assets Magazin: Tequila von Padre Azul

Schnaps-Idee

Großkonzerne findet Hans-Peter Eder nicht so toll. Für ihn sind sie Geburtsstätten von Stress, Hierarchien und der Unart, zu wenig Zeit für das Wesentliche zu haben. Dass es auch ganz anders geht, weiß Eder, seit er Tequila produziert. Denn: Zeit ist die wichtigste Zutat im mexikanischen Signature-Drink. Schon die Basispflanze, die Agave, muss ganze acht Jahre reifen, bevor sie geerntet werden kann. Schonend, behutsam und vor allem langsam geht es dann in der Verarbeitung weiter. Fehlt die Geduld dazu, bleibt die Qualität des Destillats aus. Erfahrungen, die eine Kultur prägen. „In Österreich sind Menschen gehetzt. In Mexiko hingegen ist man offen, redselig, nimmt sich Zeit füreinander. Man versteht aber auch, wenn man einmal eine Stunde zu spät ist“, erzählt Eder. „Ich wollte einen Tequila produzieren, der genau diese Kultur nach Europa transportiert.“ Deshalb gründete er Padre Azul.

Ein mutiges Unterfangen. Denn: Auf eine weitere Variation von Agavenschnaps wartete in Europa eigentlich niemand. Im engeren Wortsinn bittere Erlebnisse prägten im vorigen Jahrtausend den Kontinent. Tequila kam im Stamperl, Salz und Zitrone wurden frei Haus mitgeliefert. Genuss war das keiner, man hoffte auf schnelle Wirkung und wirksame Kopfwehtabletten am „day after“. Der Ruf der mittelamerikanischen Exportware war ruiniert, Genießer nippten an Whiskey, Rum und Gin. Und hätten dabei fast das Revival der Agave verpasst.

„Mein Tequila soll mexikanische Offenheit nach Österreich holen.“

Hans-Peter Eder –
Der „Padre“ von Padre Azul

Denn Tequila kann plötzlich auch Premium, sehr zur Freude US-amerikanischer Augenärzte. Der nördliche Nachbar ist nämlich seit jeher Hauptabnehmer des gebrannten mexikanischen Stolzes. Sonst mochte man Tequila außerhalb seiner Heimat eigentlich nur in Großbritannien. Was sich seit 2017 radikal ändert. Eine Auswertung von „IWSR Drinks Market Analysis“ zeigt: Der globale Tequila-Absatz stieg in den vergangenen drei Jahren um neun Prozent. Nur der Durst nach Gin war dynamischer, die Hipster-Spirituose legte um zwölf Prozent zu. 

assets Magazin: Stefan Lackner, Hans-Peter Eder
Die Padre-Azul-Macher Stefan Lackner und Hans-Peter Eder.

