Verändert künstliche Intelligenz das Private Banking?
Am Round Table von assets diskutieren Spitzenvertreter der heimischen Privatbanken die Zukunft der Branche: Wie gewinnt man die nächste Generation? Schaffen Digitalisierung und KI auch Beratung? Und: Lohnt sich nachhaltiges Investment noch?
Moderation: Stefan Schatz
Im schicken Ambiente der Sky Bar im Wiener Kaufhaus STEFFL diskutierten Werner Karl Steiber (Erste Bank), Markus Plank (Raiffeisen NÖ-Wien), Waltraud Perndorfer (Privat Bank der RLB OÖ), Marion Morales Albiñana-Rosner (UniCredit Bank Austria) und Constantin Veyder-Malberg (Schelhammer Capital) aktuelle Fragen im Private Banking. Silvia Richter (Zürcher Kantonalbank Österreich) reichte ihre Statements zu den Fragen wegen kurzfristiger Verhinderung schriftlich nach.
assets: Laut einer Studie von PwC ist bis 2027 jeder sechste Vermögensberater vom Markt verschwunden. Wie verhindert man, selbst übernommen zu werden?
Waltraud Perndorfer: Wir sind als Privatbank Teil der Raiffeisenlandesbank OÖ, der fünftgrößten Bank Österreichs. Es ist de facto unmöglich, von jemand anderem übernommen zu werden.
Ist es undenkbar, dass sich Raiffeisen aus dem Private Banking zurückzieht?
Perndorfer: Das ist undenkbar.
Markus Plank: Die Frage ist eher: Braucht es den hausinternen Asset-Manager, der mit seinen Produktbausteinen hinter der Kundenberatung und dem Portfolio steht? Wahrscheinlich nicht. Aber bei Raiffeisen ist das natürlich eine gut gelebte Tradition.
Warum geht die Tendenz zu immer größeren Einheiten am Markt?
Marion Morales AlbiÑana-Rosner: Die regulatorischen Kosten sind enorm gestiegen. Damit tun sich kleinere Häuser schwer – das hat man auch am österreichischen Markt gesehen. Aber es gibt nicht mehr viel zu konsolidieren. Es gibt noch zwei unabhängige Häuser, die in keine größere Struktur eingebettet sind.
Constantin Veyder-Malberg: Wir haben keinen Anbieter mehr aus der Schweiz, keinen aus Deutschland oder anderen Ländern – bis auf das kleine Liechtenstein. Der Markt teilt sich in Großbanken auf, die ihre Private-Banking-Einheiten entweder als eigene Institute führen oder integriert haben, und in einige wenige Privatbanken. Das war aus regulatorischen Gründen notwendig. Wir müssen aber unterscheiden zwischen dem skalierbaren Asset-Management – hier kann niemand aus Österreich mit BlackRock mithalten – und dem Relationship-Banking. Bei Letzterem kann es nicht um Skalierung gehen, weil wir nicht mehr als vielleicht 80 Kunden pro Berater haben können. Deshalb kann es im Private Banking keinen Global Player in der Dimension von BlackRock geben. Es ist ein diversifiziertes Geschäft, das eine gewisse Größe braucht, damit man Compliance, Regulatorik und all diese Dinge bewältigt. Beim Transaction Banking muss man digitalisieren, automatisieren und skalieren, um die Kosten zu senken. Im Beziehungsgeschäft geht das nicht.
Werner Karl Steiber: Unsere Einbettung in eine Universalbank hat Riesenvorteile, weil wir die Digitalisierung aus dem Retailgeschäft für den Private-Banking-Kunden nutzen können. Um das Private Banking braucht man sich keine Sorgen zu machen. Wir liefern einen sehr maßgeblichen Anteil des Ertrags im Wertpapiergeschäft der Erste Bank. Wenn man die Anzahl der Mitarbeiter im Private Banking und den im Vergleich zum klassischen Retailgeschäft überschaubaren Kundenstock betrachtet, ein profitables Geschäft. Auch durch Skalierung: Wir befreien unsere Berater – wo es geht – von administrativen Tätigkeiten, damit schaffen sie bei höchster Beratungsqualität mehr als 80 Kunden. Wir bieten viele digitale Services, die für den Kunden angenehm sind. Das Asset-Management im Haus ist wichtig. Es begleitet uns manchmal zu Kundenterminen und erlebt die wirklichen Bedürfnisse. Natürlich bieten wir auch BlackRock-Produkte und ETFs.
