Zinsen, Preise und künstliche Intelligenz
Beim traditionellen Immobilien-Round-Table von assets diskutierten führende Köpfe aus der heimischen Immobilienbranche über die wichtigsten Trends und Themen.
Moderation: Robert Prazak
Die Immobilienbranche hat wie alle Sparten mit den Auswirkungen hoher Inflation, steigenden Zinsen und wirtschaftspolitischer Verunsicherung zu tun. Beim bewährten Immo-Round-Table von assets, der im noblen Ambiente des Park Hyatt Vienna stattfand, sprachen Karina Schunker (Geschäftsführerin EHL Wohnen), Walter Neumann (Geschäftsführer Valuita), Michael Schmidt (Geschäftsführer 3SI Immogroup), Hannes Speiser (Prokurist Winegg) und Peter Ulm (pui) über ihre Einschätzung der aktuellen Entwicklung und darüber, was für 2024 zu erwarten ist.
assets: Zur Preisentwicklung gibt es derzeit unterschiedliche Analysen, die sich teilweise widersprechen. Wie ist Ihre Einschätzung?
Karina Schunker: Wir hatten im Herbst vorigen Jahres einen Umschwung bei der Nachfrage von Eigentum in Richtung Miete, getrieben von den Zinserhöhungen, aber auch von der KIM-Verordnung. Wohnungssuchende wollten sich zunächst einmal orientieren und erst in späterer Folge Entscheidungen treffen. Andererseits gab es in den letzten beiden Jahren einen Fertigstellungsboom, der nun gebrochen ist. Seit dem Sommer hat sich das Angebot in Richtung Eigentum entwickelt, wir haben wieder deutlich mehr Besichtigungen vor Ort, ich sehe auch eine Trendwende bei der Nachfrageentwicklung. Die Betriebskostenerhöhungen, die aufgrund der Energiepreise nötig waren, wurden in Kombination mit den Wertanpassungen der Mietverträge vom Markt sehr gut angenommen. Bei den Mieten trifft das knappe Angebot auf eine breite Nachfrage, das heißt, wir rechnen mit einer Wertanpassung für nächstes Jahr, da sind durchaus bis zu acht Prozent möglich. Im Eigentum wiederum erleben wir eine Stagnation der Preise, wir sind auf Vorjahresniveau. Bei Einzelkäufen, vor allem zur Eigennutzung, gibt es aber wieder mehr Entscheidungsfreude, auch wenn der Prozess der Finanzierung etwas mehr Zeit benötigt.
Michael Schmidt: Es wurde ja regelrecht eine Krise herbeigeschrieben und es wurde gesagt, dass die Preise fallen – das ist nicht passiert, die Bauträger halten die Preise. Man muss zwischen Eigentum für Eigennutzer und Eigentum zur Vorsorge unterscheiden. Wir sind als 3SI sehr stark im Altbau tätig, da hatten wir keine Verschlechterung der Nachfrage. Seit Juli erleben wir sogar einen massiven Anstieg der Verkäufe: Innerhalb von drei Monaten haben wir 30 Wohnungen verkauft. Bei passender Infrastruktur gibt es keine Probleme. Die Lage ist ganz wichtig, die klassische 40-Quadratmeter-Vorsorgewohnung ist hingegen momentan nicht gefragt. Dabei ist der Wunsch nach Eigentum, um selbst darin zu wohnen, ungebrochen.
Walter Neumann: Das, was alle hinsichtlich der Preise erwartet haben, ist nicht eingetreten. Die Preise haben zwar nachgegeben, aber man muss schauen, wo sie gefallen sind. Und es ist genau in diesen Randbezirken passiert – da muss auch ganz offen gesagt werden, dass Spekulanten sehr teuer eingekauft haben. Dass dort die Preise irgendwann nachgeben würden, war klar. Aber in guten Lagen, im Neubau und im sanierten Altbau sind die Preise de facto nicht gefallen, sondern haben in letzter Zeit sogar wieder leicht angezogen. Also wird es in diesen Bereichen vorläufig auch keine Schnäppchen geben.
Schmidt: Das Produkt muss einfach passen, dann funktioniert es.
