Maserati MC20 als radikaler Neubeginn: 630 PS aus dem neu entwickelten Dreiliter-V6, und der offene MC20 Cielo ist auch schon auf der Welt.

Jetzt und in Ewigkeit

Die Fans mussten oft stark sein, die Marke war es ja auch: Maserati war mehrmals am Abgrund, oft auch schon ein wenig drüber. Dass sich die Rettung jedes Mal ausging, und das obendrein in aller Schönheit, ist den glücklichen Fügungen einer wechselvollen Historie geschuldet, und meistens waren die neuen Modelle schnurstracks unterwegs zu Legenden. Die Personen drumherum auch, aber nicht immer auf direkter Linie.

Derzeit nimmt Maserati bei den Modellen ordentlich Schwung, die Produktions­zahlen haben sich während der letzten
20 Jahre ungefähr verzehnfacht, von 1.970 im Jahr 2000 auf 17.000 im letzten Jahr. 2017 mit 51.500 produzierten Denkmälern ist allerdings schon wieder deutlich außer Reichweite, und die 26 letztjährigen Neuzulassungen in Österreich sind ein drolliger Ausgangspunkt, um auf die letzten 108 Jahre zurückzuschauen.

SUV bereichern Maseratis Historie erst seit 2016. Mit dem Grecale kommt neben dem Levante soeben ein zweites SUV in die Modellpalette, um 15 Zentimeter kompakter, aber mit seinen 4,86 Metern Länge wird ihn auch ihn niemand übersehen.
Da winden sich die Fans der schlanken Schule natürlich ein bisserl, denn jetzt ist fast die halbe Modellpalette hochbeinig: Grecale und Levante stehen Ghibli und Quattroporte als viertürige Sportlimou­sinen zur Seite – und der sehr neue MC20, als Sportwagen radikaler als die Sportcoupés der Jahre davor.

Der Maserati zur Zeit

Überhaupt, der Grecale: zielt direkt auf Porsche Macan, wird in seiner flinksten Darreichungsform vom ebenso neuen
wie fantastischen Nettuno-Dreiliter-V6 befeuert, der dank Doppelturbo und Vorkammerzündung 530 PS und 620 Nm an die Achtgang-Automatik weiter­reicht. Wem durchaus flotte 300 oder 330 PS genügen, wird mit einem Zweiliter-Turbomotor mit Mild-Hybrid-Unterstützung bestens bedient. Und muss damit zurechtkommen, lediglich vier Zylinder unter der Haube zu wissen, aber Maseratis Sounddesigner halten ausreichend Trost bereit.

Von Anfang an. Als Alfieri Maserati am 1. Dezember 1914 die Società Anonima Officine Alfieri Maserati gründet, sind bald auch seine Brüder Bindo, Ernesto und Ettore dabei – zwei Brüder aber fehlen: Carlo, der Älteste und ebenso rennsportaffin, ist bereits 1910 an Tuberkulose verstorben, mit lediglich 29 Jahren. Und Mario Maserati bleibt seiner Künstlerlaufbahn treu, schenkt der Firma seiner Brüder aber 1926 das ewig gültige Logo. Den Dreizack, eine altertümliche Stichwaffe, schaut er sich vom Neptunbrunnen in Bologna ab, das Logo kommt zwölf Jahre nach der Firmengründung und dennoch rechtzeitig zum ersten eigenen Rennwagen.

Erste Aufwärmrunden

Die Jahre davor widmeten sich die Brüder Maserati der Konstruktion und Verfeinerung von Rennwagen im Kundenauftrag, zuerst für Isotta Fraschini, später für Diatto, einen ehemaligen Eisenbahnhersteller, der 1906 zu Automobilen geschwenkt war. Diatto aber ist 1926 bankrott und kann die offenen Rechnungen nicht mehr bezahlen, also schickt Maserati den fertigen Rennwagen als Familienangelegenheit zur Targa Florio: Unter eigenem Namen und mit Alfieri Maserati am Steuer gewinnt er mit dem Tipo 26 ohne Federlesens die 1,5-Liter-Klasse. Danach werden die Rennsporteinsätze schon wieder etwas spärlicher, die Er­folge natürlich auch.

Alfieri Maserati verstirbt 1932, seine Brüder machen weiter, rollen 1936 den Maserati Tipo 6CM auf die Rennstrecken und gewinnen bis Kriegsbeginn 19 Rennen.

Die Firma aber gehört ihnen da schon länger nicht mehr. Als die Finanzdecke nicht mehr tragfähig ist, wird sie vom Stahl-Industriellen Adolfo Orsi 1937 massiv verstärkt, als neuer Besitzer en­gagiert er die Maserati-Brüder für zehn Jahre als Berater. Sie fallen vor allem mit ­ihrem Hang zum kontroversiellen Standpunkt auf, wollen weiterhin Feinkost in winzigen Stückzahlen liefern und gründen 1947 das Officine Specializzata Costruzioni Automobile (OSCA), ein astreines Konkurrenzunternehmen. 