Veyder-Malberg: Private Banking ohne Vermögensverwaltungskompetenz im Hintergrund verliert an Glaubwürdigkeit. Aber man braucht keine eigenen Produkte. Private Banking ist nicht Produktverkauf, sondern die Analyse der privaten Kundensituation, um ein Portfolio zusammenzustellen. Dafür braucht es die Kompetenz der Kapitalmärkte. Also braucht man den Asset-Manager im Private Banking. Aber bei den österreichischen Kapitalanlagegesellschaften ist die Konsolidierung noch nicht passiert. Dort geht es wirklich um Skalen. Ob ein Fonds 100 Millionen oder eine Milliarde verwaltet, ist egal – der Aufwand bleibt gleich.
Inwieweit können Privatbanken die Vorteile von KI nutzen?
Silvia Richter: In Geschäftsbanken kann generative KI zur Effizienzsteigerung beitragen. Wir als auf Vermögensverwaltung spezialisierte Privatbank sehen unsere Verantwortung darin, die Kunden umfassend zu betreuen. Rund 70 Prozent unserer Kunden geben einen bestimmten Rahmen vor, unser lokales Asset-Management trifft selbstständig die Entscheidungen zum Wohle des Kunden. Vertrauensbildung ist dabei besonders wichtig, und das wollen wir nicht Robo-Advisors, sondern lieber unseren Private Bankern aus Fleisch und Blut überlassen. Beim Asset-Management könnte KI in Zukunft eine wichtige Aufgabe bei der Datenanalyse übernehmen.
Steiber: KI bietet an der ganzen Prozesskette Vorteile. Wir werden damit unsere Effizienz in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden erhöhen. Wenn ich mit dem Kunden gemeinsam eine für seine Bedürfnisse maßgeschneiderte Asset-Allocation konstruiere, ist das Private Banking. Das startet ab 500.000 Euro. Für einen Kunden mit 5.000 Euro kann die Rechnung nicht aufgehen, da braucht es KI, Technik und Robo-Advisors. Es ist eine andere Art der Vermögensverwaltung.
Morales: Aus Kundensicht ist Digitalisierung relevant, um Komplexität zu reduzieren. Genau das erwartet die Next Generation von uns: „Nehmt mir die Komplexität ab, ich will es einfach und professionell haben.“ Das ist eine Win-win-Situation: Für uns senkt KI die Kosten, für den Kunden steigert sie die Customer Experience. Andererseits ist KI auch im Asset-Management, in der Portfolio-Analyse ein Thema. Und auch in der Bedürfniserkennung des Kunden, wenn es um holistische Finanzkonzepte und neue Ideen für die Berater geht. KI wird sich weiterentwickeln, ein Tool unter vielen sein, das Input-Faktoren liefert, auf denen der Berater aufsetzen kann. Oder in Know-Your-Customer-Prozessen, um Betrug und Ungereimtheiten leichter zu erkennen.
Veyder-Malberg: Die Welt ist durch Digitalisierung nicht einfacher geworden, sondern deutlich komplexer. Es gibt nur ein Instrument, um Komplexität zu reduzieren: Vertrauen. Wenn ich jemandem vertraue, folge ich seinem Vorschlag. Der Moment des Vertrauens entsteht im Gespräch. Einem Chatbot, einem digitalen Unbekannten, bei dem man nicht einmal weiß, wie die Algorithmen entstanden sind, vertraue ich aber nicht. Es wird noch lange dauern, bis der Mensch einer AI so sehr vertraut, dass er ihr Geldentscheidungen zu 100 Prozent anvertraut. Wenn man nur den Kontosaldo wissen will, nutzt man Apps, um nachzusehen. Aber wenn man mit einem Problem bei der Privatbank anruft, will man den Berater sprechen und keinen Automaten.
