assets Magazin: Meisterzeichnungen - Große Namen für wenig Geld

Meisterzeichnungen

Große Namen für wenig Geld

Der Ursprung vieler wichtiger Gemälde ist die Skizze. Allerdings galten Skizzen lange nur als Vorbereitung auf das eigentliche Werk und waren auf dem Kunstmarkt kaum gefragt. Inzwischen haben Sammler den Charme und die Spontaneität der Papierarbeiten entdeckt. Auf dem Markt kommt diesem Sektor daher wachsende Bedeutung zu.
„Es hat zuletzt einige hervorragende Ausstellungen gegeben, die auch der Zeichnung entsprechende Präsenz gaben“, sagt Gregory Rubinstein, Experte für Meisterzeichnungen bei Sotheby’s. Die Ausstellung zum 500. Todestag des italienischen Renaissance-Meisters Leonardo da Vinci im Pariser Louvre im Vorjahr etwa zog 1,1 Millionen Besucher an. Sie hatte mehr als 160 Exponate vereint, darunter elf Ge­mälde und über 70 Zeichnungen. Oder die Ausstellung „Michelangelo: Divine Draftsman & Designer“ im New Yorker Metropolitan Museum 2017, die mehr als 200 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen, Notizen und Architekturmodelle des italienischen Künstlers, der vor allem für seine Fresken in der Sixtinischen Kapelle in Rom bekannt ist, zeigte. Dank Blockbuster wie diesen standen Zeichnungen vermehrt im Rampenlicht, so Rubinstein. Er beobachtet, dass zuletzt mehr Sammler aus dem zeitgenössischen Segment Altmeisterzeichnungen kauften. „Die zeitgenössischen Sammler interessiert der kreative Prozess, der anhand der Zeichnungen nachvollziehbar ist, das finden sie spannend“, so Rubinstein.

Preise steigen

Trotz steigender Beliebtheit ist der Markt für Meisterzeichnungen kein Spekulationsmarkt. „Sammler kaufen nicht wegen des Status, sondern wegen des Werks“, betont Rubinstein. Zwar seien die Preise kontinuierlich im Steigen begriffen, aber immer noch bekomme man gute Zeichnungen von einem bekannten Künstler um den Bruchteil eines entsprechenden Gemäldes. „Man bekommt eine Zeichnung von Tiepolo für 10.000 US-Dollar, und zwar eine sehr schöne“, nennt Rubinstein ein Beispiel. Auch wenn der Großteil der Zeichnungen noch sehr erschwinglich ist, schaffen es einzelne Werke in die Millionenliga. Für die einzige eigenhändige Studie von Andrea Mantegna für seinen berühmten Zyklus mit dem Triumph Cäsars bewilligte heuer im Jänner bei Sotheby’s ein Käufer 11,7 Millionen US-Dollar,. Im Jänner des Vorjahres erzielte das Haus für eine Zeichnung von Peter Paul Rubens in New York 8,2 Millionen US-Dollar, und Konkurrent Christie’s schlug zuletzt im Dezember 2018 in London eine Zeichnung von Lucas van Leyden für zehn Millionen Pfund zu. Den Rekord für die teuerste Altmeisterzeichnung hält aber Sotheby’s für einen „Kopf eines jungen Apostels“, eine Studie zu Raffaels Meisterwerk „Die Transfiguration“, an dem der Maler bis zu seinem Tod 1520 gearbeitet hat und das zu den berühmtesten Werken des Künstlers zählt. Diese Studie erzielte 2012 29,7 Millionen Pfund.

Was den Wert bestimmt

Auch das Wiener Dorotheum kann immer wieder mit schönen Steigerungen im Segment Altmeisterzeichnungen aufwarten. „In unserer letzten Herbstauktion hatten wir eine Zeichnung von Jusepe de Ribera mit der Studie eines Drachen aus der Sammlung des italienischen Kunsthistorikers Giancarlo Sestieri, die wir für 57.800 Euro verkauft haben. Ribera ist einer der bedeutendsten Künstler auf dem Altmeistermarkt. Während Gemälde von ihm relativ häufig zur Auktion kommen, sind seine Zeichnungen vergleichsweise selten. Auch das Sujet des Drachen und die bedeutende Provenienz der Zeichnung waren besonders attraktiv und haben zu dem guten Ergebnis beigetragen“, sagt Astrid-Christina Schierz, Dorotheum-Expertin für Meisterzeichnungen. Seltene Blätter bedeutender Künstler zählen zu den gefragtesten Objekten. „Eine große Rolle spielen hier oft das Erscheinen neuer Werkmonografien und Ausstellungen in Museen, die die Wertschätzung für einen Künstler und die Nachfrage steigern können“, sagt Schierz. Wie eigentlich quer durch den gesamten Kunstmarkt sind bei Gemälden alter Meister und auch bei Zeichnungen die bekanntesten Namen der Kunstgeschichte die gefragtesten, in diesem Segment etwa Veronese, Tintoretto, Maratta, Ribeira, Guercino, Carracci, Jordaens, um hier nur einige zu nennen. Entscheidend für den Preis einer Meisterzeichnung ist laut Schierz aber auch das Sujet bzw. der Zusammenhang mit einem bekannten Werk des Künstlers, sofern es sich um eine vorbereitende Skizze für eine Komposition oder eine Detailstudie zu einer Figur handelt.
Viele Sammler dieser Sparte spezialisieren sich jedoch nicht unbedingt auf einen gewissen Künstler, sondern sammeln eine bestimmte Epoche oder Region, wobei italienische Zeichnungen vom 15. bis zum 18. Jahrhundert besonders gefragt seien, so die Expertin.
„Der Markt für Meisterzeichnungen beinhaltet ein großes Spektrum verschiedener Genres wie Landschaften, Mythologie, religiöse Szenen, Aktstudien und Porträts. Die Geschmäcker sind sehr verschieden, und so setzen Sammler unterschiedliche Schwerpunkte, je nachdem, welchem Bereich sie sich widmen möchten“, zählt sie auf. Rubinstein sieht einen klaren Trend weg von dekorativen Arbeiten hin zu intensiven oder kulturell spannenden Momenten. „Eine Studie einer leidenschaft­lichen Schlachtszene von Goya ist heute deutlich mehr wert als noch vor 15 Jahren.“ Auch deshalb sei die Renaissance heute gefragter als die französische Kunst des 18. Jahrhunderts. „Natürlich hängen die Preise auch mit der Verfügbarkeit zusammen. Seltenes erzielt viel mehr“, ergänzt Rubinstein. Und natürlich seien Neuentdeckungen sehr beliebt, wie zuletzt der Mantegna.

Schnäppchen

Doch gerade diese Sparte bietet noch Chan­cen auf Schnäppchen: „Neben den großen Namen gibt es auch gute Künstler in der zweiten oder dritten Reihe, die vielleicht nur dem Umkreis oder der Schule ­eines bekannten Meisters zugeschrieben werden und dennoch eine gute Qualität besitzen. Wenn man sich auf eine bestimmte Epoche oder ein Genre spezialisieren möchte, könnte man in diesem Bereich sicherlich noch Schnäppchen ma­chen“, rät Schierz. Im Oktober etwa konnte das Dorotheum mit einer Wiederentdeckung aufwarten. Es handelt sich um das bekannteste Selbstbildnis mit Hut von „Max und Moritz“-Erfinder Wilhelm Busch. Bei Sotheby’s hat man die nächste Chance im Dezember bei einer Onlineauktion. ←