In ist, wenn’s dein Gin ist – Der Weg zum eigenen Gin-Label

Das cremefarbene Fixie-Bike lehnt lässig an der Ziegelwand unter den Stadtbahnbögen am Wiener Donaukanal. Gestützt von einem Fritz-Cola-Kühlschrank im Kleinformat. Mal­utensileien der eingemieteten Künstlerinnen belegen die Hälfte des Ziegelgewölbes. Ginfläschchen im Apothekerlook zieren die Regale im Shabby-Chic-Stil. Und zum Interview kommt Produktmanager Andreas Wurbs, einst Manager von Marko Arnautovic, davor Webdeveloper und Wirtschaftsinformatiker. Ein Mann, der nicht nur Gin, Rum und Botanicals versteht, sondern auch etwas von Marke und Vermarktung. Mehr Hipster geht nicht.

Kreieren, kosten, kaufen

Die Bootleggers machen seit 2016 Spirits nach Maß. Vom Geschmackskonzept bis zur fertigen Flasche sitzen die Kunden mit am Tisch. Kreieren, kosten, kaufen. Den Namen haben sich die Gin-Doktoren von der Prohibition geliehen. Im Amerika der 1920er-Jahre versteckten Trinkfreu­dige den Flachmann mit Selbstgebranntem gerne im Stiefelschaft – im Bootleg. Mit Fusel hat die Truppe im Ziegelgewölbe aber so gar nichts am Hut.

Qualität und Quantität

Der meiste Aufwand in der Produkterstellung geht in die Servicierung der Kunden. Konzeptgespräche, erste Verkostungen, Feedbackschleifen: Das Produkt soll zu hundert Prozent zur Marke passen. Haben sich die Kunden erst einmal für eine Richtung entschieden, geht es oft ganz schnell. „Vom ersten Kennenlernen bis zur fertigen Flasche schaffen wir es in sechs Wochen. Vorausgesetzt, die Kunden können sich schnell entscheiden“, sagt Andreas Wurbs, Produktmanager von Bootleggers. 100 ist die magische Zahl: Weniger Flaschen pro Eigenkreation zahlen sich für das 18-köpfige Team nicht aus.

Gin ist nach wie vor das Aushängeschild. „Manche stöhnen und meinen: ,Schon wieder Gin!‘ Aber das trinken die Leute eben einfach am liebsten. Und Gin bietet bei den Spirits die größte Spielwiese für den Einsatz von Botanicals“, sagt Wurbs. Botanicals („ein cooleres Wort für Kraut“) sind Auszüge, die aus Kräutern, Wurzeln, Blüten oder Früchten gewonnen werden. Latschenzapfen und Kiefernsprossen zählen ebenso zum Repertoire wie Kalamasi (eine Mischung aus Kumquat und Mandarine). „Für einen Gemüsebauern machen wir einen fabelhaften Tomaten-Gin. Für einen Erdäpfelbauern aus Bayern einen Kartoffel-Gin. Es muss stimmig sein und schmecken.“ Gerade experimentiert Wurbs übrigens an einem Spargel-Gin. Der ist eher auf der, sagen wir, gewöhnungsbedürftigeren Seite.

Kein Stern, aber immerhin ein Schnaps, der deinen Namen trägt: Die Bootleggers kreieren edle Spirituosen nach Maß.

Rum-Machen mal anders

So gut das Geschäft mit dem Gin läuft – auf dem aufsteigenden Ast ist derzeit Rum. Die Freude, einen vollmundigen und samtigen Rum am Gaumen zu spüren, hat sich mittlerweile auch bis Österreich durchgesprochen. Dafür war Produktmanager Wurbs erst kürzlich in Mosambik, um nach Geschäftspartnern zu suchen. Das Projekt ist allerdings ein langfristiges: Vom Anbau des Zuckerrohrs bis zur ersten Destillat-Kostprobe vergehen drei Jahre. Und ab da wird weiter gelagert und modifiziert. Denn Rum, der etwas auf sich hält, lagert gut und gern zehn Jahre. Nach oben sind dem edlen Tröpferl kaum Grenzen gesetzt.

Das geht nicht einfach so in Mexiko

Auch die Nachfrage nach hochqualita­tivem Tequila steigt. Wie guter Rum kein Cola braucht, muss sich auch guter Tequila nicht hinter Salz und Zitrone verstecken und als reines Vehikel zum Umhacken in dunstigen Nachtclubs dienen. Allein – Tequila ist herkunftsgeschützt. Man muss die eigene Marke in Mexiko registrieren, um etwas vom flüssigen Gold abzubekommen. Und wie das so ist mit den Behörden – die Beamtenmühlen mahlen unterm Sombrero halt auch nicht schneller als unterm alpenländischen Filzhut.

Mehr Mut zu Wermut

Schon 2013 besang die Wiener Band Bilderbuch den Wermut. Zeit, dass dem Kraut und Getränk auch die Bootleggers huldigen, findet Andreas Wurbs. Unter Wermut versteht man Wein, der mit zusätzlichem Alkohol aufgespritet und mit verschiedenen Kräuterauszügen (unter anderem Wermutkraut) veredelt wird.

Das Ergebnis ist ein spritziges aromatisches Getränk mit 14,5 bis 21,9 Prozent Alkohol. Je nach Zugabe kann der Wermut süßlicher oder auch herber und bitterer sein. Der Begriff Wermut sei noch zu sehr mit Schwere behaftet, so Wurbs: „Man muss da ein wenig mehr Leichtigkeit reinbringen.“

Wermut kann ein großartiger Weg sein, Weißwein zu veredeln und ihn so vor dem sprichwörtlichen Verderben zu bewahren. „Einen Grünen Veltliner musst du schnell verbrauchen, bevor er nicht mehr schmeckt“, so Wurbs. Durch das Veredeln zum Wermut blieben Winzer nicht auf ihrer Ware sitzen, denn die Beigabe von Alkohol und Botanicals verlängert die Haltbarkeit und vor allem die Genießbarkeit des Weins.

„Vom ersten Kundenkontakt bis zum Abfüllen dauert es sechs Wochen.“
– Andreas Wurbs –
Product Manager Bootleggers

Lieber geistreich als bleifrei

Trends hin oder her – beim Hype der alkoholfreien und Low-Alcohol-Drinks wollen die Bootleggers nicht mitmachen. „Wir sind auf Spirits spezialisiert. Der Alko­­holgehalt intensiviert das Ge­schmacks­erlebnis – die Botanicals und Aro­men treten viel stärker hervor“, erklärt Wurbs. Außerdem kämen Kunden zu ihnen, um „echten“ Gin, Whisky oder Rum zu kaufen. Wer nur Kräuterauszüge wolle, sei besser beraten, Tees anzusetzen, diese abkühlen zu lassen, um sie dann frisch in Drinks zu verwenden: „Der fehlende Alkohol in Kombination mit pflanzlichen Ölen macht alkoholfreie Auszüge dieser Sorte extrem schnell verderblich.“

Was die Bootleggers aber sehr wohl herstellen, sind Sirupe und Liköre. Diese lassen sich zu alkoholfreien oder alkohol­ärmeren Cocktails oder Longdrinks mixen, ohne auf Haltbarkeit und Geschmacksqualität zu verzichten. Auf diese und andere Produkte der Bootleggers setzen heute schon rund 400 Kunden. Die meisten aus dem Ausland. Den meistgereisten Gin schicken die Bootleggers übrigens nach Thailand. Damit das Pad Thai nicht so im Magen liegt.   ←