Steiber: Wir haben mit George ein Instrument, zu dem Kunden Vertrauen aufbauten, auch im Private Banking. Wir werden George stetig auf die sich verändernden Bedürfnisse unserer Kunden ausbauen.
Plank: Robo-Advisors nutzen KI schon lange. Das verändert die Branche gar nicht. Ein Fondsmanager wird durch KI aber herausgefordert, seine Entscheidungen und seine Leistung zu rechtfertigen. Auf der Beraterseite wird der persönliche Kontakt noch wichtiger. Aber es wird schwieriger, den Berater auch zu erreichen, weil er 200 oder 250 Kunden betreut. In diesem Spannungsfeld befinden wir uns: Erreichbarkeit versus Callcenter, Chatbot oder sonstige Leistungen. Der Kunde muss jemanden erreichen können, der Probleme löst. Das muss nicht sein Berater sein, aber jemand, der helfen kann. Die perfekte Lösung habe ich noch nicht gesehen.
Perndorfer: KI wird uns dabei unterstützen, dem Berater Freiraum für Kundenbetreuung zu schaffen. In der RLB OÖ kommt KI bereits vielfältig zum Einsatz. Unser Chatbot KI@RA, der auf ChatGPT basiert, unterstützt die Mitarbeiter im Arbeitsalltag. Demnächst wird hier auch das Wissen aus dem Intranet integriert. Für diese Lösung haben wir beim Microsoft Visionary Award in der Kategorie Innovation den ersten Platz belegt. Anderes Beispiel: Die Kepler-Fonds KAG setzt KI in der Vermögensverwaltung ein und arbeitet dazu eng mit der FH Hagenberg zusammen. Die Software hilft dabei, Unternehmen und Sektoren mit potenziellen Problemen zu identifizieren. Und: KI ist auch für die Kundenbindung wichtig. Erst unlängst wäre ein Kunde fast Betrügern auf den Leim gegangen. Was sein Geld rettete: Die KI hat eine Unregelmäßigkeit erkannt und die Überweisungen blockiert.
Steigt das Vertrauen in KI-Beratung? Die Maschine entscheidet rein rational, auf Basis von Fakten statt Gefühlen.
Veyder-Malberg: Ich mache in Vorträgen selbst den Test und frage: Wer würde sein Vermögen einer KI anvertrauen? Bei 10.000 Euro zeigen alle auf. Wenn es um eine Million Euro geht, kein Einziger. Obwohl die Gebühren bei KI-Lösungen viel niedriger sind. Die Kunden wollen einen Berater haben, dem sie vertrauen und der klare Empfehlungen abgibt.
Morales: KI verschafft dem Berater tiefere Insights vor seiner Letztentscheidung. Aber es bleibt die Aufgabe des Beraters,
mit dem Kunden zu sprechen und eine Strategie festzulegen. Es ist wie in der Gesundheit: Obwohl Roboter bereits heute wichtige Assistenten bei schwierigen Operationen sind, werden diese auch in Zukunft einen Chirurgen nicht ersetzen können. Die KI hilft uns, Dinge besser zu machen, aber der Mensch bleibt im Fokus.
Perndorfer: Die Gewöhnung an die KI wird noch Zeit brauchen. Früher waren auch Autopiloten in Flugzeugen undenkbar, heute sind sie unverzichtbar.
Steiber: Das Endresultat wird eine hybride Welt sein. Über einen Zeithorizont von fünf Jahren wird der Mensch bei unserer Klientel in der Hauptrolle bleiben. Auch bei jüngeren Kunden.
