeln

Tatsächlich ist Comgest schon seit über zehn Jahren am österreichischen Markt erfolgreich. Etwa 30 Milliarden Euro werden weltweit an Kundengeldern verwaltet, auch in Dutzenden heimischen Dachfonds sind die Produkte der Franzosen gut vertreten. Mit einem Ansprechpartner vor Ort und einer lokalen Niederlassung ist man für bestehendes und neues Geschäft besser gerüstet, ist Pistracher überzeugt: „Jeder Markt hat spezielle Regeln, so auch der österreichische. Die Kunden schätzen es sehr, vor Ort einen direkten Ansprechpartner zu haben und Fragen auf kurzem Wege klären zu können.“

Vor allem institutionelle Investoren will er ansprechen, in manchen Regionen seien auch noch neue Kundenschichten erschließbar. Wie? „Mit viel Zeit, die wir uns für die Beratung nehmen. Und Servicequalität, etwa wenn es um die Bereitstellung von Reportings für die schnellere Erfüllung der umfassenden Regulierungsvorschriften geht, mit denen auch unsere Kunden konfrontiert sind.“ Und natürlich mit dem wichtigsten Asset von Comgest: der Philosophie des Qualitätswachstums. Auch da wird wieder der Faktor Zeit, der beim französischen Investmenthaus eine so wichtige Rolle spielt, zur Determinante. Man beobachtet Unternehmen jahrelang, analysiert, prüft und diskutiert, ehe man einsteigt. „Wir achten auf viele Details und stellen uns die Frage: Trauen wir dem Unternehmen, seinem Geschäftsmodell und seinem Management zu, auch in den nächsten Jahren stabile Gewinne zu erzielen und nachhaltig zu wachsen?“, erklärt Pistracher. Nur wenn diese Frage mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden kann, kommt es zum Investment.

Beständigkeit

Ein Ansatz, der Geduld erfordert. Aber auch viele Risiken vermeidet. Etwa jenes, das sich aus der Zinswende ergab: „Wir haben immer auf den Verschuldungsgrad von Unternehmen geachtet, auch zu jener Zeit, als für Verbindlichkeiten kaum Zinsen gezahlt wurden. Deshalb werden die Renditen unserer Investments jetzt nicht von den mittlerweile enorm teuren Schuldendiensten belastet.“ Auch Nachhaltigkeit sei bei Comgest schon Thema gewesen, bevor die UN ihre ESG-Ziele definierte. Warum? „Weil man mit dem Verstoß gegen ESG-Ziele Risiken ins Unternehmen holt. Etwa durch die Kosten der CO2-Bepreisung, aber auch durch Widerstand der Konsumenten.“ Fossile Brennstoffe finden sich daher ebenso wenig im Comgest-Portfolio wie etwa Waffen. Auch Bergbau ist generell ausgeschlossen. „Commodities sind Zyklika, die haben mal gute, mal schlechte Jahre. Wir aber wollen Unternehmen, die solide wachsen und stabil an Wert gewinnen.“ Diesen bleibe man dann auch treu. Diese Langfristigkeit im Investment betonen zwar auch viele Konkurrenten, so recht will Marktkenner Pistracher diesen Worten aber nicht trauen.

„Wir wollen Unternehmen, die solide wachsen und stabil an Wert gewinnen.“
– Gerald Pistracher –
Comgest

Konstanz statt Spektakel

„Studien zeigen, dass die durchschnittliche Haltedauer einer Aktie im Jahr 1960 bei acht Jahren lag. Heute liegt sie bei drei Monaten. Wie kann das sein, wenn alle so langfristig investieren? In unseren Portfolios finden sich aber tatsächlich Papiere, die wir seit drei, fünf oder noch mehr Jahren halten.“ Das seien auch nicht immer jene der glamourösesten Unternehmen. Aber schließlich gehe es nicht um Marketing, sondern um Renditen. „Alle sind immer auf der Suche nach dem ‚next big thing‘. Was dabei übersehen wird: Junge Unternehmen haben ein viel größeres Risiko zu scheitern als alteingesessene, die schon viele Krisen überlebt haben und Resilienz bewiesen.“ Freilich, so die Einschränkung, auch die Etablierten bräuchten Innovation und Wachstumsmärkte, um interessant zu bleiben.

Was Comgest natürlich auch vor dem Einstieg überprüft. Und dabei mitunter wahre Perlen entdeckt. Etwa im Pharma-bereich. Seit Jahren ist man an den Diabetesspezialisten Novo Nordisk und Eli Lilly beteiligt. Jahrelang waren das keine besonders aufregenden Unternehmen, beim Umsatz fernab der Top-Ten-Pharmariesen an den Börsen. In jüngster Zeit entwickelten beide Unternehmen Medikamente, die massiv gegen Übergewicht wirken. Jetzt zählen sie zu den wertvollsten Pharmakonzernen der Welt.

Die ruhige Hand

Spektakuläre Einzelfälle, die schwache Börsenjahre natürlich nur bedingt abfedern können. „Im Vorjahr haben auch unsere Produkte stark gelitten. Da war Angst im Markt und es wurde alles abverkauft“, gibt Pistracher freimütig zu. Den hastigen Ausstieg haben manche Investoren als Fehler erkannt. Und sind jetzt bei jenen Unternehmen einstiegen, bei denen Comgest schon lange investiert ist. „Mittelfristig liegen wir über allen Benchmarks“, lächelt der neue Comgest-Österreich-Chef zufrieden. Schließlich geht es ja auch um sein Geld. Denn: Comgest gehört zum überwiegenden Teil den aktiven Mitarbeitern. Schon deshalb ist das eigene finanzielle Wohlergehen eng mit jener der Kundschaft verknüpft. Was bisher sehr gut zu gelingen scheint: Während die Investmentbranche immer schneller am Personalkarussell dreht, bleiben Comgest-Mitarbeiter über Jahre im Unternehmen, manchmal gar bis zur Pension. Pistracher hat diesen Zugang mit ruhiger Hand längst selber schätzen gelernt. Zwar sei der Aufbau des Wiener Büros arbeits- und zeitintensiv, „aber für Geldgeschäfte braucht es Vertrauen“. Und dieses müsse man sich eben erarbeiten. Mit Zeit. Und der Überzeugung, das Richtige zu tun. Die strahlt der vierfache Familienvater auch aus. „Wäre ich von Comgest und seinen Produkten nicht so überzeugt, würde ich den Job nicht machen können“, sagt er. Es hätte ja Alternativen gegeben.