Hannes Speiser: Ich möchte hier unterscheiden zwischen dem Preiseinbruch, der aus meiner Sicht einfach nicht möglich ist, weil die Anforderungen und die Qualität der nachhaltig entwickelten Immobilien werthaltig sind. Wir glauben an den Wohnbau und tun unser Bestes, um Projekte nachhaltig zu entwickeln. Und hier gibt es auch aufgrund der steigenden Anforderungen keinen Preiseinbruch. Indes wird sich das Thema Nachfrage und Angebot in den nächsten Monaten verändern. Es wird auch in Zukunft die Nachfrage nach gut entwickelten Familienwohnungen sowie nach Investitionen in Anlageobjekte bestehen. Selbst in der aktuell anspruchsvollen Phase gelingt es uns, Kaufabschlüsse zu erzielen. Die Anfrage war durch die Rahmenbedingungen gebremst, aber mit den nächsten positiven Signalen wie Rückgang der Inflation oder Rückgang der Zinserhöhungen werden auch die Investitionen in Wohnimmobilien wieder steigen.
Gibt es eine Marktbereinigung in der Immobilienbranche?
Peter Ulm: Deutschland ist uns immer ein halbes Jahr voraus und dort findet diese Marktbereinigung bereits statt, die Banken beginnen jetzt fällig zu stellen. Ich erwarte für das erste Halbjahr 2024 dasselbe in Österreich. Nicht im Sinne großer Pleiten, aber es wird auch hier selektiv eine Marktbereinigung geben, die bisher ja noch nicht stattgefunden hat. Ich rechne aber nicht damit, dass die Preise ins Bodenlose fallen.
Neumann: Es ist an der Zeit gewesen, dass eine solche Marktbereinigung stattfindet. Es werden vor allem die Spekulanten vom Markt vertrieben, die den Markt kaputt machen. Das waren ja keine Projektentwickler, sondern Immobilienspekulanten. Die wollten mit den Immobilien nichts machen, sondern sie nur teurer verkaufen. Das ist nicht der Sinn und Zweck eines Immobilienentwicklers. Und ich bin überzeugt, dass das Geschäft in der Veredelung von Immobilien liegt und nicht darin, sie einfach zu handeln.
Wird es nicht schwieriger, angesichts der Umstände wie hoher Inflation leistbaren Wohnraum zu schaffen?
Ulm: Es gibt keine Patentrezepte, aber einige Vorschläge an die öffentliche Hand, die uns das Leben leichter machen könnten. Das beginnt bei der Abschaffung dieser unglücklichen KIM-Verordnung und reicht bis zu Ideen für die Schaffung von Eigenheim wie die Aussetzung der Grunderwerbsteuer oder auch die Möglichkeit von Investitionsfreibeträgen. Das ist ja keine Spinnerei von uns, sondern in Deutschland gibt es dazu bereits Wohnbaugipfel. Wir müssen einfach Anreize schaffen. Wir reden immer nur über die bösen Bauträger, aber nicht über die Gebühren und Steuerbelastungen, die massiv gestiegen sind. Wir reden über Mietzinsdeckelungen, aber nicht über die Kosten für Energie und Wärme. Die öffentliche Hand ist hier massiv gefordert. Auch in dem Punkt, Wohnbauförderungen denjenigen zugänglich zu machen, die es benötigen. Eine Subjektförderung könnte hier im Vergleich zur derzeit üblichen Objektförderung durchaus Abhilfe schaffen.
Schmidt: Ich verstehe nicht, weshalb Miete gefördert wird, aber Eigentum nicht. Wer Eigentum anschafft, zahlt 20 bis 25 Jahre einen Kredit zurück. Doch bei Mieten zahlt man ewig.
Schunker: Wenn auf politischer Seite darüber diskutiert wird, im bereits reglementierten Mietzins auch noch Abschläge wegen fossiler Brennstoffe zu machen, dann ist das eben genau der falsche Weg. Es braucht Nachhaltigkeitsmaßnahmen und dafür auch Förderungen. Da spreche ich jetzt nicht nur für Wohnraumentwickler, sondern vor allem für die privaten Eigentümer. Bei diesem Thema braucht es auch viel Aufklärungsarbeit. Endkunden wollen wissen, wo es bei einem nachhaltigen Produkt monetäre Einsparungspotenziale gibt.
Nachhaltigkeit erfordert Investitionen. Kann das Käufern bewusst gemacht werden?
Neumann: Die Häuser werden besser, aber auch teurer, und das muss Investoren nähergebracht werden. Nachhaltigkeit kostet Geld, das muss man ganz offen sagen – Geld, das wir uns leisten können und leisten müssen. Biolebensmittel sind ja auch teurer als industriell gefertigte Produkte.
