Beauty – Schönheit im Abo

Nach seinem Beauty-Start-up Glossybox und Stationen bei Amazon und der Boston Consulting Group sowie als Angel Investor launcht Charles von Abercron das Beauty-Unternehmen Uncorrupted Beauty. Und will damit die Schönheitsindustrie umkrempeln.

Text: Susanne Mayer

Die Instagram-Feeds explodieren vor lauter Kosmetikprodukten, Influencer und Wannabes geben auf TikTok ihre neuesten Beauty-Hacks bekannt und YouTuberinnen preisen nun wirklich alles an: von der Kaffeemaske mit Meersalz und Honig zum Selbermachen bis hin zum neuesten Hyaluronbooster. Bis auf die lästigen Krähenfüßchen kämen dabei selbstverständlich keine Tiere zu Schaden. Braucht es da just noch eine Beautymarke mit dem ultimativen Versprechen der ewigen Jugend, und dann noch dazu eine, die man nur im Abo bekommt? Und ist das mittlerweile nicht eh nur mehr alles ein Marketingschmäh?

0 Prozent Bullshit, 100 Prozent Wirkung

Uncorrupted-Beauty-Gründer Charles von Abercron lassen diese Fragen gleichzeitig schnaufen und lachen. Die Marke wurde Anfang 2023 g launcht und wirbt mit Luxusqualität, frechen Produktversprechen und noch frecheren Preisen.

„Marketing ist gut, Qualität ist wichtiger“, sagt von Abercron. Kundinnen seien heute anspruchsvoller und aufgrund unzähliger Beauty-Channels auf unterschiedlichen Plattformen bei Kosmetik- und Pflegeprodukten so gut informiert wie noch nie.

Noch dazu wildert man in der Zielgruppe der Frauen zwischen 30 und 45 Jahren – einem Segment, das bereit ist, sich das Gefühl von Luxus zu gönnen, ohne dabei auf schickes Design und performante Formeln in den Kosmetiklinien verzichten zu wollen. „0 Prozent Bullshit, 100 Prozent Wirkung“, so  heißt es da auf der Website. Oder eleganter aus von Abercrons Mund: „Wenn wir unsere Kundinnen mit unserer Produktqualität im Stich lassen, fliegt uns der ganze Laden in sechs Monaten um die Ohren.“

Luxusfeeling ab vier Euro im Monat

Zuerst einmal die Ohren spitzen werden potenzielle Kundinnen beim Konzept des Beautyanbieters: Zwar können Peeling, Toner und Conditioner auch einfach so über den Onlineshop erworben werden, richtig günstig wird es aber erst, wenn man regelmäßig zahlt. Ab vier Euro monatlich gibt es die Jahresmitgliedschaft, Bindungsscheue können ab zehn Euro eine Monatsmitgliedschaft abschließen und auch kurzfristiger kündigen.

Warum das Ganze? Weil Uncorrupted Beauty sich nicht über die Produktmargen, sondern die Abonnements finanzieren will, sagt der Gründer. Und so funktioniert es: Luxusmarken sind Marketingtanker, die ihre Produkte alle bei denselben Lohnherstellern anfertigen lassen. „Sie verkaufen das gleiche Produkt und pappen am Ende unterschiedliche Labels auf die Fläschchen und Döschen. Wir reden von sieben Euro Herstellungskosten und hundert Euro Verkaufspreis“, sagt von Abercron.

Bei solchen Margen lässt sich mit dem richtigen Markennamen auch richtig viel Geld verdienen. Doch das Beautybiotop ist ein geschlossenes System. Die besten Hersteller verkaufen im Normalfall nur an die prestigeträchtigsten Luxusmarken. Diesen Mechanismus und die Tatsache, dass Endkundinnen davon nichts mitbekommen, will von Abercron aufbrechen.

Transparentes Netzwerk

Für sein neues Start-up setzt der Gründer auf ein illustres und in der Beautybranche höchst erfahrenes Führungsteam. Gründungspartner Felix Lobkowicz skalierte zuvor die Umsätze des E-Commerce-Riesen Zalando, Michael Schummert baute die Beautymarke Babor zu internationalem Erfolg auf und Marilu Pötter machte als Produktexpertin ebenfalls in der Beauty- und Lifestyleecke Karriere, bevor sie an Bord kam und als vierte Gründerin aufgebaut wurde. Das bringt vor allem eines: ein verdammt gutes Netzwerk mit den Kämmerchen oder Fabrikshallen, in denen die „echte“ Beautyindustrie daheim ist und dort Moisturizer, Filler und Booster herstellt.

Damit Kundinnen auch wissen, welche Schnäppchen sie sich mit Uncorrupted Beauty in den Kosmetikschrank stellen, will von Abercron voll auf Transparenz setzen. Herstellungskosten angeben, Margen auszeichnen und immer wieder auf Inhaltsstoffe und Qualitätsmerkmale verweisen. Finden sich potenziell schädliche Inhaltsstoffe sogenannter Blacklists in den Produkten (in der Beautyindustrie üblich, da sie gewisse Eigenschaften wie Haltbarkeit, Schäumungsvermögen oder Eindringen in die Haut verbessern), sollen diese auch explizit ausgewiesen werden.