Veyder-Malberg: Als Jeff Bezos Amazon gründete, hat er eine der intelligentesten Strategiefragen gestellt. Er hat sich nicht gefragt: Was wird in zehn Jahren alles anders sein? Sondern: Was wird gleich bleiben? Die Antwort war: Schnell und billig bleibt für den Handel wesentlich. Darauf hat er sein Unternehmen aufgebaut. Legen wir diese Frage auf die Bankenwelt um: Was begeistert Kunden auch in zehn Jahren noch? Natürlich wird das Zutrauen in die Technik steigen. Aber vertrauen wird man immer nur Menschen. Es geht um Gefühle, das Erkennen von Integrität und Motiven. Private Banking ist das einzige Segment – neben komplexen Immobilienfinanzierungen oder ähnlichen Themen –, wo Mensch-Mensch-Beziehungen bleiben. Transaction Banking wird komplett digital sein.
Plank: Wir dürfen nicht die Kunden von morgen aus den Augen verlieren. Wir müssen diese junge Generation dort abholen, wo sie ist. Wie aber gewinnen wir diese neuen Kunden? Sind wir für die technikaffinen Generationen noch sexy genug? Deswegen kooperieren wir mit Bitpanda. Wir wissen, unsere Zukunftskunden sind schon dort. Durch die Integration in unsere ELBA-App haben wir sehr viele dieser Kunden gewonnen, die bisher mit uns kein Wertpapiergeschäft gemacht haben. Also unter 40-Jährige, die wir mit herkömmlichen Wertpapierthemen nicht angesprochen haben. Man muss neue Wege ausprobieren, statt alles selber zu machen. Es gibt Systeme, die sind etabliert, funktionieren millionenfach. Wieso sollen wir die kopieren oder gar glauben, sie besser machen zu können? Eine gute Kooperation mit Vorteilen für beide Seiten ist der bessere Weg.
Steiber: Etablierte Banken sind gut beraten, bei Innovationen mit Fintechs zusammenzuarbeiten. Es geht auch um Imagetransfer. Als Bank muss man hip sein und zeigen, dass man Bedürfnisse der Jungen versteht. Wir müssen auch Kunden umwerben, die noch nicht selbst vermögend sind, aber ihre Eltern und Großeltern sind es. Damit sie im Erbfall zu uns kommen, müssen wir ihnen heute günstige und effiziente Lösungen anbieten.
Veyder-Malberg: Wir haben uns den digitalen Konkurrenten mit DADAT selber gebaut. Heute ist DADAT die Nummer eins im Online-Brokerage und im Online-Banking. Dort tummeln sich viele junge Kunden, aber auch ältere, die ein wenig traden möchten. Wenn sie feststellen, dass sie falsche Produkte ausgewählt haben oder schlechtes Timing haben, wollen sie Beratung. Sie können auf einen Robo-Advisor wechseln oder gleich zu uns kommen. Da genügt ein Mausklick, sie sind ja schon in unserem Universum. So holen wir Kunden mit 50-Euro-Sparplänen ab – wenn die Erbschaft kommt oder nennenswertes Vermögen entstanden ist, führt ein schneller Weg zu uns ins Private Banking.
Laut „Wall Street Journal“ erben die Millennials 70 Billionen Dollar, haben aber ganz andere Veranlagungsbedürfnisse. Sind Privatbanken darauf vorbereitet?
Perndorfer: Jede Generation ist für neue Themen offen, die wieder eine Generation später als antiquiert gelten. Was über die Jahrzehnte gleich bleibt: Es geht um Vertrauen. Natürlich müssen wir junge Kunden rechtzeitig an uns binden. Das ist nicht leicht, wir sind keine Universalbank, die mit kostenlosen Studentenkonten schnell Erstkontakte schafft. Wir wissen, wie wichtig das ist: Wer mit seiner Bank zufrieden ist, wechselt nicht. Entscheidend ist: Es braucht Angebote für junge Kunden, die modern und transparent sind. Und Berater, die die Sprache der Jungen sprechen, junge Mitarbeiter, die sich mit ihnen auf Augenhöhe unterhalten. Ebenso wichtig ist, dass man – etwa, wenn es um Nachfolgefragen geht – die ganze Familie miteinbezieht, auch die Kinder.