Schmidt: Im Altbau kostet es nicht so viel, nachhaltig zu sein. Diese Bauten stehen ja schon 120 Jahre und wir verdichten mit Dachbodenausbauten nach.
Ulm: Das Wiener Zinshaus ist ein Muster an Nachhaltigkeit.
Gerade der Spagat zwischen Nachhaltigkeit und Leistbarkeit könnte aber schwierig sein, oder?
Speiser: Nachhaltigkeit ist kein Trend, sondern eine Verpflichtung jedes Einzelnen – und das kostet eben mehr. Wir beschäftigen uns intensiv damit, den Kunden nahezubringen, welchen Vorteil die Investition in eine nachhaltige Immobilie bietet. Da sind wir als Bauträger und Projektentwickler einfach gefragt. Und es stimmt: Bestand ist aufgrund der Lebensdauer wirklich nachhaltig, das wird noch zu wenig gefördert.
Ulm: Ich blicke beim österreichischen Fördersystem nur eingeschränkt durch. In Deutschland gibt es ein relativ klares System der Förderungen: Wenn bestimmte Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden, bekomme ich diese Förderung als direkten Zuschuss zu meinen Baukosten. Da haben wir in Österreich noch Luft nach oben.
Die Lage bleibt in allen Preiskategorien ein wichtiges Kriterium, wenn nicht das entscheidende. Gibt es aber überhaupt ausreichend gute Lagen, vor allem in Wien?
Speiser: Man muss hier unterscheiden. Wir identifizieren eigentlich in allen Lagen in Wien, in allen Bezirken, Trendlagen. Es gibt in jedem Bezirk bei geeigneter Prüfung des Umfelds ausgezeichnete Mikrolagen, wo sich Wohnbau wirklich sehr anbietet. Wir haben noch ein riesiges Potenzial im Bestand. Es wird natürlich zunehmend wichtiger, die Stadt gezielt nachzuverdichten.
Schmidt: Durch das geänderte Umfeld mit weniger Konkurrenz hat man schon mehr Chancen, am Markt wieder zu guten Projekten zu kommen. Wenn man es so salopp sagen kann: Es macht wieder Spaß, einzukaufen. Man hat mehr Zeit, Angebote zu prüfen und die Lage wieder gezielter auszuwählen.
Neumann: Es kommt darauf an, was der Verwendungszweck ist. Ich glaube, es gibt für jeden Zweck gute und schlechte Lagen. Muss es eine gut vermietbare Lage sein? Diese Lagen gibt es in Wien in jedem Bezirk. Andererseits gibt es in jedem Bezirk auch schlecht vermietbare Lagen. Aber es kommt zudem darauf an, für wen das jeweilige Projekt eigentlich gemacht wird, ob zur Eigennutzung oder nicht.
Schunker: Der Speckgürtel ist durch die Preissituation nun noch attraktiver geworden, weil dort die Grundstücke noch zu ganz anderen Preisen gekauft werden können und damit das Endprodukt Wohnung zu anderen Preisen angeboten werden kann. Der Speckgürtel weitet sich auch immer mehr aus: Der Umkreis reicht bis hin zu einer Autostunde von Wien. Trotz eigener Mikrolage zählt mittlerweile auch Wiener Neustadt als Alternative. Wien bleibt der Magnet als Stadt mit vielen Jobmöglichkeiten. Aber wenn es darum geht, leistbaren Wohnraum zu schaffen, ist das Umfeld von Wien als attraktive Alternative in den letzten Monaten deutlich gewachsen.
Wie haben sich generell die Wünsche der Käufer in der jüngsten Zeit geändert?
Schunker: Die Anforderungen steigen. Durch den Klimawandel ist eine Verschiebung der Jahreszeiten zu spüren, die Temperaturen steigen. Immobilien sollen daher nachhaltig gestaltet werden, beispielsweise, indem mit Luftwärmepumpen oder Geothermie geheizt oder auch gekühlt wird. Diese Wünsche gibt es vor allem im innerstädtischen Bereich. Seitdem die Energiepreise in die Höhe gegangen sind, hinterfragen Interessenten immer mehr, wie beheizt wird und wie nachhaltig das ist.
