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Strategien für die Zeit nach Covid

Private Banking ist seit Ausbruch der Coronakrise heiß begehrt. Am Round Table diskutieren Hermann Wonnebauer, Wilhelm Celeda, Beatrice Schobesberger, Wolfgang Eisl, Nils Kottke, Robert Löw und Manfred Huber, wie sich die persönliche und individuelle Beratung  auch in Zukunft gegen digitale Billigkonkurrenz behaupten kann.  

assets: Die Covid-Pandemie hat die Weltwirtschaft stark getroffen. Mit welchen ­Zukunftsszenarien rechnen denn Sie?  

Hermann Wonnebauer: Die Kapitalmärkte und die Wirtschaft haben sich vergleichsweise gut gehalten. Jede vorherige Krise hat immer als Erstes die Anleger getroffen, Volkswirtschaft und Bevölkerung folgten später. Die Pandemie hat schlagartig alle gleichzeitig erschüttert, auf eine Art und Weise, die wir nicht gekannt haben. 

Was im Vergleich zu anderen Krisen gleich blieb: Es gibt Gewinner und Verlierer. Die Wirtschaft – das sieht man auch an den Kapitalmärkten – ist extrem polarisiert. Hotelaktien würde ich jetzt keine kaufen, alles, was mit Digitalisierung zu tun hat, läuft hervorragend. Wir rechnen, dass die Erholung der Weltwirtschaft mindestens bis 2022 dauern wird, wenn nicht sogar deutlich länger. Aber auch in dieser Zeit wird es Gewinner geben, die von dieser Krise profitieren.

assets Magazin: Privatbanken - Hermann Wonnebauer

„Die Erholung der Weltwirtschaft dauert mindestens bis 2022. Aber auch in dieser Zeit gibt es Gewinner.“

– Hermann Wonnebauer – 
CEO Zürcher Kantonalbank Österreich AG

Es kommt also auf die Branche an?

Wilhelm Celeda: Auf dem Kapi­talmarkt verursachte die Krise einen v-förmigen Verlauf, der Weltindex steht Mitte Oktober auf dem Niveau vom Jahresanfang. Die Erholung der Wirtschaft wird länger dauern, weil die Gescheh­nisse auch das Verhalten nachhaltig verändern. In den Unternehmen wird man sich rasch auf kleinere Gewinne einstellen, aber die Arbeitslosigkeit wird wohl fünf oder sechs Jahre über dem Vorkrisenniveau bleiben. Ähnliches gilt für das Wirtschaftswachstum. Selbst wenn wir nächstes Jahr fünf Prozent Wachstum schaffen, ist die Krise nicht ausgeglichen. Wir starten von einem deutlich niedrigeren Niveau.

Beatrice Schobesberger: Es sind nach wie vor viele Unsicherheitsfaktoren im Markt. Das zweite Quartal war kata­strophal, das dritte erstaunlich gut, für das vierte Quartal rechnen wir mit sinkender Dynamik. Wird es eine Regelung zum Brexit geben? Wie gehen die US-Wahlen aus? Wie entwickeln sich Coronazahlen und Arbeitslosigkeit? Eine längerfristige Prognose scheint aktuell unmöglich. 

Wolfgang Eisl: Unser Basisszenario basiert auf der Verfügbarkeit eines Impfstoffes spätestens im zweiten Quartal 2021. Als internationales Haus haben wir gesehen, dass sich in Asien die Lage stabilisiert und normalisiert hat. Dort leidet man zwar unter der Situation in Europa, dennoch wird sich das Wachstum in Asien verfestigen. 

Nils Kottke: Die Gretchenfrage ist: Wann steht der Impfstoff zur Verfügung? Das ist für die vielen hart betroffenen Sektoren entscheidend, wie etwa Einzelhandel oder alle Branchen, die mit Reise­aktivität zu tun haben. Die zweite Frage ist: Wie wirksam ist der Impfstoff und wo ist er verfügbar? Davon hängt die Mobilität ab. Die dritte Frage: Wird der Impfstoff von der Bevölkerung akzeptiert? Davon hängt ab, wie lange und mit welcher Intensität uns die Pandemie noch beschäftigen wird.

Robert Löw: Ein weiterer wesent­licher Faktor ist: Wer wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten? Gewinnt Donald Trump, müsste er keine Rücksicht mehr auf eine mögliche Wiederwahl nehmen. 

