Daniel WHILE (c) Primonial REIM
portrait de Daniel WHILE le 10 mars 2021

Ausblick auf die europäischen Immobilienmärkte 2024: The Great Repricing

Hinter den Immobilienmärkten liegt ein echtes Krisenjahr 2023. Die beiden Chefanalysten Daniel While und Florian Wenner vom pan-europäischen Immobilien-Investment- und Asset-Manager Primonial REIM blicken auf ein turbulentes Jahr zurück und teilen ihre Erwartungen an das Jahr 2024. Nachfolgend finden Sie die diese Marktausblicke.

Daniel While, Head of Research, Strategy & Sustainability bei Primonial REIM:

Die europäischen Immobilienmärkte gehen momentan durch das „Great Repricing“. Auch wenn sich Immobilienbewertungen in der Regel langsamer an externe Ereignisse – in diesem Fall Zinserhöhungen – anpassen als Aktienmärkte, ist die geldpolitische Straffung schon zu lange im Gange, als dass sie ignoriert werden könnte. Das „Great Repricing“ erfolgt in den einzelnen Ländern (wobei der britische Markt wie üblich der beste Indikator ist) und bei den verschiedenen Immobilienarten (Logistik und erstklassige Büroimmobilien an der Spitze) in sehr unterschiedlichem Tempo und Ausmaß. Letzten Endes kann man jedoch mit Sicherheit sagen, dass alle Standorte und alle Immobilienkategorien davon betroffen sein werden. 

Die Ursachen für die Entwertung von Immobilienvermögen sind hinlänglich bekannt. Es handelt sich weder um das Platzen einer Blase wie in den neunziger Jahren noch um eine systemische Finanzkrise wie 2008, sondern um das Ende des Immobilienprivilegs in einer Negativzins-Ära. Seit Juli 2022 ist der Leitzins der EZB von 0 % auf 4,5 % angestiegen, um die Inflation zu bekämpfen. Der Sieg scheint für die EZB nahe, die als relativ junge Zentralbank ihre Glaubwürdigkeit erst noch aufbauen muss, indem sie sich als Falke positioniert.  

Der derzeitige Konsens (zumindest der Börsenkonsens) ist, dass die EZB die Zinssätze im Laufe des zweiten Halbjahres 2024 senken wird. Das wird aber die Neubewertung von Immobilien nicht verhindern, die bereits im September 2022 begonnen hat und sich bis Juni 2024 hinziehen könnte. Denn selbst wenn es zu Zinssenkungen käme, müssten die Immobilienrenditen gegenüber ihren anderen Konkurrenten auf dem Sparmarkt (wie Staatsanleihen oder festverzinslichen Wertpapieren) immer noch einen substanziellen Risikoaufschlag aufweisen. Der Markt kann nicht zu den Immobilienrenditen zurückkehren, an die man sich gewöhnt hat, als die Inflation und die Zinsen bei null lagen. Um die Wettbewerbsfähigkeit von Immobilien als Vermögenswert wiederherzustellen, müssen die Werte sinken. 

Die große Preiserhöhung trifft nicht jeden Markt auf die gleiche Weise. Im Großen und Ganzen können wir drei Gruppen unterscheiden: 

Harte Neubewertung der Lieblinge der institutionellen Anleger: Büros und Logistik. Die Assetklassen mit den niedrigsten Spitzenrenditen, deren Bewertungen in den letzten drei bis fünf Jahren stark angestiegen sind, sind am stärksten betroffen. Das bedeutet auch, dass sich für diese Assetklassen ein Fenster der Möglichkeiten öffnen könnte, sobald die Bewertungen den Tiefpunkt erreicht haben. Die Zukunft von Büroimmobilien wird in den Augen vieler Anleger mitunter in Frage gestellt, auch weil die derzeitigen Turbulenzen auf vielen US-Büromärkten Verwirrung stiften. Wir sind der Meinung, dass diese liquideste Assetklasse im Immobilienbereich von den Investoren einfach nicht umgangen werden kann, dass aber bei der Auswahl der Assets neue Regeln gelten werden: mehr ESG-kompatible, flexible, zentrale und kleinere Gebäude.

Moderate Neubewertung von alternativen Assets. Dazu gehören Immobilien, die bereits während der Pandemie mit Abschlägen versehen waren: Einzelhandel und Hotels. Gesundheitsimmobilien werden ebenfalls moderat neu bewertet, insbesondere unter dem Druck der betrieblichen Notlagen aufgrund von regulatorischer Unsicherheit, steigenden Energiekosten und Löhnen sowie Arbeitskräftemangel.

Große Diskrepanzen auf den europäischen Wohnungsmärkten. Auch wenn der IWF ein potenzielles Systemrisiko für die europäischen Wohnungsmärkte sieht (in Bezug auf die Lebenshaltungskosten der Haushalte und die Auswirkungen auf den Bankensektor), zeigen die aktuellen Zahlen je nach Land sehr unterschiedliche Entwicklungen. Darlehen mit variablen Zinssätzen sind eindeutig eine Variable, wie die harten Abwertungen im Vereinigten Königreich und in den nordischen Ländern zeigen. Länder, die in den letzten Jahren einen boomenden Markt erlebt haben (typischerweise deutsche A-Städte), erleben eine Korrektur, während Italien und Spanien einen starken Rückgang der Transaktionsaktivität, aber keinen einseitigen Preisverfall verzeichnen. Frankreich liegt im Mittelfeld zwischen Deutschland und den südeuropäischen Ländern. Die Bauträger von neuen Wohneinheiten haben jedoch auf allen europäischen Märkten große Schwierigkeiten. 