Neumann: Ob Klimaanlagen nachhaltig sind, sei dahingestellt, aber in manchen Bereichen geht es derzeit nicht anders. Bepflanzungen sind immer ein Thema. Und ganz klar: Alles, was ich betoniere oder asphaltiere, treibt auch die Umgebungshitze in die Höhe. Grünflächen sind also gefragt. Es gibt schon einige Möglichkeiten abseits von Klimaanlagen, aber ganz ohne diese werden wir es wahrscheinlich nicht schaffen.
Ulm: In Bürogebäuden sind wir mit Geothermie oder Luftwärmepumpen schon relativ gut unterwegs.
Schmidt: Wenn du mitten in der Stadt bist, hast du meistens kaum freie Flächen. Mit Fotovoltaikanlagen bringst du nicht viel zusammen und bei Luftwärmepumpen bist du eingeschränkt, unter anderem wegen des Stadtbildes. Fernwärme wiederum ist massiv teurer geworden.
Ulm: Wir müssen uns bewusst sein, dass wir einer weiteren Erwärmung nicht entgehen können. Und irgendwann wird etwa in Wien das Leben ohne Klimaanlage zur Herausforderung werden.
Klima und Kühlung werden also ganz zentrale Themen für die Branche?´
Speiser: Wir beschäftigen uns so intensiv wie noch nie mit dem Klimaschutz und mit nachhaltiger Energieversorgung. Wir prüfen immer alle Anschlussmöglichkeiten und betrachten die gesamten Lebenszykluskosten. Im Bestand ist das natürlich schwieriger.
Apropos Bestand: Wie entwickelt sich der Zinshausmarkt in Wien?
Ulm: In den letzten eineinhalb Jahren gab es eine rasche Korrektur auf ein nachhaltiges Niveau. Das Zinshaus ist noch immer ein nachhaltiges Investment und absolut werthaltig.
Schmidt: Das Zinshaus ist ein Liebhaberobjekt, es hat immer Potenzial.
Der Markt für Vorsorgewohnungen hingegen scheint sich weniger gut zu entwickeln.
Neumann: Es ist herausfordernd. Wenn man ordentlich kalkuliert, muss mit viel Eigenkapital gearbeitet werden. Da liegen wir heute bei bis zu 50 Prozent Eigenkapital, die erforderlich sind. Da wird halt der Käufermarkt schon dünner. Vor drei Jahren konnte man de facto eine Vorsorgewohnung ohne Eigenkapital kaufen, mit einer Finanzierung von 1,5 Prozent fix auf 25 Jahre. Aber man kann nicht sagen, dass sie vor drei Jahren ein tolles Vorsorgeprodukt war und heute der größte Blödsinn ist. Die Vorsorgewohnung ist nach wie vor ein hervorragendes Veranlagungs- und Vorsorgeprodukt. Es haben sich die Rahmenbedingungen verändert, aber es wird weiterhin in die Vorsorgewohnung investiert.
Hat die Immobilie als Anlageprodukt heute generell mehr Erklärungsbedarf?
Schmidt: Ich glaube, in jedes Portfolio gehört eine Immobilie. Mit einer Wohnung ist man noch nie schnell reich geworden, aber geblieben.
Schunker: Der ursprüngliche Gedanke einer Vorsorgewohnung war, eine Immobilie anzukaufen, um in späterer Folge zusätzliche Einkünfte zu erzielen oder die Möglichkeit zu haben, selbst einzuziehen. Dieses Konzept wurde in der Vergangenheit zusätzlich um das Thema Rendite erweitert. Dazu kam noch die Wertsteigerung der Immobilie durch die starken Preiszuwächse in den letzten Jahren. Jetzt geht der Trend wieder stark in Richtung Renditegedanken, weil die Mieten wiederum stark steigen. Die Vorsorgewohnung als Produkt per se wird nach wie vor sehr geschätzt, wir sind jetzt vor allem mit Eigenkapitalinvestoren in Kontakt. Wir haben aber auch viele Interessenten, die emotional eine Kaufentscheidung treffen – für Kind oder Enkel.
Welche Größen sind heute bei der Vorsorgewohnung gefragt?
Schunker: Früher war die klassische Vorsorgewohnung circa 40 Quadratmeter groß. Das hat sich mittlerweile verändert. Aufgrund der großen Nachfrage dürfen es auch Wohnungen mit drei oder vier Zimmern sein.
Schmidt: Es geht auch um die Fluktuation: Bei einer 30- bis 40-Quadratmeter-Wohnung wechseln die Mieter öfters.