Joe Biden wird eine moderatere Welt­politik betreiben, insbesondere im Spannungsfeld mit China. Das ist nicht nur für die USA wesentlich. Auch in anderen Krisenherden – Stichwort Iran – wird Biden anders vorgehen als Trump. Inte­ressanterweise haben die Börsen in den letzten Jahrzehnten unter demokratischen Präsidenten besser performt als unter den wirtschaftsfreundlicheren Republikanern. Es kommt auch darauf an, wie schnell die Wahl akzeptiert wird. All das wirkt sich auf die nächsten zwölf bis 18 Monate aus. 

Manfred Huber: Für eine Fundamentalanalyse ist politische Stabilität wesentlich. Aber weltweit war die poli­tische Situation nie instabiler als aktuell. Das Thema Behavioral Risk überstrahlt im politischen Kontext derzeit alles, das macht eine seriöse Prognose unmöglich. Damit meine ich nicht nur die USA: ­Etwas Inhomogeneres als Europa derzeit gibt es nicht, wenn ich an Brexit, Deutschland und Frankreich denke. Diese Themen könnten die Kapitalmärkte noch nachhaltig beeinflussen. Die Entwicklung der Staatsverschuldung wird im Zusammenhang mit der Zinsentwicklung spannend. Deshalb haben sich die Kapitalmärkte so rasch erholt. Worin will man investieren außer in Aktien? Das war eine Flucht aus der Not, aber nicht mit Überzeugung.

assets Magazin: Privatbanken - Beatrice Schobesberger

„Wir haben von der Unsicherheit im Markt profitiert, die Kunden schenken uns Vertrauen.“

– Beatrice Schobesberger – 
Abt.-Leiterin Erste Private Banking

Was raten Sie jetzt Ihren Kunden? 

Huber: In den 90ern hieß es: Die Börse ist der Probierstein der Vorsichtigen und der Grabstein der Vorwitzigen. Vorsicht ist geboten. Niemand zweifelt an der Sinnhaftigkeit von Aktien in einem Portfolio. Das Thema ist die Branchenallokation, nicht die Märkte selbst.

Suchen in dieser Situation viele Wohlhabende die Beratung von Privatbanken?

HUBER: Die Veranlagung ist gar nicht der erste Anknüpfungspunkt, sondern der Umstand, tatsächlich anwesend zu sein. Viele Kunden haben in großen Häusern Probleme. Man redet sich auf Covid aus, über Wochen ist niemand erreichbar. Die physische Präsenz ist ein wertvolles Asset geworden. Das halte ich den Privatbanken als Riesenplus im Vergleich zu den Big Players zugute.

Schobesberger: Wir haben von der Unsicherheit im Markt profitiert, die Kunden schenken der Erste Bank und den Sparkassen Vertrauen. Weil man da ist für sie, einfach redet. Nicht nur, um Geschäfte zu machen, obwohl auch viel Trading dabei war. Ich habe meinen jungen Kollegen empfohlen, einfach die Kunden anzurufen, zeigen, dass wir jetzt für sie da sind. Schauen, was sie beschäftigt, nur nicht den Kopf in den Sand stecken. Es gab die Angst um das Bargeld. Wie damals in der Finanzkrise, da sind die Leute mit einem Plastiksackerl voll Geld auf der Straße gelaufen. 

Eisl: Den Gesprächsbedarf gibt es. Oft ist die Unternehmensbeteiligung das wichtigste Asset. Deshalb ging es in den letzten Monaten um Vorsicht, im Stiftungsbereich auch um Liquiditätsplanung und die Ausrichtung von Unternehmen. Durch unsere internationale Ausrichtung merken wir auch, dass es bei Family Offices einen Trend gibt, sich breiter auszurichten, auch nach Hongkong und Singapur hin. In der konkreten Veranlagung stellt sich die Frage nach Aktien gar nicht, sonder nur, in welchem Ausmaß sie vertreten sind. 

Die einzig wirklich sichere Prognose ist: Die Zinsen bleiben niedrig, am Ende sind Aktien ein Stabilisator. Aber die Aktienmärkte sind ja nicht nur per se gut gelaufen, es gibt eine sehr große Streuung der Performance über die Branchen. Man muss in Szenarien denken. Unser Basisszenario ist, dass sich die Märkte positiv entwickeln werden. Wie immer, wenn es Volatilität gibt, muss man zum Kunden gehen und ihm vorschlagen, diese Volatilität zu nutzen. Aber gerade in diesen Situationen ist der Kunde etwas vorsichtiger. Ihm dabei zu helfen, ist unsere Aufgabe.

