Eveline Steinberger: „Die heimische Start-up-Szene kann mit dem israelischen Ökosystem nicht mithalten.“

Start-ups – „Viele Start-ups mussten Haare lassen“

Eveline Steinberger, Gründerin und geschäftsführende Gesellschafterin von The Blue Minds  Company, im Interview über Chancen für Hightech-Start-ups, das weltweit einzigartige  Gründer-Ökosystem in Israel und die Weisheit ihrer Großmutter Anastasia.  Interview: Paul Billisich

assets: Hohe Inflation, steigende Zinsen, weniger Wachstum: Ist die Situation ein Nachteil für Ihre Branche? Oder sind Investitionen in Ökounternehmen gerade jetzt gefragt?

Eveline Steinberger: Ausreichend zur Verfügung gestelltes Risikokapital reduziert die Ausfallsrate von Tech-Start­ups. Das ist eine generelle Formel. Wagniskapital ist zwar nach wie vor da, die Venture Capital Funds, Private Foundations und Business Angels sind allerdings ob dieser Marktsituation vorsichtiger geworden. Nicht nur die Anzahl an Investments ging zurück, es wurde im Vergleich zu den Vorjahren auch deutlich weniger Kapital pro Start-up zur Verfügung gestellt. Da­rüber hinaus mussten viele Start-ups  Haare lassen – betreffend ihre Bewertungen für ihre Kapitalrunden. Ich beobachte aber auch positive Trends. Zum einen hat die Attraktivität von Clean-Tech-Start-ups deutlich zugenommen, was auch mit einer geschärften Investorenorientierung auf diesen Sektor zu tun hat. Zum anderen nehmen sogenannte Secondary Funds wieder Fahrt auf. Das heißt, Limited Partners verkaufen ihre Start-up-Beteiligungen zum investierten Wert oder auch mal darunter an Fonds, die frisches Geld zur Skalierung dieser Geschäftsmodelle eingesammelt haben. Das wird durch ein weiteres Phänomen unterstützt, nämlich, dass der Weg von der Gründung bis zum Exit deutlich länger dauert als noch zu Beginn der 2000er-Jahre.

Ihre Unternehmensgruppe mit Standorten in Tel Aviv und Wien kam zuletzt in Israel bei einer staatlichen Energie-Ausschreibung zum Zug. Worum geht es hier genau?

Steinberger: Mein Unternehmen ist seit Beginn auf Investments in die Energietransformation fokussiert. Das ist heute ein noch heißeres Thema und bestätigt unsere Schwerpunktsetzung. 2022 setzte sich Blue Minds als Partner im ersten und einzigen von der Israel Innovation Authority ausgeschriebenen Inkubator durch. Gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern haben wir Net Zero Technology Ventures aufgebaut. Wir wählen handverlesen die zukunftsträchtigsten Technologien und Verfahren im frühen Stadium aus und verhelfen diesen Geschäftsideen zum Erfolg. In den ersten zwei Jahren trägt der israelische Staat achtzig Prozent der Technologieentwicklungskosten. Ein Investmentbeispiel ist WatAirGy. Das patentierte System nutzt die Wasserabsortion der Luft, um elektrischen Strom zu erzeugen.

Wie ist die Einstellung zu Innovationen in Israel im Vergleich zu Österreich?

Steinberger: Israel ist der Nabel der Welt für Existenzgründer. Das spürt man, wenn man in dieses weltweit einzigartige Ökosystem eintaucht, es zeitigt auch rasche Erfolge. Keine andere Stadt beheimatet so viele Tech-Start-ups wie Tel Aviv, bezogen auf die Einwohnerzahl. Die Mixtur aus technologischem Know-how und attraktiven Finanzierungsmöglichkeiten macht den Unterschied. Für Ersteres ist das Militär ein Trigger, für Zweiteres mittlerweile Hunderte von Wagniskapitalgebern im Land. Während im Jahr 2022 mehr als 15 Milliarden Dollar in israelische Tech-Start-ups flossen, war es hierzulande nur rund eine Milliarde Euro.

„Österreich hat eine im Vergleich schlecht ausgeprägte Gründerkultur.“ – Eveline Steinberger – Blue Minds Group

Was ist im vergangenen Jahrzehnt für Start-ups in ­Österreich besser geworden? Was sollte sich dringend ändern?

Steinberger: Wir haben mit Blue Minds vor allem zu Beginn, ab 2015,  einige Investments in Österreich gemacht, in den vergangenen fünf Jahren wenig bis gar nichts. Ich will die heimische Start-up-Szene nicht schlechtreden, aber mit dem israelischen Ökosystem kann sie nicht mithalten. Andererseits gibt es auch namhafte Erfolgsbeispiele, wie Bitpanda oder N26. Dazuzählen möchte ich auch has-to-be, eine E-Mobilitäts-SaaS (Software-as-a-Service, Anm.), in die Blue Minds 2015 investiert hat und 2021 einen fulminanten Exit mitmachen durfte.

Start-ups wurden zu einem Unterhaltungsfaktor, Pitches finden heute mitunter in TV-Shows statt. Wie wichtig ist dieser Aspekt?