Neumann: Man muss auch sagen, dass sich der Markt bei der Vermietung gedreht hat: Früher hat man Ein- bis Zweizimmerwohnungen deutlich leichter vermietet. Nun ist die Nachfrage nach Wohnungen mit drei oder vier Zimmern extrem angestiegen – und damit auch die Mietpreise. Heute kann man empfehlen, lieber größere Wohnungen zu kaufen, weil diese nachhaltig besser vermietbar sind. Zudem gibt es von kleinen Wohnungen schon jede Menge am Markt, von den großen eher wenige.
Das Interesse der Investoren ist zuletzt wieder leicht gestiegen, zeigen Analysen. Wie beurteilen Sie die Nachfrage, vor allem aus dem Ausland?
Ulm: Es kann nur steigen.
Schmidt: Sobald eine Zinserhöhung nicht stattfindet, wird die Stimmung wieder viel besser sein – das wird auch mehr als positive Auswirkungen auf den Markt haben.
Ulm: Am Logistikmarkt passieren noch Transaktionen, da waren die Renditen auch nie so tief wie im Wohnbereich. Die Frage wird einfach sein: Wo beginnen sich die Renditen einzupendeln?
Wie sieht es am Büromarkt aus?
Ulm: Wir sehen einen latenten Nachfrageüberhang und Wien hat mit rund vier Prozent Leerstand quasi Vollvermietung. Das Finanzieren ist durchaus herausfordernd, aber die Marktlage ist gut.
Die Märkte für Büro- und Wohnimmobilien überschneiden sich beim Thema Homeoffice, das seit der Coronapandemie ja populärer wurde.
Schmidt: Ich glaube, wir kommen wieder mehr zurück zum Office.
Schunker: Auf der Nachfrageseite sehen wir, dass es begrüßt wird, wenn es ein zusätzliches Zimmer gibt.
Schmidt: Es muss nicht immer ein Extrazimmer sein. Wir versuchen zum Beispiel, Nischen für einen Schreibtisch zu gestalten, das ist auch schon ein Mehrwert.
Neumann: Wer es sich leisten kann, kauft um einen Raum größer.
Stichwort Kaufen: Die Eigentumsquote ist in Österreich schon sehr niedrig. Wird sie weiter sinken?
Ulm: Die beste Vorsorge ist eine Eigentumswohnung. Es ist für mich politisch unverständlich, dass Eigentum nicht mehr gefördert wird.
Schunker: Die KIM-Verordnung hat einen stark dämpfenden Effekt. Deswegen wäre es zu begrüßen, wenn es eine Lockerung gäbe. Das könnte die Nachfrage bei Eigentum stärken, vor allem bei Jüngeren, die etwa frisch nach dem Studium auf der Suche nach einem Eigenheim sind. Denen wird der Ankauf beinahe verwehrt.
Ulm: Es müsste politisch gewollt werden: Grundsteuer abschaffen, Zinsen steuerlich abzugsfähig machen, dazu zinsfreie Perioden in den ersten fünf Jahren. Den 25-Jährigen muss man ermöglichen, mit 60 eine abbezahlte Wohnung zu haben. Das garantiert eine stabile Gesellschaft.
Speiser: Anfang 2021, gegen Ende der Nullzinspolitik, haben wir eine Statistik gemacht: 40 Prozent unserer Käufer waren unter 35. Damals haben die Jungen alles richtig gemacht und in Neubauprojekte oder Bestandsobjekte investiert. Jetzt braucht es nicht nur die entsprechende Zinspolitik, sondern auch andere Förderungen, um das wieder möglich zu machen. Es geht um die Vorsorge und eine Investition in die Zukunft.
Sind Immobilieninvestments bei jüngeren Zielgruppen überhaupt noch ein Thema?
Schunker: Wenn man sich am Markt umhört, dann auf jeden Fall. Eigentum zu schaffen, ist noch immer ein Ziel. Es wird aber aufgrund der Rahmenbedingungen. erschwert. Der Wunsch jedoch ist ungebrochen hoch.
Schmidt: Der Wunsch nach Eigentum ist groß. Doch die KIM-Verordnung verhindert Eigentum. Wir haben zwar mündige Bürgerinnen und Bürger in Österreich, doch mittlerweile sind sie bei der Kreditaufnahme entmündigt. Sie dürfen bei der Miete ausgeben, was sie wollen, aber beim Kredit sind sie so eingeschränkt, dass sie immer weniger Quadratmeter kaufen dürfen.