Richter: Wir setzen uns einerseits für die frühzeitige Einbindung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in die Familienfinanzen und andererseits für eine frühzeitige Finanzbildung junger Menschen ein. Wir bereiten immer wieder Kinder von Kunden auf den Umgang mit Vermögen vor. Viele werden in nächster Zeit erben, und gleichzeitig wird die private Vorsorge immer relevanter. Es ist wichtig, der „Next Generation“ Gehör zu schenken und auf ihre Bedürfnisse einzugehen. Jeder Kunde hat eine andere Ausgangssituation und individuelle Bedürfnisse, das ist nicht unbedingt eine Generationenfrage.
Steiber: Der Freizeitfaktor hat für Junge einen großen Wert: Das spricht für Vermögensverwaltung. Deswegen beginnen wir im nächsten Jahr mit einem Retailprodukt in der Vermögensverwaltung. Wir sehen, dass sich viele Junge nicht so wie der Opa mit dem eigenen Depot beschäftigen wollen. Die Herausforderung in der Beratung von Familien ist: Wenn das Erbe geteilt wird, wandern die Erben zurück in den Retailapparat. Aber manche bauen auf diesem Erbteil ein neues Vermögen auf. Damit sie damit wieder zu uns kommen, darf ich den Kontakt nie ganz abreißen lassen.
Veyder-Malberg: Ich erlebe in der Generation der 20- und 30-Jährigen, die in diesem Alter schon Vermögen haben, zwei ganz wesentliche Unterschiede zu meiner Generation. Das eine ist der Sinn hinter dem Investment. ESG ist das Mindeste, es geht oft bis zur Philantropie. Deswegen haben wir die Privatstiftung Philanthropie Österreich gegründet. Damit verdienen wir kein Geld, wir helfen nur beim Helfen. Aber wir decken damit ein Bedürfnis wirklich vermögender Menschen ab. Das zweite ist: Die Jungen sind wesentlich interessierter und gebildeter. Sie kommen aus der Finfluencer-Welt und wollen nur ETFs. Unsere Aufgabe ist, zu hinterfragen, ob nicht andere Assetklassen bis hin zu Private Equity ihre Bedürfnisse besser abdecken. Es braucht also nach wie vor Beratung. Die wird auch gerne angenommen.
Plank: Es gibt mehr Extreme: Kunden, die sich via Social Media viel Finanzwissen angeeignet haben, und solche, die sich mit der Thematik gar nicht beschäftigen wollen. Wir brauchen Berater, die sich zwischen diesen Welten bewegen und die junge Generation abholen. Unser Problem ist: Es gibt wenig Nachwuchs, der Kundenberatung in dieser Intensität machen will.
Steiber: Wir haben eine sehr erfolgreiche 27-jährige Beraterin, die weit von Wien entfernt lebt. Wir haben ihr Homeoffice erlaubt, sie macht Videoberatung und fährt nur zu Terminen in die Filialen. Auch für zwei junge männliche Berater, die ebenfalls extrem erfolgreich am Kunden sind, war Homeoffice wichtig. Ältere Kollegen haben dafür kein Verständnis und vermuten Müßiggang. Aber Homeoffice heißt ja nicht, dass man nicht arbeitet und berät.
Veyder-Malberg: Je höher man in der Hierarchie kommt, desto weniger ist man mit Kundensuche beschäftigt – sondern mit Mitarbeitersuche. Wachsen kann man nur mit perfekten Mitarbeitern. Wie aber gelingt es, die Kunden mit dem für sie passenden Berater zu matchen? Wir haben dafür eine eigene Plattform geschaffen, unsere Berater mit allen ihren Eigenschaften sozusagen digitalisiert. Der Kunde kann sich über www.perfekterberater.at den für ihn passendsten Berater selbst aussuchen.