Steinberger: Österreich hat eine international schlecht ausgeprägte Gründerkultur, insbesondere bei Hightech-Gründungen. Jungen Menschen Mut zu machen, ihre revolutionären Ideen auf den Weg zu bringen, ist ein absolutes Muss. TV-Shows, Radio-Talks und andere Social-Media-Formate können dazu beitragen, diese Ambitionen zu verstärken.

Sehen Sie sich selbst auch als Teil einer  Unterhaltungsbranche? Wie würden Sie Ihre persönliche Rolle beschreiben?

Steinberger: Diese Frage verstehe ich so nicht. Ich investiere in Hightech-Start­ups – ein Milliarden-Wirtschaftszweig. Das hat weniger mit Unterhaltung als mit knallhartem Wirtschaften zu tun. In den letzten neun Jahren war ich selbst Gründerin. Zum einen bei Blue Minds, zum anderen habe ich ein SaaS-Energie-Start­up in Israel mitgegründet, das dieses Jahr an ein kalifornisches Solarunternehmen verkauft wurde. Teil dieses Exits war ein erfolgreicher IPO an der Nasdaq.

Was sind die drei wichtigsten Faktoren, die Sie eine Firma unterstützen lassen? Was sind Ihre Red Flags?

Steinberger: Das Geschäftsmodell muss einen entscheidenden Beitrag für die Energietransformation liefern. Vorwiegend Software, SaaS – weniger Hardware. Die Skills der Gründer müssen uns überzeugen. Und dann ist es auch ein wenig reines Bauchgefühl – wir arbeiten im Hochrisikobereich, das heißt: Scheitern ist einzukalkulieren.

Die Blue-Minds-Tochter Energy Hero hat manchen heimischen Energieversorger ver­ärgert. Hat Sie das angespornt?

Steinberger: Neue Geschäftsmodelle bringen oft unerwünschte Transparenz in traditionelle Geschäftsbereiche. Das gefällt nicht immer allen. Wir verhelfen den österreichischen Strom- und Gaskunden mit dem Energy Hero zu hohen Kosteneinsparungen. Seit dem Start waren es bereits 15 Millionen Euro. Wir freuen uns über jeden Neuzugang.

Braucht es Ärger und Widerstand, um erfolgreich zu sein?

Steinberger: Nicht unbedingt. Aber manchmal ist es Part of the Game. Hightech disruptiert ganze Branchen.

Hans Peter Haselsteiner hat unlängst Blue Minds verlassen. War das geplant?

Steinberger: Ja, das war geplant, dass sich Hans Peter Haselsteiner nach einiger Zeit als Investor aus dem Unternehmen wieder zurückzieht. Er hat über die Jahre bei der Ausweitung unseres Geschäftsmodells geholfen und nun im Rahmen der Neuordnung der Anteilsverhältnisse seine Anteile an uns Gründer rückübertragen. Ich bin ihm sehr, sehr dankbar für seine Unterstützung. Es hat uns wahrlich auf ein nächstes Level gehoben.

Haben Sie jemals den Schritt bereut, einen Konzern wie den großen Verbund zu verlassen und sich auf ein Abenteuer mit Start­-ups einzulassen?

Steinberger: Nein. Ganz im Gegenteil. Für mich war das der goldrichtige Schritt.

Wie gehen Sie persönlich mit Krisen um?

Steinberger: Reflektieren. Aufstehen. Und weitergehen. Oder, wie meine ­Großmutter Anastasia immer gesagt hat: „Was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker.“

Was treibt Sie an, jeden Tag aufs Neue genau diesen Job zu machen?

Steinberger: Ich habe den Luxus, genau das tun zu dürfen, was ich liebe, was mir Spaß macht. Das ist ein unheimlicher Motivator.  

Zur Person

Mag. Dr. Eveline Steinberger, Jahrgang 1972, stammt aus der Obersteiermark und studierte in Graz Betriebswirtschaftslehre. An der Wirtschaftshochschule INSEAD in Fontainebleau absolvierte sie ein Executive-Management- Studium.

2014 gründete sie die The Blue Minds Company GmbH, die sich mit Fragen der globalen Energiewende, der Entwicklung von Geschäftsmodellen auf Basis der Digitalisierung und Investitionen in Start-ups beschäftigt. Eveline Steinberger führt das Unternehmen gemeinsam mit Mag. Bernhard Raberger.  Ihr Ex-Ehemann Christian Kern, ehemaliger Bundeskanzler der Republik Österreich, war von 2018 bis 2022 ebenfalls Gesellschafter von Blue Minds.

Vor dem Einstieg in die Gründerszene war Dr. Steinberger zwanzig Jahre in den Bereichen Energie und Infrastruktur tätig. Unter anderem leitete sie den Aufbau des Endkundengeschäfts der Verbund AG sowie das Energiegeschäft für Siemens in CEE.

Seit 2014 hat sie vier weitere Unternehmen (FSight, Digital Hero, 12energy, Techhouse) in Wien und Tel Aviv gegründet und entwickelt. In Wien hat sie die Innovationsdrehscheibe weXelerate mitinitiiert. Sie ist Aufsichtsrats­mitglied der UniCredit Bank Austria und im Beirat des Investment- und Asset-Managers KGAL in München.