Wonnebauer: Der Job der Privatbank ist auch, dem Kunden aktiv zuzuhören, Ruhe und Gelassenheit zu geben. Der Kunde soll wissen: Um seine Vermögenswerte und sein Depot kümmern wir uns, da braucht er sich keine Sorgen zu machen.  

assets Magazin: Privatbanken - Wolfgang Eisl

„Für die Finanzindustrie wird Nachhaltigkeit die größte Veränderung in den nächsten 15 Jahren.“

– Wolfgang Eisl – 
Country Head UBS Austria

Kottke: Private Banking wird jetzt und in Zukunft stärker gefragt sein. Wer sein Kapital erhalten will, kommt um Wertpapiere nicht herum. Das kommt allen Privatbanken und ihrem Angebot entgegen. Das Zweite ist die persönliche Ansprechbarkeit. Großbanken gehen in Richtung Standardisierung und rein digitaler Kundenbetreuung. Dabei geht viel verloren. Wenn Kunden unsicher sind, brauchen sie einen persönlichen Ansprechpartner, der nicht nur erreichbar ist, sondern sich auch aktiv meldet. Wir haben uns in der Krise sehr aktiv gemeldet und stießen auf sehr positive Resonanz und durften gerade in den Lockdown-Monaten die meisten Neukunden im Haus begrüßen. Das war unerwartet, aber eine Folge dieses Daseins für den Kunden. Der dritte Punkt: Während große Anbieter in eine Produktorientierung gehen, geht es bei Privatbanken um Strategien, die man gemeinsam mit dem Kunden erarbeitet. Eine längerfristige, größere Perspektive. Nicht um einzelne Wertpapiere oder Fonds, sondern um das Festlegen von Schritten, wie man die kundenspezifische Zielallokation erreicht, die dann konsequent verfolgt werden.

Löw: Die Beratung wird immer wieder totgeredet. Man spricht von der Digitalisierung, man sagt, die Next Generation sieht sich ausschließlich in einer digitalen Welt. Das stimmt überhaupt nicht. Natürlich braucht es ein digitales Angebot. Aber der Berater – seine Leistung, seine Empathie, über den Tellerrand zu blicken, für den Kunden in schwierigen Zeiten gesamthaft da zu sein – ist zen­tral, quer über alle Altersklassen. Kunden erwarten, dass der Berater mit einem Expertennetzwerk Nachfolgelösungen  und Vermögensstrukturierungen mitbegleitet, familiäre Themen bis zur Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht anbietet oder mitbedenkt. Der Private Banker soll ein Trusted Advisor sein und er gewinnt in dieser Krise an Bedeutung.

Celeda: Wir haben stark auf Webinare gesetzt, mit allgemeinen Themen wie Hyperinflation oder Immobilien. Der Zulauf war enorm, der Erfolg riesig. Im Unterschied zur Finanzkrise 2008/2009 vertraut man den Banken. Es gab keine Geldabhebungen, nur verstärkt Investitionen in Gold.

Werden Sie tatsächlich mit Themen wie Hyperinflation oder anderen Klassikern aus Verschwörungsnetzen konfrontiert?

CELeda: Es gibt einen Rekord an Trans­aktionen, so viele wie seit Platzen der Dotcom-Blase nicht mehr. Viele glauben, ihr Leben mit Aktienspekulation bestreiten zu können. Das führt zu Verwerfungen. Ich bin mir nicht sicher, ob Tesla so viel wert ist wie alle anderen
Autobauer der Welt zusammen. Dahinter steckt eine gewisse Glaubensfrage. Und es gibt auch Kunden, die fragen, ob sie Gold in die Wände einmauern sollen, ob es jetzt gut ist, in Kryptowährungen zu investieren. Dahinter stecken Ängste, die man nicht abtun darf. Es liegt an uns, aufzuklären.  

Wie ist die Stimmung unter den Kunden? 

Wonnebauer: Den meisten ging es wie uns allen: Die Situation war völlig neu­artig. Das Börsengeschehen stand nicht im Vordergrund. Es gab nicht diesen riesigen Absturz wie 2008, der für Anleger und Private Banker existenzbedrohend war. Themen waren die Einschränkung der Freiheit, der Umgang mit älteren Verwandten etc.