2024 ist daher das sprichwörtliche „Übergangsjahr“ für Immobilieninvestoren vom Ende eines Zyklus zum Beginn eines neuen. Die neue Landschaft der Immobilieninvestitionen könnte ganz anders aussehen als das Jahrzehnt der negativen Realzinsen. Unter den solidesten Megatrends, die wir bereits ausmachen, glauben wir, dass die Gewinner des nächsten Zyklus betreibergetriebene, demografiegetriebene, ESG-konforme Assets mit Aufwärtspotenzial auf der Mietseite sein werden.

Ausblick auf den deutschen Immobilienmarkt 2024: 5 Gründe für Optimismus

Florian Wenner, Head of Research & ESG bei Primonial REIM Germany:

Ein echtes Immobilienkrisenjahr liegt hinter uns. Historisch niedrige Transaktionsvolumina, rasant gestiegene Zinsen und Insolvenzen, insbesondere von Projektentwicklern, prägten das vergangene Jahr. Die noch zu Jahresbeginn erhoffte Erholung ist ausgeblieben und kaum ein Akteur, ob Investor, Projektentwickler, Bank oder Dienstleister, war nicht vom Stillstand auf dem Transaktionsmarkt betroffen. Die im Sommer 2022 eingeleitete Zinswende der EZB zur Inflationsbekämpfung stellte nicht nur viele Unternehmen vor Finanzierungsprobleme, sondern läutete auch das endgültige Ende des bisherigen Immobilienzyklus ein. Deutlich gestiegene Spitzenrenditen über alle Assetklassen hinweg, Mittelabflüsse aus Immobilienfonds und der Stillstand am deutschen Transaktionsmarkt haben die Stimmungsbarometer auf einen neuen historischen Tiefstand sinken lassen. Lediglich die Aussicht auf baldige Zinssenkungen im Jahr 2024 konnte zum Jahresende als kleiner Stimmungsaufheller dienen. 

Marktausblick Deutschland 

Mit den anstehenden Wahlen in den USA und Europadeutet vieles darauf hin, dass in 2024 die geopolitischen Weichen für die kommenden Jahre gestellt werden. Gerade in Deutschland, dessen Wirtschaftskraft stark von stabilen Bündnissen mit den europäischen und transatlantischen Partnern abhängt, blickt man daher mit einer gewissen Sorge auf die anstehenden Wahlen. Eine stärkere Emanzipation von den Großmächten USA und China könnte aber auch zu einem „Zusammenrücken“ in Europa führen und größere Investitionen nach sich ziehen, die die Wirtschaft ankurbeln. Für den deutschen (Immobilien-)Markt muss das politisch heikle Jahr also nichts Schlechtes bedeuten.  

Was gibt darüber hinaus Anlass zu Optimismus für das Jahr 2024?  

Das Zinsumfeld hat sich stabilisiert. Im Jahresverlauf sind sogar Zinssenkungen möglich, so dass keine weiteren zinsbedingten Abwertungen von Immobilien zu erwarten sind und die Planbarkeit für Immobilienakteure steigt. 

Die Renditen von Staatsanleihen sind bereits Ende 2023 deutlich gesunken. Die Risikoprämie bzw. die relative Attraktivität von Immobilieninvestments nimmt daher wieder zu. 

Die nahezu zum Erliegen gekommene Neubautätigkeit wird den Nachfragedruck auf deutsche Bestandsimmobilien weiter erhöhen. Vor allem im Wohnungsbereich ist daher mit steigenden Mieten zu rechnen. Das betrifft auch moderne, energieeffiziente Büroflächen. 

ESG bleibt ein wertbestimmender Faktor und durch die fehlende Neubautätigkeit haben die dringend benötigten Handwerker wieder freie Kapazitäten, um energetische Sanierungsmaßnahmen im Gebäudesektor voranzutreiben. 

Als größte Volkswirtschaft Europas und drittgrößte Volkswirtschaft der Welt bietet Deutschland trotz Überbürokratisierungstendenzen und politischer Zögerlichkeit weiterhin hohes Nachfragepotenzial und attraktive Rahmenbedingungen für Immobilieninvestments.

Über Primonial REIM

Primonial REIM entwickelt und verwaltet Immobilienfonds für nationale und internationale Kunden, unabhängig davon, ob es sich bei den Anlegern um Privatpersonen oder Institutionen handelt. Ingesamt beschäftigt das Unternehmen mehr als 400 Mitarbeiter in Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Italien, Singapur und Großbritannien. 

Primonial REIM verwaltet derzeit ein Vermögen von 42 Milliarden Euro. Die Allokation gliedert sich in: 47% Gesundheits-/Bildungsimmobilien, 35 % Bürogebäude, 8 % Wohnen, 5 % Einzelhandel, 4 % Hotels und 1% Logistik. Die paneuropäische Plattform verwaltet 61 Fonds und hat mehr als 80.000 Kunden, von denen 45 % Kleinanleger und 55 % institutionelle Investoren sind. Das Immobilienportfolio umfasst mehr als 1.400 Objekte (Büro, Gesundheit/Bildung, Einzelhandel, Wohnen, Hotels) in elf europäischen Ländern