Speiser: Aus unserer Sicht führt die KIM-Verordnung dazu, dass immer weniger Eigentum geschaffen wird und dadurch auch Gutverdiener eher in hochpreisige, größere Mietwohnungen gehen.
Schmidt: Die KIM-Verordnung ist in der Politik bereits ein großes Thema, da wird und muss sich etwas tun.
Künstliche Intelligenz ist derzeit in aller Munde. Setzen Sie diese Technologie schon in Ihrem beruflichen Alltag ein und wie wird diese in Zukunft verwendet werden?
Schunker: Ich beschäftige mich intensiv mit dem Thema, vor allem, wenn es um Prozessvereinfachungen geht. Aber was derzeit am Markt angeboten wird, ist für meine Zwecke noch nicht ausgereift. Ich glaube, es wird in schnellen Schritten vorangehen. Es geht um Themen wie Datenmanagement, Datenoptimierung, Tracking und die Nutzung von Immobilien.
Schmidt: Wir haben dazu einen Innovationswettbewerb durchgeführt und haben eine Mitarbeiterin, die sich fast ausschließlich mit künstlicher Intelligenz beschäftigt. Wir nutzen KI teilweise, aber noch nicht so ausgeprägt, wie wir es könnten. Ich bin überzeugt, dass die Branche massiv von KI profitieren kann.
Neumann: KI hilft bei der Ideenfindung. Natürlich kommen derzeit noch Blödheiten heraus. In der Zukunft wird sie aber in der Immobilienbranche mehr und mehr einsetzbar sein.
Speiser: Mit Digitalisierung beschäftigen wir uns schon lange und sie hilft uns in vielen Bereichen. KI gibt dem Ganzen einen neuen Schub. Wir machen beispielsweise bereits etwas in Sachen KI-unterstützte Immobilienbewertung, das hilft uns bei der Datenverarbeitung riesiger Datensätze im gesamten Portfolio. Wir denken, dass KI eine Art Revolution sein wird, die vieles verändert. Andererseits bin ich froh, dass Expertise, Professionalität und Leidenschaft unersetzbar bleiben.
Ulm: Ich kann noch nicht überblicken, was KI bringen wird. Sie könnte die Vermarktung und die Gestaltung von Exposés einfacher machen, möglicherweise auch Besichtigungen. Es wird keine Evolution, sondern eine echte Revolution, für uns alle. So wie das Internet vor einigen Jahren eine Revolution war.
Was sind Ihre Erwartungen für das nächste Jahr?
Ulm: Ich denke, der Professionalisierungsschub, der heuer begonnen hat, wird sich fortsetzen und seriöse Player werden geordnete Rahmenbedingungen vorfinden.
Speiser: Wir setzen weiterhin darauf, dass professionell und nachhaltig Wohnimmobilien entwickelt werden, und wir werden unseren Beitrag dazu leisten. Was den Markt betrifft: Wenn die Inflation sinkt und es positive Trends gibt, wird es eine Marktumkehr geben. Dann wird sich die Nachfrage nach Immobilien positiv entwickeln. Ich erwarte für 2024 wieder mehr Aufbruchstimmung von allen. Es werden einige Risikofaktoren für Investoren und Käufer wegfallen. Ich hoffe auch auf eine gewisse Marktbereinigung, also darauf, dass die Spekulanten vom Markt verschwinden.
Neumann: Es wird noch ein wenig dauern, bis die Aufbruchstimmung kommt. Wir werden schon noch eine herausfordernde Zeit vor uns haben, aus der die Immobilienbranche aber gestärkt herauskommen wird.
Schmidt: Wir haben so viele Projekte wie noch nie, wir bauen gerade 14 Projekte, die alle 2024 fertig werden. Das heißt, wir glauben an die Wohnungsimmobilie und wir glauben ans Eigentum, alle unsere Projekte sind Eigentum. Weiters bin ich von einer Verknappung am Wohnungsmarkt überzeugt, insbesondere in den innerstädtischen Bezirken. Die Zinsen werden 2024 nach meiner Einschätzung nicht mehr erhöht werden, die Baupreise werden ein wenig hinuntergehen. Schunker: Ich erwarte, dass die Zurückhaltung, die Entwickler und Bauträger gegenwärtig an den Tag legen, aufgeweicht wird und die Nachfrage nach zusätzlichem Wohnraum gedeckt werden kann.