Vorbild aus London

Das Abo-Modell sei bei Kundinnen noch erklärungsbedürftig, gibt von Abercron zu. Man will daher bei der Vermarktung erst vor allem auf YouTube setzen, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Vorbilder wie das in London ansässige Unternehmen Beauty Pie sind allerdings seit mehreren Jahren dick im Geschäft. Selbes Modell, sehr ähnliche Preisgestaltung. Dahinter steckt die gute alte Kundenbindung über Mitgliedschaft. Also: Jö-Bonuscard, aber in hübsch. Wer mehr ausgibt, spart potenziell auch mehr, vor allem die eigenen Beauty-versessenen Freundinnen. Denn die sollen ebenfalls von guten Preisen profitieren. Kundenwerbung oder Referral-Programm nennt das von Abercron, nicht Pyramidensystem. Investoren glauben daran – Pre-Seed-Runden sind gut angelaufen, die ersten Abos verkauft.

Das „Uncorrupted“ in Uncorrupted Beauty steht übrigens für moralisch einwandfrei. Man wolle nicht an der Qualität sparen und außerdem nachhaltig wirtschaften. Bisher gibt die Website des Münchner Start-ups aber nicht allzu viel Greifbares zum Thema Nachhaltigkeit her. Ein wenig Offsetting über eine indonesische Firma, die Plastik sammelt, aber keine Statements zur Reduktion von Ressourcenverschwendung. „Das stört mich persönlich“, sagt von Abercron. „Da sind wir dran. Aber Fakt ist: Wer Beautyprodukte herstellt, der ballert Müll in die Welt.“ Bei Uncorrupted Beauty konzentriere man sich deshalb darauf, so viel Glas und so wenig Plastik wie möglich zu verwenden. Das sei gut für die Umwelt und die Haptik der Produkte. Er selbst arbeitet mit seinem Businesspartner Felix Lobkowicz an einem Kreislaufwirtschaftssystem, um Versandverpackungen nicht nach einmaligem Nutzen auf der nächsten Müllhalde verschwinden zu lassen.

Rakete oder Rohrkrepierer

Ob Uncorrupted Beauty abheben und ein Erfolg werden wird, will von Abercron noch nicht sagen. Es sei viel zu früh, um Prognosen abzugeben: „Die Range ist groß. Das kann von der multinationalen Company gehen bis hin zu: Morgen ist Schluss.“ Es sei wie beim Tennis: Wer schon im zweiten Game an den dritten Satz denkt, verliere den Blick für die Aufgaben im Hier und Jetzt.

Und von Abercron weiß, wovon er spricht. Im Start-up-Jargon gilt er als Serial Entrepreneur. Nach dem BWL-Studium war von Abercron in einer Investmentbank für Mergers & Acquisition zuständig, ehe er 2011 mit Glossybox sein erstes Beauty-Unternehmen gründete. Glossybox wuchs nach der Gründung so schnell, dass es sämtliche Unternehmenskrisen lehrbuchhaft durchlief. Die Expansion in 23 Länder machte das Start-up unmanövrierbar. 2015 zog sich von Abercron aus Glossybox zurück.

Back to Beauty

Dass er nun wieder in der Beautyindustrie gelandet ist, entspricht von Abercrons Naturell: „Mich begeistern schöne Dinge, mit denen man Menschen eine Freude machen kann.“ Die Disruptionen in der Branche in den letzten zehn Jahren sieht von Abercron ambivalent: „Früher haben Marken den Menschen die Trends vorgegeben. Heute, mit TikTok, Instagram und Co, ist es genau andersrum.“ Die Demokratisierung schätze er durchaus. Dass heutzutage aber wirklich jeder zu allem etwas sagen kann, weil einfach die Sprachrohre verfügbar sind, das müsse man ab und zu hinterfragen, findet der Gründer. Lautstärke sei eben nicht immer mit Kompetenz gleichzusetzen. Aber bei aller Kritik an der Beautyindustrie kann beobachtet werden: Eine gewisse Krisenresistenz ist ihr nicht abzusprechen. „Als während Corona alle Masken getragen haben, wurden ein paar Lippenstifte weniger verkauft. Aber das Thema Selfcare wird immer größer.“ Und vielleicht ist Beauty ja so etwas wie die letzte Bastion von Luxus, die man sich trotz steigender Mieten und Lebensmittelpreise weiterhin gönnen wird.  

Infos

• Uncorrupted Beauty vertreibt seit Anfang 2023 Kosmetik im Abo.

• Ab vier Euro Mitgliedsgebühr monatlich kann Luxuskosmetik extrem günstig erworben werden.

• Für Charles von Abercron ist es nach Glossybox sein zweites Beauty-Unternehmen.

• Für Beauty geben Menschen in der EU über 52 Milliarden Euro jährlich aus.

• Corona bescherte der Branche einen Einbruch von acht Prozent.

• 2022 wurden globale Rekordumsätze erzielt.