EISL: Wir haben versucht, eine positive Sicht über die Krise hinaus zu entwickeln. Wir alle spüren die Themen schon jetzt, die nach Covid bleiben werden. Die vielen Videokonferenzen bringen die Stadthotellerie in anhaltende Schwierigkeiten. Die Digitalisierung wird vo­ranschreiten, die Mobilität abnehmen. Die Staatsverschuldung wird hoch sein. Wir haben uns auch intensiv mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Das interessiert die Kunden.

assets Magazin: Privatbanken - Robert Löw

„Der Private Banker soll ein Trusted Advisor sein und er gewinnt in dieser Krise an Bedeutung.“

– Robert Löw – 
CEO Liechtensteinische Landesbank in Österreich

Schobesberger: Wir haben mit unseren Kunden viel mehr Fachthemen auf Augenhöhe besprochen, oft stundenlang. Themen wie Mobilität und Stadtentwicklung, das wäre vielleicht ohne Covid nicht möglich gewesen.

Kottke: Viele nutzten den Lockdown zum Nachdenken. In unserem Bereich Family Management bieten wir Dienstleistungen für die Eigentümer von Familienunternehmen. Nachfolgeberatungen, Familienverfassung und Eigentümer­vision – also, wo will ich hin mit meinem Familienunternehmen – wurden intensiv nachgefragt. Fragestellungen, die sonst oft im Tagesgeschäft untergehen. 

Könnte die Pandemie noch zu einer Finanzkrise führen?

Huber: Notleidende Kredite werden ein Thema sein. Aber ich glaube, dass man im Vergleich zu 2008 nicht mehr am falschen Fuß erwischt wird. 

Glauben Sie an einen grünen Neustart?

Eisl: Der norwegische Ölfonds interessiert sich für Unternehmen, die nicht in sein Portfolio passen, ExxonMobil baut Tausende Mitarbeiter ab. Wir reden von einer unumkehrbaren Entwicklung. Als größter Vermögensverwalter der Welt bieten wir unseren Kunden in erster Linie nachhaltige Lösungen an. Man muss die Unternehmen motivieren, die richtigen Dinge zu tun. Da geht es nicht um rein ökologische Themen, sondern es geht um Gesellschaft, um Governance, um alle Teilbereiche. Für die Finanzindustrie wird es die größte nachhaltige Veränderung in den nächsten 15 Jahren. 

wonnebauer: Nachhaltigkeit ist der größte Wirtschaftsmotor in den nächsten Jahren. Das wird der größte „Marshallplan“ der Geschichte. In den nächsten zehn Jahren wird so viel Geld wie noch nie in so kurzer Zeit in die unterschiedlichsten Bereiche der Wirtschaft investiert. Nachhaltigkeit ist der größte Megatrend, sie wird uns im Private Banking helfen, Vermögen für unsere Kunden aufzubauen. 

celeda: Wir sind dabei der verlän­gerte Arm der Legislative. Es gibt sehr viele unterschiedliche Kriterien für nachhaltige Investments, Labels und Definitionen, nach denen ausgewählt werden kann. Die sind auch sehr unterschiedlich: Für Frankreich etwa ist auch Atomkraft nachhaltig. Es kommt die größte regulatorische Neuanforderung auf uns zu, weil Nachhaltigkeit in alle Finanz­geschäfte der Bank hineinfließt.

kottke: Nicht nur der europäische Gesetzgeber meint es ernst mit der Ökologisierung. Kanada hat Plastikstroh­halme und Plastiksackerl verbannt, auch China setzt sich mit der Thematik aus­einander. Unternehmen, die sich diesen Themen widersetzen, werden langfristig nicht erfolgreich und daher keine guten Investments sein. Als Vermögensverwalter muss man sich also mit dem Nachhaltigkeitsthema auseinandersetzen. Die Spängler-Nachhaltigkeitspolicy im Asset-Management schließt Unternehmen aus, die nicht mit den zehn UN-Global-­Compact-Prinzipien kompatibel sind oder mit kontroversen Waffen zu tun haben. In diese wird nicht investiert. Aber es gibt unterschiedliche Definiti­onen, was nachhaltig bedeutet. Das zu managen, ist die große Herausforderung.

celeda: Deshalb braucht es dabei noch mehr Beratung als bei herkömm­lichen Investments. Im Investitions­bereich ist Nachhaltigkeit eine eigene Wissenschaft. 

assets Magazin: Privatbanken - Manfred Huber

„Für die Next Generation sind Venturecapital und Start-ups viel spannender als Wertpapiere.“

– Manfred Huber – 
CEO Euram Bank AG

Kottke: Man kann mit nachhaltigen ETFs arbeiten oder die Kriterien der Bischofskonferenz heranziehen. Wir bieten sogar individuelle Nachhaltigkeits­filter. Große Familienvermögen können selber definieren, was für sie nachhaltig ist, wir investieren dann entsprechend. 

