Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbands Austria, kennt die Untiefen des österreichischen Spendenwesens. Ab 2024 haben es Vermögende leichter, soziale Projekte zu unterstützen.

Charity – Gutes tun in Österreich – Warum Vermögende zögern und was sich ändern muss

Trotz der hohen Dichte an Reichen ist das Spendenvolumen der Vermögenden im internationalen Vergleich gering. Das könnte sich ab 2024 schlagartig ändern.  Text: Markus Mittermüller

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, wusste schon der bekannte deutsche Autor Erich Kästner. Skurril wird es aber, wenn jemand mehr oder weniger daran gehindert wird, Gutes zu tun. Klingt schwer nachvollziehbar, ist in Österreich aber in gewisser Form Realität. Die Rede ist von Vermögenden, die mit Großspenden Positives bewegen möchten, aber nicht die passenden Rahmenbedingungen dafür vorfinden. Das ist nur eines der bemerkenswerten Ergebnisse, die eine Untersuchung des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Auftrag des Fundraising Verbands Austria zeigt. Beleuchtet wurde dabei die Sicht Vermögender auf Motive und Hemmnisse, sich gemeinnützig zu engagieren. Und die Frage, was nötig ist, um zu einer Kultur der Philanthropie unter Vermögenden zu gelangen.

Luft nach oben

Denn eines ist klar: „Bei den Spenden in Österreich haben wir noch Luft nach oben“, erklärt Günther Lutschinger, Geschäftsführer des Fundraising Verbands Austria. Die Zahlen verdeutlichen es. In Österreich wurden 2022 insgesamt 900 Millionen Euro gespendet – rund 97 Euro pro Einwohner. In der Schweiz und Deutschland liegt dieser Schnitt mit 217 Euro bzw. 150 Euro deutlich höher. „Einer der Hauptgründe dafür ist eine wesentlich stärkere Beteiligung von vermögenden Menschen, die sich direkt oder über eigene Stiftungen engagieren“, so Lutschinger.

Das internationale Spendenwesen entwickelt sich seit Jahren dahin, dass weniger Spendende kontinuierlich höhere Beträge geben. Insbesondere das Engagement Vermögender steigt in vielen Ländern seit geraumer Zeit an. Als Großspender gilt laut Lutschinger jemand, der mindestens 50.000 Euro als Gesamtsumme spendet.

Bedürfnis nach Gerechtigkeit

Doch was treibt Vermögende grundsätzlich dazu an, einen Teil ihres Geldes für wohltätige Zwecke auszugeben? „Die intrinsische Motivation, wie das Bedürfnis nach sozialer Gerechtigkeit, ist sehr stark“, sagt Lutschinger mit Verweis auf die IHS-Studie, für die diese Frage 15 vermögenden Österreicherinnen und Österreichern gestellt wurde. Im internationalen Vergleich wird hierzulande außerdem stärker das Gefühl der Verantwortung als Grund genannt, sich philanthropisch zu engagieren. „Auch religiöse Gründe werden für die Spendenbereitschaft angegeben – aber nicht so stark, wie das teilweise in anderen Ländern der Fall ist“, erklärt der Geschäftsführer des Fundraising Verbands Austria. Kinder und Tiere sind weiterhin die beliebtesten Spendenthemen der Österreicher. Wobei Vermögende in diesem Zusammenhang eher als Investoren auftreten, um größere, nachhaltige Projekte in der Bildung oder Kultur zu finanzieren.

Rahmenbedingungen fehlen

Im internationalen Vergleich trafen Österreichs Stifter und Großspender bislang auf schlechte Rahmenbedingungen, die mit bürokratischen Hürden, fehlenden Anreizen und mangelnder Rechtssicherheit einhergingen. „Vonseiten der Politik hat man Vermögenden bei uns nie ein Angebot gemacht, die steuerlichen Rahmenbedingungen fehlen“, präzisiert Lutschinger. Aus einer umfassenden Untersuchung der globalen Philanthropie-Standorte, dem „Global Philanthropy Environment Index“ der amerikanischen Indiana University, geht Liechtenstein als Spitzenreiter in puncto Rahmenbedingungen für wohltätiges Engagement hervor. Auch Deutschland und die Schweiz kommen unter die Top Fünf. Österreich hingegen hat im internationalen Ranking an Boden verloren und liegt deutlich unter dem westeuropäischen Schnitt.