Perndorfer: Dass Berater und Kunde zusammenpassen, ist von entscheidender Bedeutung.
Veyder-Malberg: Es dauert im Schnitt 18 Monate, bis der Kunde sein perfektes Gegenüber als Berater gefunden hat, dafür bleibt er diesem dann ewig treu.
Morales: Wir sehen Neukunden in ihrer Gesamtheit. Das heißt, es geht nicht um den einzelnen Kunden, sondern um die ganze Familie. Wir nehmen auch Kinder mit ins Private Banking, wenn diese die Kriterien nicht erfüllen, um die Beziehung zum Berater sukzessive aufzubauen. Dieser Ansatz ist uns wichtig. Wo uns die Einbeziehung der Familie nicht gelungen ist, versuchen wir im Zuge der Nachfolgeregelung durch umsichtige Gestaltung das Vertrauen der zukünftigen Erben zu gewinnen. Die nächste Generation ist aber sehr viel anspruchsvoller, auch im Retailsegment. Convenience ist ein großes Thema. Diese Kunden erwarten auch von einer Privatbank, dass sie etwa bei komplexen Finanzierungsthemen einen holistischen Ansatz bedienen kann. Das Anspruchsniveau steigt enorm.
Eine Studie von Capgemini behauptet, dass der Einfluss von Frauen auf den Finanzmärkten steigt. Sie seien zudem kritischer und verlangen mehr Transparenz, Kostenkontrolle und Zusatzservices.
Steiber: 49 Prozent unserer Private-Banking-Kunden sind weiblich, und ich kann das nur bestätigen.
Morales: Wir fördern und stärken den Zugang von Frauen zum Finanzmarkt. Eine umfangreiche Studie der UniCredit Gruppe ergab, dass zwar immer mehr Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen, aber wesentlich risikoaverser sind als Männer. Die Frage ist: Wie können wir das ausbalancieren?
Richter: Für uns sind alle Kunden gleich viel wert, aber nicht gleich. Das trifft auch auf den Geschlechteraspekt zu. Insofern denke ich, dass ein diverses Team die Antwort auf die verstärkte Nachfrage von Frauen ist. Das heißt nicht, dass beispielsweise nur Frauen Anlegerinnen beraten sollen, Ausgewogenheit im Team hilft jedoch dabei, verschiedene Sichtweisen abzudecken. Als langjährige Private Bankerin ist es mir ein großes Anliegen, andere Frauen von finanzieller Unabhängigkeit in all ihren Facetten zu überzeugen. Denn hier gibt es immer noch Nachholbedarf.
Veyder-Malberg: Um gemeinsam mit dem Kunden ein professionelles Depot zu erstellen, muss man die Hürde seiner Selbstüberschätzung nehmen. Die ist bei Frauen deutlich geringer als bei Männern. Männer glauben zu wissen, ob der Markt steigt oder fällt, welches Wertpapier das richtige ist etc. Frauen hören zu und wissen das Risiko besser einzuschätzen.
Perndorfer: Eine Spectra-Studie zeigt, dass Frauen ein höheres Vorsorgebedürfnis haben als Männer. Tatsächlich erleben wir, dass weibliche Kunden besser zuhören, mehr wissen, bewusster agieren und genauer auf die Kosten achten.
Morales: Viele Studien belegen auch, dass im Asset-Management gemischte Teams besser performen als rein männliche Teams. Es ist nur leider sehr schwierig, Asset-Managerinnen zu finden, die Branche ist noch immer männlich dominiert.
Plank: Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen weiblichen und männlichen Kunden bei Transparenz und Risikoneigung. Sehr wohl aber bei Sinnfragen: Nachhaltigkeit, die Herkunft eines Investments, wo wird es gemanagt? Bei Veranlagungen geht es Männern um Kupons, den Zinssatz, die Performance. Frauen wählen grüne Veranlagungen, Männer mittlerweile nicht mehr. Mit Raiffeisen Zertifikate sind beide Präferenzen bestens abgedeckt.