Schobesberger: Wir müssen un­sere Berater in diesem Bereich fundiert ausbilden. Für uns ist wichtig, auch jüngere Kunden für Private-Banking-Services zu begeistern. Das kann nur funktionieren, wenn wir auch Umweltthemen auf einer sachlich fundierten Ebene diskutieren können.

Fragen Kunden aktiv nach nachhaltigen Investments?

Löw: Institutionelle Kunden haben die Pflicht zur Nachhaltigkeit in ihrer Anlagepolitik festgeschrieben. Bei Privatkunden und Stiftungen steckt das Thema noch in den Kinderschuhen. Aber es ist ein Megatrend. Trotzdem muss auch das nachhaltige Investment rentabel sein. Wenn es über Jahre hinweg schlechter performt als eine traditionelle Anlage, wird man niemanden überzeugen.

eisl: Ausschlusskriterien gibt es in der Veranlagung von Stiftungen seit den 80er-Jahren. Jetzt spüren wir eine völlig neue Sicht der Dinge. Der erste Schritt muss diesmal von unserer Seite kommen, zumal sich nachhaltige Unternehmen sogar besser entwickeln als die anderen. Wir dürfen das Thema Ökologie nicht als Etikett sehen, die ganze Wirtschaft wird sich in diese Richtung entwickeln. Wir haben zwei Möglichkeiten: Entweder wir warten, bis uns der Regulator sagt, was wir tun müssen, das wird im Kreditbereich so sein und für Unternehmen aus gewissen Branchen schwierig, oder wir versuchen, am Kapitalmarkt Mittel zur Verfügung zu stellen, damit Unternehmen die Transformation zu Nachhaltigkeit schaffen. Weil am Ende wollen wir alle auch einen ökonomischen Erfolg erzielen.

celeda: Unternehmen werden nachhaltiger, weil es stark wirksame steuer­liche Incentives geben wird. Die Regeln zur Kreditvergabe sind nur ein Baustein im Belohnungssystem. Es braucht eine EU-Definition, welche Kriterien zu Bevorzugungen bei der Finanzierung führen. Die Wirtschaftlichkeit von Nachhaltigkeit ist kein Problem, auch deshalb wird Nachhaltigkeit stärker nachgefragt.

Kottke: In der Next Generation hat das Thema Nachhaltigkeit einen viel ­höheren Stellenwert. Deshalb haben wir in unserer Online-Vermögensverwaltung einen Fokus auf ESG-konforme ETFs. Denn je älter diese Next Generation wird, desto breiter wird das Thema.

wonnebauer: Die Next Generation, die viel mehr Kapital hat, beteiligt sich auch gerne an Start-ups, die nur irgendwie mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Das wirtschaftliche Risiko wird ausgeblendet. Da werden Millionen versenkt. Es ist unser Job, diese Risiken darzustellen. Natürlich können sie ihr Geld verschenken, aber es ist kein Investment. 

Haben Millennials den Kapitalmarkt als ­Alternative zum Sparbuch entdeckt?

Wonnebauer: Breites Wissen über Kapitalmärkte ist in Österreich nicht vorhanden. Durch Fintechs und Niedrigzinspolitik bauen junge Anleger zwar Schwellenangst an den Börsen ab, das volkswirtschaftliche Wissen jedoch steigt dadurch nicht, es herrscht Casino-Mentalität – die dann nachhaltige Verluste verursacht, aber die marginale Aktienquote in Österreich nicht anhebt.

Eisl: Finanzbildung ist eine unserer größten Herausforderungen. Das Sparbuch war früher ein typisches Instrument zum Vermögensaufbau, jetzt ist es zum Problem geworden. Das zu erklären, ist herausfordernd. Es geht um Vermögensaufbau, um Pensionsvorsorge, nicht ums Zocken. Es wäre eine fast soziale Auf­gabe, Beratungsgespräche mit einem Fonds-Ansparplan zu beginnen, ehe man weitere Veranlagungen bespricht.

