Automobil – Das beste aller Welten

Die Vergangenheit war gut, und die Gegenwart ist es auch. Da kann man leicht auf die Idee kommen, beides zu verbinden, bis ein Oldtimer nur mehr ein halber ist, aber doppelt so viel Spaß macht.  Text: Rupert Streiter

Sogar die Petrolheads von Top Gear empfahlen den Jaguar E-Type Zero. Trotz seines Armaturenbretts mit Mitteldisplay, trotz 300.000 Pfund am Preisschild.

Glaubhaft überliefert ist die Geschichte eines Oligarchen, der bei einem niederösterreichischen Oldtimerrestaurator vorstellig wurde und das Begehren nach seinem ersten Auto äußerte. Dieses Auto war ein Moskwitsch, aber nicht der mit den zarten Heckflossen, wie wir ihn aus unserer Jugend kennen, sondern das von 1947 bis 1955 gefertigte Urmodell. Weil dieser erste Moskwitsch von Fließbändern rollte, die davor als Reparationszahlung in Deutschland demontiert worden waren, handelte es sich quasi um den 1938 konstruierten Opel Kadett.

Solch ein Moskwitsch ließ sich tatsächlich auftreiben, aber bald kam der Oligarch drauf, dass sich die 26 PS potenter in seiner Erinnerung eingebrannt hatten. Also bestellte er eine ordentliche Zuspitzung, der Preis wäre durchaus egal, und der Restaurator bemerkte, dass der Radstand des Moskwitsch jenem des aktuellen Abarth 595 entsprach. Der Kauf des Technikspenders war schnell erledigt („Farbe und Ausstattung sind egal, ich schneide eh die Karosserie weg“), bald hatte der Auftraggeber seinen Moskwitsch mit 180 PS, und er soll sehr jugendlich vom Hof gefahren sein.

Wir bitten an dieser Stelle alle Anhänger der reinen Lehre um Verzeihung, die noch auf Diagonalreifen durchs Geläuf eiern und Filzdichtungen mit Gummiverachtung nachschnipseln. Sie sind vermutlich schon zur Seite gekippt, wir haben leider auf die Triggerwarnung am Beginn dieses Artikels vergessen, sorry. 

Restaurieren, modernisieren

Was heute als Restomod-Trend zum ordentlichen Geschäftszweig gereift ist, hat seinen Ursprung in einem durchaus erklärbaren Interessenkonflikt: Freunde klassischer Autos erfreuen sich gerne am Aussehen der Oldtimer, am Komfort der Sitze und Federungen, an der Haptik der fein ziselierten Schalter, an der feinnervigen Berührung mit einem füllfederdünnen Lenkradkranz – beim Zupacken der Bremsen, bei der Problemlosigkeit und der Kraftentfaltung der Motoren, bei der Sicherheit der Karosserien, beim Haftvermögen der Gürtelreifen sind moderne Autos klar überlegen. Und wer gerne sportlich unterwegs sein mag, wird auch auf die historischen Sitze pfeifen und flauschigen Komfort lieber gegen grimmigen Seitenhalt tauschen.

Hot Rod first

Im Kern seines Wesens hat ja schon die gesamte Hot-Rod-Szene diesen Trend vorweggenommen, es fällt nur nicht so auf, wenn wir einen 50er-Jahre-V8 in einer Karosserie sehen, die noch für einen Flathead-Reihensechszylinder und doppelt so hohe Fensterscheiben gebaut
wurde. Und Hot Rods gibt es wirklich schon lange, die Initialzündung des Trends lässt sich Ende der 30er-Jahre in Kalifornien ausmachen, als nordöstlich von Los Angeles Rennen in ausgetrockneten Seen gefahren wurden. Es ging damals also um höhere Geschwindigkeit, viel mehr war nicht gefragt, denn man fuhr ja hauptsächlich geradeaus. Später etablierten sich der Chevy Small Block, Fords 9-Inch-Hinterachse und die Lenkung des Mustang II als taugliche Grundausrüstung, da blieb natürlich noch immer Raum für allerlei Verfeinerungen.

Heute geht es den Restomod-Freunden um Verbesserung in allen Belangen, aber Sicherheit und Schnelligkeit tummeln sich noch immer im Zentrum. Das alles ist natürlich machbar, sofern man einen Restaurator auf der gleichen Wellenlänge gefunden hat und vor zierlichen Denkmalschändungen nicht zurückschreckt, das kann ja auch ganz behutsam beginnen: Scheiben- statt Trommelbremsen, härtere Fahrwerksbuchsen, Sicherheitsgurte, wo früher keine waren, Gewindefahrwerke, Servolenkung, breitere Reifen, und freilich kann mittlerweile sehr unbemerkt und hinter historischer Fassade eine moderne Soundanlage die Playlist von allerlei Datenträgern ablesen. Im Idealfall geschieht das alles ohne Modifikation der Karosserie, damit darf auch alles wieder zurückgerüstet werden, wenn die Freude am Originalzustand plötzlich wieder im Vordergrund parkt.