Morales: Nachhaltige Veranlagung muss das New Normal werden. Es ist bedauerlich, was wir aus dem Thema machen. Rüstungs-ETFs haben in jüngster Vergangenheit hohe Renditen gebracht: Aber muss ich darin investieren, nur weil es Geld bringt? Nein. Es gibt so etwas wie Haltung, die wir als Branche haben sollten. Wir haben Verantwortung für die nächste Generation, haben als Branche einen Auftrag.
Veyder-Malberg: Ich sehe mich dem Kunden verpflichtet. Ist er bereit, zugunsten von ESG auf Rendite zu verzichten? Dass Ölaktien eine höhere Dividende als Windparks haben, ist eine Tatsache. Der Gesetzgeber will, dass wir 250 Milliarden Euro im Jahr in ESG-Themen bringen. Aber mein Mandant ist der Kunde und nicht die Politik. Ich würde selber nie Rüstungsaktien kaufen oder im Nostro zulassen. Aber wenn ein Kunde Rüstungsprodukte will, werde ich ihn nicht wegschicken.
Morales: Wir missionieren nicht. Aber im Kundengespräch kann man auf Problematiken hinweisen. Auch wenn die Regulartorik das einst so positiv besetzte ESG-Thema immer schwieriger macht.
Wenn ein Kunde rücksichtslos maximale Rendite anstrebt – dürfen Ihre Berater dann auch Öl, Waffen etc. vorschlagen?
Morales: Kontroversielle Waffen und Ähnliches bieten wir nicht an. Aber wir geben zu bedenken: Auch Ölaktien können fallen, und Rüstungsprodukte sind erst durch den Russland-Krieg so attraktiv geworden. Langfristig werden nachhaltige Papiere damit durchaus mithalten können.
Veyder-Malberg: Wir haben in unserem Ethikbeirat lange diskutiert, wie wir mit Ölaktien umgehen. Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA verbietet Produkten, die Ölaktien beinhalten, jedes grüne Labeling. Unsere Entscheidung war: Wir kaufen Ölaktien, aber nur jene, die sich in der Transformation am meisten in Richtung Net Zero bewegen. Wir sind überzeugt, dass wir den Transformationsprozess in der Welt beschleunigen, wenn wir jene unterstützen, die sich in die richtige Richtung bewegen. Wir investieren in die Transition.
Morales: Die Transformation zu unterstützen, das ist unser Auftrag.
Plank: Es braucht auch mehr Balance. Wir haben in der Vergangenheit sehr viel auf ESG und Nachhaltigkeit gesetzt, irgendwann hatte man ein Performancethema. Das führt zu Diskussionen mit dem Kunden. Für den zählt, was unter dem Strich rauskommt.
Wird in wirtschaftlich schwierigen Zeiten die Performance einer Veranlagung wichtiger als Nachhaltigkeit?
Richter: Das Interesse an nachhaltigen Anlagen ist sicherlich gestiegen. Es ist absolut zu befürworten, dass beim Vergleich zweier gleichwertiger Unternehmen in das nachhaltigere investiert wird. Man darf jedoch nicht alles durch die grüne Brille sehen. Wir sind unserer Kundschaft verpflichtet, ihr Vermögen bestmöglich zu verwalten und im Idealfall langfristig zu vermehren. Wird dezidiert eine eindeutig grüne Ausrichtung gewünscht, können wir dem nachkommen, raten aber davon ab.
Plank: Wir haben eine Umfrage gemacht: Würden Kunden für ein grünes Sparprodukt weniger Zinsen akzeptieren als für ein klassisches? Der überwiegende Teil der Kunden lehnte ab. Wir bemerken auch, dass selbst jene Produktanbieter, die lange nur auf grüne Produkte setzten, jetzt wieder klassische Produkte anbieten.