Löw: Es gibt keinen Zinseszinseffekt mehr. Das hat eine enorme Auswirkung für die Jungen. Für längerfristige Veranlagungen muss man Investitionen in die Kapitalmärkte forcieren.  

CEleda: Als Next Generation definiere ich Kunden um die 30, die schon auf eigenen Beinen stehen. Sparbücher sind für sie kein Thema. Wer das Geld dafür hat, will ein Immobilienprojekt machen. Danach kommen Venturecapital, Private Equity oder ein Start-up. Mit Wertpapieren beschäftigt man sich kaum.

assets Magazin: Privatbanken - Nils Kottke

„ Die wesentlichen Entscheidungen werden immer im persönlichen Gespräch getroffen.“

– Nils Kottke – 
Mitglied des Vorstandes Bankhaus Spängler & Co AG

huber: Der Erfolg unserer Bemühungen zur Hebung der Aktienquote und nachhaltiger Investments wird sich ohne legistische Unterstützung leider nicht einstellen. Aber unsere Parlamentarier sind stolz darauf, keine Aktien zu besitzen. Als einer der Gründungsgesellschafter der Vorsorgekasse fair-finance könnte ich auch Bücher schreiben, wie Nachhaltigkeit zu interpretieren ist. Die Next Generation interessiert diese Diskussion wenig, für die sind Venturecapital und Start-ups viel spannender.

Kottke: Der große Schwachpunkt im System ist das Verbot für Minderjährige, Wertpapiere zu besitzen. Die haben ­deshalb gar keine Chance, mit Wert­papieren aufzuwachsen und Vermögen auf­zubauen. Das niedrige Zinsniveau verschlimmert die Situation noch.

celeda: Man müsste im Sinne einer langfristigen Veranlagung wieder die frühere Spekulationsfrist einführen. Das würde einen Boom auslösen und die Next Generation über steuerliche Incentives ansprechen …

Aber wie interessiert man Jüngere dann für Wertpapiere?

Schobesberger: Jüngere Menschen mit gutem finanziellem Background treffen häufig Investmententscheidungen im Bereich Crowdfunding und Beteiligungen an Start-ups. Aber gerade sie sind oft auch für persönliche Private-Banking-Beratung zugänglich, wenn es um langfristigen Kapitalaufbau geht. Sie haben meist tolle Jobs, aber wenig Zeit, sich selbst mit diesem Thema zu beschäftigen. 

Landen solche Kunden nicht bei Fintechs? 

Schobesberger: Das sehe ich weniger, höchstens im Kontobereich. Zudem integrieren wir Fintechs, sie sind eine Ergänzung. Man kann bei uns auch online Fondspläne abschließen, Dinge ausprobieren. Aber das gefährdet die höherwertige Beratung in keiner Weise. 

Die Berater feiern also ein Comeback auf Kosten der Digitalisierung?

Löw: Der Berater war nie weg. Das sieht man an den Wachstumsraten im Private Banking. Wir müssen uns von digital ersetzbaren Standarddienstleistungen abgrenzen. Das gelingt, indem man den Berater gut ausgebildet, ihn nicht nur fachlich fit, sondern auch zum empathischen Zuhörer und Umsetzer macht. Natürlich bieten wir dem Kunden ein digitales Umfeld nach höchsten technologischen Standards. Aber es ist wie in der Medizin: Gesundheits-Apps sind keine Alternative zum Arztbesuch.

eisl: Digitale Tools helfen uns im Alltag, sie werden in die Beratung eingebaut. Die Entwicklung solcher hybriden Modelle hat sich durch Covid enorm beschleunigt und brachte uns auf ein neues Level. Wir streben damit aber gar nicht an, Fintechs nachzumachen. Schon allein deshalb, weil bei uns die Ordergrößen in einer ganz anderen Dimension sind.  

Kottke: Wer kein digitales Angebot hat, gefährdet sein Geschäftsmodell. Die Kommunikationswege werden vielfäl­tiger, wesentliche Entscheidungen trifft man aber im persönlichen Gespräch. 

celeda: Wir haben auch Angebote wie eine Zahlungs-App, weil Kunden so etwas einfach haben wollen. Man muss sich nur den Aufwand überlegen, den man in solche Anwendungen investiert. Das rein digitale Angebot von Fintechs finde ich insofern gut, als es hilft, dass sich junge Menschen mit Aktien beschäftigen. Auf Dauer verdienen sie aber kein Geld damit und kommen dann zu uns.

assets Magazin: Privatbanken - Wilhelm Celeda

„Man vertraut den Banken. Es gab keine Geld-abhebungen, nur verstärkte Investitionen in Gold.“

– Wilhelm Celeda – 
CEO Kathrein Privatbank AG

Nehmen sich Kunden wieder mehr Zeit für die Vermögensberatung?