Im Kern des Trends

Etwas schwerer auch im direkten Wortsinn wird das Implantieren eines neuen Motors, auch hier sind US-Klassiker mit ihrem Kastenrahmen und gut untereinander austauschbaren V8 im Vorteil: Jeder, der den historischen Achtzylinder seines 50er- oder 60er-Ami gegen einen moderneren mit Benzineinspritzung getauscht hat und dann mit halbem Verbrauch und deutlich feineren Fahrleistungen unterwegs war, wird eine tragfähige Zuneigung zum Restomod-Trend verspüren. Wer sehen mag, wie alle Modernisierungen gemeinsam auf einen Ford Mustang der Jahrgänge 1964 bis 1968 oder auf die 54er- bis 67er-Corvette von Chevrolet einwirken, kann beispielsweise beim V8 Werk (www.v8werk.de) in Pirna bei Dresden anklopfen.

Natürlich werden bei uns bevorzugt jene Klassiker modernisiert, die wir auch im Originalzustand schätzen. Richtig, der Porsche 911 mischt da eifrig mit, wie die Werke von Eleven Classics (www.elevenclassics.com) zeigen: Zwar wird empfohlen, die Karosserielinie eher unangetastet zu lassen, aber natürlich sind Verbreiterungen und Sonderlackierungen möglich, ebenso allerlei Modifikationen an Motor, Getriebe, Fahrwerk.

Auf Restomod-Aufwertung des Mini hat sich David Brown (www.davidbrownautomotive.com, nicht verwandt oder verschwägert mit dem Gründer von Aston Martin) aus Silverstone spezialisiert, und Mr. Brown kennt keine Kompromisse: Die Karosserie wird ohnedies bei British Motor Heritage auf den Originalwerkzeugen nachgefertigt, David Brown verlegt für seinen Mini Remastered unschöne Blechfalze nach innen, trägt feinste Lackierungen in unzähligen Schichten auf, montiert Interieurs in einer Güte, die der Mini
immer schon gerne gesehen hätte, und der klassische A-Serien-Motor lässt sich ohnedies (fast) jedes Tuning gefallen. Gerne greift man da auf die Ideen von Oselli-Tuning zurück, bis zu 125 PS haben kaum Mühe mit dem Mini. Als Spaßbremse fungiert höchstens der Preis: Ab rund 75.000 Pfund netto, bitte Import, Steuern, NoVA und Typisierung schonend selbst dazuzählen. Übrigens: Alle Modifikationen müssen genehmigt und eingetragen sein, sonst wird es knifflig, wenn man erwischt wird. Bisweilen sogar sehr.

Es geht E alles

Ein junger Ast des Restomod-Gedankens ist die Elektrifizierung klassischer Automobile. Rein ökologisch betrachtet ist das freilich Unsinn, einem schon längst produzierten Auto, das ein paarmal im Jahr an die frische Luft kommt, die Technik zu tauschen, aber rein rational geschieht im Oldtimerhobby ohnedies wenig. Und manchmal machen die Firmen diese Umbauten auch selbst: So überraschte Jaguar Land Rover Classic 2017 mit dem E-Type Zero, dessen Reihensechszylinder-Denkmal gegen einen Elektromotor mit 295 PS getauscht wurde. 100 km/h waren in 5,5 Sekunden erreicht, also in einer Sekunde weniger als im originalen E-Type Serie 1, und der klassische Antriebsstrang wurde so sensibel entfernt, dass Rückbau jederzeit möglich war. Auf unbeschränkte Begeisterung stieß Jaguar Land Rover Classic damit nicht, denn mittlerweile ist die Umrüstung wieder eingestellt.

Retro als Restomod

Bei etwas lockerer Auslegung des Restomod-Trends mischen auch die Automarken selbst eifrig mit. Der Trend zum Retrodesign fährt auf einem ähnlichen gedanklichen Unterbau, so hat BMW die Welt um den neuen Mini bereichert, Fiat um den 500, und der New Beetle von VW, lange Zeit missverstanden, macht sich schon für seine Rolle als künftiger Klassiker bereit. Renault hat bereits die Alpine zu den Fans gerollt, und bald wird die Studie eines neuen und elektrisch betriebenen Renault 5, der seinem 50-jährigen Vorfahren frappant ähnlich sieht, die Serienreife erreichen.

Manchmal wiederholt sich Geschichte, aber manchmal macht sie einfach ein paar lustige Kringel.   ←