Ungleichheiten bei Spendenzwecken

„Das Stiftungswesen in Österreich ist für private Zwecke gemacht und ist nicht gemeinnützig wie in anderen Ländern“, sagt Lutschinger. Zudem bestehen nach wie vor offensichtliche Ungleichheiten zwischen verschiedenen gemeinnützigen Zwecken: Während Ausschüttungen von Stiftungen beispielsweise an Begünstigte in der Entwicklungszusammenarbeit steuerbefreit sind, werden Zuwendungen an österreichische Bildungs-NPOs und Schulen von diesem Vorteil ausgeschlossen. Ebenso zählt der Tierschutz bislang nicht zu den spendenbegünstigten Zwecken.

Gemeinnützigkeitspaket kommt

Ab kommendem Jahr soll sich das ändern. Und zwar mit dem Gemeinnützigkeitspaket, das sich derzeit in Begutachtung befindet. Es bringt ab 2024 die Spendenabsetzbarkeit für alle gemeinnützigen Zwecke, weniger Bürokratie und bessere Bedingungen für gemeinnützige Stiftungen. Denn die Reform enthält ein dauerhaftes Recht auf Spendenbegünstigung, eine Aufhebung der Deckelung steuerwirksamer Zuwendungen, die Vortragsfähigkeit der Begünstigung und Flexibilität bei der Mittelverwendung auf zehn Jahre je nach Hilfsbedarf.

„Alles in allem höchst attraktive Bedingungen für die österreichischen Philanthropiestandorte. Diese werden in Zukunft wesentlich mehr engagierte Persönlichkeiten und Unternehmen dazu bewegen, sich über Stiftungen im Inland für gemeinnützige Anliegen einzusetzen“, ist Lutschinger überzeugt.

Das Gemeinnützigkeitspaket ist damit ein erster Schritt in Richtung einer besseren Kultur der Philanthropie in Österreich. Doch gefragt sind noch weitere Initiativen, wie es auch in der die IHS-Studie heißt. Besonders vielversprechend sind laut den Vermögenden folgende zwei Maßnahmen: zum einen die Förderung eines niederschwelligen Austausches zwischen Philanthropen und zum anderen die Förderung einer differenzierten öffentlichen Diskussion zum Thema Spenden und Philanthropie.

Mehr Netzwerke

„Viele Vermögende sehen den Staat in der alleinigen Rolle, von Kultur über Bildung bis Wissenschaft alles zu finanzieren. Sie sehen daher keine Aufgabe für sich. Diese gilt es durch den Kontakt mit engagierten Vermögenden zu motivieren, ebenso Verantwortung zu übernehmen“, sagt Lutschinger.

Zum vermehrten Austausch wäre laut dem Experten die Gründung weiterer Netzwerke nötig – „auch deshalb, weil vielen Vermögenden einfach das Know-how in diesem Bereich fehlt“.

Einige Netzwerke gibt es bereits, etwa den Verband für gemeinnütziges Stiften, eine politisch unabhängige Interessenvertretung gemeinnützig aktiver Stiftungen in Österreich. Oder die MINTality Stiftung, die sich der Förderung, Vernetzung und langfristigen Verankerung von MINT-Bildungsangeboten und -projekten mit Nachhaltigkeitsbezug widmet. Aktiv in diesem Bereich sind auch „Die Sinnstifter“, die als Verein gemeinsam soziale Projekte in Österreich unterstützen.

Spender als Vorbild Wie das Thema Vermögen in der Öffentlichkeit bewertet wird, sollte ebenfalls überdacht werden, meint der Fundraising-Experte. Denn in Österreich werde Vermögen nicht immer positiv dargestellt. So wird in den USA beispielsweise vom Magazin Forbes eine Liste der größten Spender des Jahres veröffentlicht. „Damit die Spender ein Vorbild für andere sind, muss man ihren Beitrag öffentlich machen. In Österreich ist leider meist das Gegenteil der Fall“, so Lutschinger, der überzeugt ist: „Jeder Spender sollte Anerkennung dafür bekommen, dass er bereit ist, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.“  

Zahlen & Fakten

Spenden in Österreich

85 Prozent aller Spenden in Österreich liegen unter 200 Euro.

Nur zwei Prozent aller gegebenen Beträge übersteigen 1.000 Euro.

Die mittleren Einkommen ab 31.000 Euro leisten mit insgesamt knapp 106 Millionen Euro den größten Beitrag (32 Prozent), gefolgt von Einkommen über 18.000 Euro mit

93 Millionen Euro (28 Prozent).

Obwohl Personen mit einem Einkommen unter 11.000 Euro keine Steuerbegünstigung erhalten, tragen sie mit rund 28 Millionen Euro fast ebenso viel bei wie sämtliche Steuerzahler, die über 90.000 Euro verdienen.

Zum Vergleich: In den USA liegt die Durchschnittsspende pro Einwohner bei fast 1.250 Euro.