Wow-Momente

Eders Padre Azul liegt also im Trend. Und trotzdem hätte sein Erfinder jetzt fast alles verloren. Aber der Reihe nach. Die Inspiration zur Tequila-Produktion kam aus zutiefst persönlichen Gründen. Der Öster­reicher verliebte sich in eine Mexikanerin, im ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends folgte der Antrittsbesuch bei den Schwiegereltern. Samt Initiations­ritual. Plötzlich stand eine Flasche Tequila auf dem Tisch. Ein zaghaftes „Salud¡“ später erlebte Eder seinen „persönlichen Wow-Moment“. Statt der erwartet ätzenden Schärfe meldete der Gaumen leicht süßliche Samtheit und komplexes Aromenspiel. „Das war 100 Prozent Agave“, erzählt Eder heute. „Ich kannte wie die meisten anderen in Österreich nur sogenannte Mixtos. Diese enthalten nur 51 Prozent Agavendestillat. Der Rest sind qualitativ schlechte Alkohole.“ Beseelt von Qualität, mexikanischer Lebensart und der Unterstützung der Schwieger­eltern witterte Eder einen Exportschlager. Gemeinsam mit Freunden aus der österrei­chischen Heimat gründete man ein entsprechendes Unternehmen und ging auf die Suche nach der passenden Marke. Bis Señor Alvarez, der Herr Schwiegerpapa, zur Selbsthilfe riet. Schließlich ist Hans-Peter Eder Sohn eines hoch angesehenen Schnapsbrenners aus dem Pinzgau. Als solcher weiß er aber auch um die geschmackliche Sensibilität von Hochprozentigem. „Was ich von meinem Vater gelernt habe, ist die Genauigkeit. Dass es – egal ob bei Vogelbeeren oder der Agave – keine Fäule geben und kein Schmutz dazukommen darf. Es ist eine Dedikation zur Einzelheit.“ Schließlich wurde eine kleine Destillerie in Amatitán gefunden, nahe der Ortschaft mit dem bezeichnenden Namen Tequila. Dann wurde experimentiert: mit Öfen aus Vulkangestein, niedrigen Temperaturen zur Zuckerschonung, speziellen Hefen, dem Mahlgrad der Agaven, Sauerstoffanreicherung und richtigen Zeitpunkten. Sogar die Flaschen werden vor der Erstfüllung mit Tequila ausgespült, um falsche Geschmacksnuancen zu vermeiden. Das Ergebnis dieser aufwendigen Versuche: Padre Azul, dem Kenner und Tester unvergleichliche Milde und komplexe Aromen testieren. Ein Drittel des Outputs kommt sofort in die Flasche, ein zweites darf in alten Whiskey-Fässern aus Eiche mindestens acht Monate lang Vanille- und Zimtaromen entwickeln und kommt als Reposado auf den Markt. Der Rest wartet mindestens 18 Monate im Fass und ist dann Añejo, das heißt übersetzt zwar einfach nur alt, könnte aber auch für unvergleichlich gut stehen. „Das Destillat ist das Gleiche wie beim Blanco, aber durch die lange Lagerung verändert sich die Struktur grundlegend: Während beim Blanco noch das fruchtige Aroma der Agave dominiert, kommen bei den gelagerten Sorten süßliche Noten wie Vanille, Zimt und Schokolade hinzu“, erklärt Eder stolz. „Bei Rum ist das nichts Ungewöhnliches, aber von Tequila ist das kaum jemand gewöhnt, das überrascht die meisten.“ Tatsächlich attestieren erfahrene Verkoster dem Padre Azul die Zugehörigkeit zum schmalsten Kreis der Tequila-Weltspitze.

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Über das 2014 gegründete Tiroler Unternehmen Tradition Mexico GmbH von ­Padre-Azul-Mitbegründer Stefan Lackner kommt die hochwertige Spirituose an kenntnisreiche Kunden, vorerst nur in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Weitere Länder kommen dazu, auch in den USA gelingt der Markteintritt und wird sogar bejubelt. 2019 werden 30.000 Flaschen an Kunden aus 20 Ländern ­ge­liefert, darunter, so heißt es, auch an ­prominente Mitbürger wie Arnold Schwarzenegger oder Handballstar Stefan Kretzschmar. In den VIP-Lounges der Partyszene in Ibiza wurde Padre Azul sogar zum festen Bestandteil, eine edel verpackte Sonderkollektion wurde in Kooperation mit dem Kristallkonzern Swarovski entwickelt.

„Bei Rum kennt man solche Aromen, bei Tequila sind die meisten überrascht.“

Hans-Peter Eder –
über die Vorteile der Tequila-Alterung

Erfolgsbremse

Dann kam Covid. Im März brachen die Umsätze stark ein. Der Höhenflug endete abrupt. „Wir waren kurz vor dem Aus. Einerseits sahen wir unser Lebenswerk vor die Hunde gehen. Andererseits war der Einbruch auch eine Katastrophe für unsere Mitarbeiter, vor allem in Mexiko. Das Land ist schrecklich arm“, sagt Eder. Durch die überschaubare Unternehmensgröße mit 15 Mitarbeitern konnte jedoch flexibel agiert werden. Padre Azul stellte auf Onlinevertrieb um, veränderte und optimierte Unternehmensprozesse.

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Nach einigen harten Monaten steigen die Umsätze nun wieder. „Manche Mitarbeiter konnten mit der Unsicherheit schlechter umgehen“, sagt Eder. „Andere meinten: ‚Jetzt erst recht!‘“ Eine wichtige Zutat für Krisenzeiten? Wiederum eines: Zeit. Oder, wie der Österreicher sagt: „Man muss es derwarten können.“ Hans-Peter Eder hat diese Geduld. Und könnte mit seinem Padre Azul einer der ganz großen Stars im Tequila-Business werden.   ←

Fotocopyright Luis Ramires (www.fotografiaprofesional.net), Padre Azul