Huber: Definitiv. Weil emotionale The­men mehr berühren. Das persön­liche Gespräch ist durch nichts zu ersetzen. Es ist auch eine Frage des Vertrauens, das baut man nicht über Web-Konferenzen auf.

wonnebauer: Wir brauchen neben der künstlichen auch eine emotionale Intelligenz. Je wichtiger eine Entscheidung ist, desto wesentlicher sind Information und ein Sparringpartner. Das ist unser Job, es zählt auch die Erfahrung.

Wird das Vertrauen durch die spektaku­lären Pleiten in jüngster Zeit im Finanz­bereich erschüttert? Haben die Kontroll­instanzen und Basel-Vorschriften versagt? 

löw: Betrug kann immer passieren. Die Frage ist, wie es auf diese Art und Weise passieren konnte. Wieso ist bei der Commerzialbank der Prüfling im Prüfprozess eingebunden? Und zu Wirecard: Bei Parmalat und Enron versprachen uns die Prüfgesellschaften, dass so etwas nie wieder passiert. Und jetzt ist es zehn Jahre danach erneut geschehen. 

Eisl: Ich hielt einen Fall wie die Commerzialbank für unmöglich. Wir müssen der FMA genau erklären, wie wir die Ausbildung zum Compliance Officer sicherstellen, alle Lebensläufe offenlegen, jeden Vorgang melden und dokumentieren. War das im Burgenland anders? Die Einlagensicherung hat für die Commerzialbank bisher 490 Millionen Euro ­ausbezahlt. Diese Dimension kann ich angesichts unserer täglich erlebten Prüfpraxis einfach nicht verstehen. Es ist auch ein Corporate-Governance-Thema: Alle Regeln der Aufsicht wurden verletzt. 

Huber: Ich bin zutiefst betroffen, wir haben nur Nachteile durch diese Skandale. Am meisten stört mich, dass schon alle Fakten auf dem Tisch lagen und trotzdem nicht früher untersucht wurde. Die Rechnung zahlen wir jetzt alle gemeinsam, um das System stabil zu halten.

wonnebauer: Wir brauchen deswegen aber nicht noch mehr Gesetze, noch mehr Regulatorien. Wir haben davon reichlich. Es genügt, wenn Prüfer und Aufsicht ihren Job richtig machen.

celeda: Bei Wirecard war offensichtlich Bestechung im Spiel. Bei der Commerzialbank gab es zwei Anzeigen der FMA bei der Staatsanwaltschaft, die nicht weiterverfolgt wurden. Das hat mit MiFID und Co. zu tun. Die Regulatorien haben schon etwas für den Markt gemacht, wirklich Transparenz geschaffen. Auch die FMA ist nicht mehr böser Polizist, sondern sucht den Dialog. Mich stört die Entmündigung der Kunden, die teilweise nicht mehr kaufen dürfen, was sie möchten. Man treibt sie dadurch aus den regulierten Märkten. 

Kottke: Wir haben eine Compliance, eine interne Revision, einen Aufsichtsrat, einen Wirtschaftsprüfer, eine Aufsicht – fünf Ebenen, die Vorgänge wie in der Commerzialbank verhindern. So etwas wie Burgenland darf nicht passieren. Das kostet uns sehr viel Geld und schädigt die Reputation kleiner Finanz­häuser. Die Reaktion der Politik ist absehbar, es werden mehr Regeln gefordert. Wir haben aber schon genug Regeln, es geht um eine effektivere Umsetzung. Man muss den Information Overload ver­hindern, um aus dieser enormen Fülle an gesammelten Informationen auch noch das Wesentliche herauslesen zu können. 

Schobesberger: Mich hat bei der Commerzialbank vieles verblüfft. Ganz besonders die Unverfrorenheit, mit der Privat- und Unternehmenskunden vom Management der Bank über Jahre hinweg betrogen wurden.    ←

Copyright: © Philipp Tomsich