Perndorfer: Wir spüren bei unseren Kunden, dass die Performance wieder im Vordergrund steht. Es floss viel Geld in nachhaltige Fonds, die haben deshalb outperformt. Das hat ein wenig nachgelassen.
Morales: Wem Nachhaltigkeit aus innerer Überzeugung wichtig ist, der bleibt auch jetzt der Thematik treu. Aber natürlich gibt es Kunden, denen die kurzfristige Performance wichtiger ist und die zu klassischen Produkten wechseln. Wir bleiben aber davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit langfristig besser performen wird. Toll wäre ein Transitions-Umweltzeichen, ein Label, das Bemühungen von Unternehmen honoriert, nachhaltiger zu wirtschaften.
Wie verhindert man, dass Kunden in schwierigen Zeiten nervös werden und Fehlentscheidungen treffen?
Richter: Wir empfehlen unseren Kunden von Anfang an eine langfristige Strategie, die zum Risikoprofil passt und auch gegen gröbere Verwerfungen an den Finanzmärkten gewappnet ist. Unser Fokus liegt auf aktivem Management, man kann taktisch gegensteuern, um das Optimum herauszuholen. Hier ist Überzeugungsarbeit wichtig, und in diesem Zusammenhang ist Vertrauen das Um und Auf.
Steiber: Anleger haben zwei Motive: die Gier nach mehr Performance und die Angst vor Verlusten. Was einen guten Private Banker ausmacht, ist, damit umzugehen und den Kunden in der gemeinsam vereinbarten Strategie zu halten.
Veyder-Malberg: Bei größeren Portfolios ab einer Million Euro wird auch die Beimischung von Private Equity interessant. Dazu braucht es viel Beratung, aber abgesehen von den großen Chancen diszipliniert es auch, an ursprünglichen Zielen festzuhalten.
Steiber: Wir bieten Private Equity schon ab 20.000 Euro an. Gerade jüngere Anleger, die noch im Arbeitsprozess stehen, haben eine hohe Affinität zu solchen Veranlagungen und wollen sie mit einer kleinen Summe ausprobieren.
Veyder-Malberg: Private Equity ist illiquid, man bindet sich für zehn Jahre. Das würde ich niemandem mit unter einer Million Euro an liquiden Mitteln anbieten.
Steiber: Wir haben unser Produkt bei Kunden abgetestet, das Interesse war extrem groß. Aber alle sagten, 100.000 oder 150.000 Euro wären ihnen für einen Einstieg zu riskant. Ich bin überzeugt, dass sich Private Equity als Beimischung gut eignet.
Richter: In einem breit diversifizierten Portfolio können wir Private-Equity-ähnliche Renditechancen oft auch über Aktien von KMUs oder spezielle aktiv gemanagte Fonds erreichen, ohne die Nachteile der direkten Beteiligung.
Die Zinswende ist da. Macht das Ihr Geschäft leichter oder schwerer?
Steiber: Die Gesamtbank profitiert nicht davon, aber im Private Banking kommt jetzt der Zeitpunkt, wo es wirklich gut funktioniert. Ich finde es gut, wenn sich junge ESG-Unternehmen günstiger finanzieren können, ihre Chancen auf Wachstum und Erfolg steigen.
Veyder-Malberg: Sinkende Zinsen sind gut für den Kapitalmarkt.
Plank: Für eine Bank mit einem Universalansatz umso mehr, weil dadurch die Aktivseite auch wieder attraktiver wird.
Perndorfer: Dass die Zinsen nach unten gehen, hat sich abgezeichnet. Wir erwarten noch weitere Zinssenkungen. Künftige Deckungsbeiträge werden wieder verstärkt aus dem Dienstleistungsbereich kommen müssen.
Morales: Auch wir erwarten, dass die Phase der Zinssenkungen anhält. Davon profitieren auch Anleihen, die davor ohnehin hart abgestraft wurden. Herzlichen Dank für Ihre Zeit und die rege Diskussion.