Adolfo Orsi aber möchte expandieren. Gemeinsam mit seinem Sohn Omar Orsi widmet er sich ab 1950 ausschließlich Maserati, mit dem 250F entsteht 1953 einer der erfolgreichsten Rennwagen der 50er. 1954 geht der 500. Pokal an Mase­rati, Juan Manuel Fangio wird mit seinem 250F im Jahr 1957 Weltmeister – die Erträge bleiben dennoch dürr, daran kann auch der Maserati A6 als erster Straßensportwagen nur wenig ändern.

 
Mit dem 3500 GT ist Maserati gerettet, nicht zum letzten Mal. Zum Coupé kommt 1960 ein ebenso hinreißender Spider.

Ein Meisterwerk auf Befehl

Also erteilen Vater und Sohn Orsi die Order, der nächste Straßensportwagen möge endlich Geld verdienen. Auf Befehl liefert Chefkonstrukteur Giulio Alfieri ein Meisterwerk: Der Maserati 3500 GT mit seinem wunderbaren DOHC-Reihensechszylinder gilt bis heute als technisches und formales Kunstwerk, solide bei feingliedriger Gestaltung, aufregend, aber im Alltag zuverlässig und frei von divenhaften Spompernadeln, der Motor brüllt und knurrt mit besten Manieren, manch Fan soll bei Klassiktreffen schon sabbernd vor einem 3500 GT gesichtet worden sein, da leidet die Ästhetik natürlich ein wenig.

Mit seinem Erscheinen spielt der 3500 GT tatsächlich Geld ein, gerade rechtzeitig vor der drohenden Pleite, und Omar Orsi erweitert sukzessive die Modellpalette: Zum 3500 GT mit Touring-Karosserie kommt der Spider von Vignale, ein Entwurf von Giovanni Michelotti, diesem Workoholic anbetungswürdigen Autodesigns.

1963 erschließt Orsi mit dem Quattro­porte auch das Segment viertüriger Sportlimousinen, und der Ghibli begründet die wunderbare Tradition, Maseratis nach Winden zu benennen. Winden aus der Mittelmeer-Gegend.     

1968 ist Maserati abermals pleite, so kommt die Marke zu Citroën und Citroëns Hochdruck-Hydraulik in Maseratis. Me­rak und Bora können die Marke nicht retten, und 1975 wird Citroën selbst von Peugeot übernommen. Maserati ist wieder einmal beinahe tot.

Auftritt Alejandro de Tomaso. Herr de Tomaso kauft damals grad emsig Marken mit legendärem Namen ein, neben der schnörkellos nach ihm selbst benannten Sportwagenmarke führt er noch Caroz­zeria Ghia, später auch Benelli und Innocenti. 1975 lässt er sich vom gerade selbst zahlungsunfähigen italienischen Staat Geld zuschießen, er übernimmt die Leitung bei Maserati und denkt auch gleich an ein neues Modell. Altes war ja eher keines mehr übrig.

Alejando de Tomaso als verhaltensoriginell zu bezeichnen, umreißt die Wirklichkeit nur rudimentär: Sein Talent zum langen Atem liegt jedenfalls deutlich hinter seinem Hang zum cholerischen Ausbruch zurück, so wird er allemal zur schillernden Persönlichkeit unter den extrava­ganten Autoherstellern. Weniger schillernd ist der Maserati Biturbo, mit dem er seine Marke zum, na ja, Massenhersteller hochjazzen will: Als Italiens Antwort auf den 3er-BMW ist der Biturbo zwar ein brillanter Entwurf, aber von fast schrulliger Unauffälligkeit außen und etwas zickig bei der Technik. Dennoch rettet der 1981 präsentierte und über mehrere Evolutionsschritte hinweg produzierte Bi­turbo die Marke über die erste Hälfte der 80er-Jahre hinweg, dann knabbern die Qualitätsmängel am Ertrag.

De Tomaso gewinnt zuerst Chrysler als Investor, später Fiat, 1993 übernimmt Fiat die gesamte Marke und unterstellt sie 1997 Ferrari, eine Rettung mit veritabler Demütigung. Schließlich legen Maserati-Fans Wert auf die Feststellung, ein wenig dezenter und stiller aufzutreten als jene von Ferrari, da bleibt Raum für allerlei grimmige Diskussionen. Diskussionslos gelungen ist aber 1998 der Maserati 3200 GT mit seinen Bumerang-Rücklichtern, Aufbruch in eine neuerliche Zeit der Schönheit und der technischen Brillanz, schon die Uhr der neuzeitlichen Maseratis gilt als Designikone, und diesmal hält auch die Qualität mit dem Auftritt mit.

Die oberste Marke

Aktuell gehört Maserati zum Stellantis-Konzern, da wälzen sich wieder ein paar Fans weinend auf dem Spannteppich. Zur Milderung der Schmerzen hat der weit verzweigte Konzern Maserati quasi zur obersten Marke gemacht, also taktangebend bei Luxus, Technik, auch wieder im Motorsport. Das zu unterstreichen, soll etlichen neuen Modellen gelingen, die schon bald behutsam unser Straßenbild mitzeichnen werden. Auch auf der neuen, rein elektrischen Folgore-Plattform.

Sorry für den letzten Satz, liebe Fans der alten Schule, gewiss wird auch diesmal ­alles gut.   ←