Reise – Ein Morgenhimmel voller Geigen

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Ganz großes Kino: Eine Bucht an der Amalfiküste, die Sonne erhebt sich aus dem Meer und ein Spitzenorchester spielt vor Ort dazu. assets präsentiert die besten Musikfestivals 2024 und passende Traumhotels wie das Caruso in Ravello, die den Genuss perfekt machen.
Text: Karl Riffert

Er galt schon zu Lebzeiten als Genie, abgöttisch verehrt von den einen, gehasst von den anderen, und dann, mit 67, machte sich Richard Wagner auf den Weg von Amalfi zum malerischen Bergdörfchen Ravello hoch über der Bucht von Salerno. Die Küste von Amalfi, 50 Kilometer lang, südlich von Neapel gelegen, ist von atemberaubender Schönheit. Der Dichter Giovanni Boccaccio schrieb schon im 14. Jahrhundert in „Il Decamerone“: „Die Amalfiküste ist der herrlichste Teil Italiens!“

Heute erreicht man Ravello von Amalfi aus mit dem Auto in zwanzig Minuten. Im Mai 1880, als Richard Wagner nach Ravello aufbrach, war dies eine der rückständigsten Gegenden Italiens. Es gab keine Straße und der Komponist musste sieben Stunden lang auf einem Esel bergauf reiten.

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Parsifal im Zaubergarten

Mehr als zwei Jahrzehnte lang hatte Wagner vergeblich an seinem „Parsifal“ herumgetüftelt, war aber über den ersten Akt nicht hinausgekommen. Die Magie eines Ortes – der mittelalterlichen Villa Rufolo an der Klippe von Ravello –, die samt Gärten von einem wohlhabenden Engländer aufwendig instand gesetzt worden war, änderte alles. „Ich habe den Zaubergarten von Klingsor gefunden!“, notierte Wagner begeistert. Und so brachte Wagner seinen „Parsifal“ zu einem guten Ende.

Die Villa Rufolo, ihre Gärten und ein vom berühmten brasilianischen Architekten Oskar Niemeyer entworfener Konzertsaal sind jährlich Schauplatz eines einzigartigen Musikfestivals, des Festivals von Ravello. Gegründet 1934, haben hier vor gewaltiger Naturkulisse große Orchester aufgespielt: Philharmoniker aus London, aus Sankt Petersburg, aus Mailand, aus vielen Ländern.

Das berühmteste Konzert des Festivals findet um fünf Uhr morgens statt, im Freien auf einer 350 Meter hohen Klippe mit Blick auf die Bucht von Salerno, genau dann, wenn die Sonne majestätisch über dem Meer aufgeht: das einzigartige „Concert of the Dawn“, das Konzert der Morgenröte. „Menschen aus aller Welt wollen Karten dafür und es ist innerhalb einer halben Stunde ausgebucht“, sagt Maurizio Pietrantonio, Stargeiger und Intendant des Festivals. „Manche Besucher des ,Concert of the Dawn‘ sind so ergriffen, dass sie sogar weinen, wenn die Sonne über dem Meer aufgeht.“

Musikfestivals haben eine lange Tradition. Das erste überhaupt begeisterte schon vor 2.500 Jahren in der griechischen Antike das Publikum. Die Pythischen Spiele fanden wie die Olympischen alle vier Jahre statt, nur ging es dabei nicht um Sport, sondern um Musik, Poesie, Redekunst. Und schon damals legten die meist wohlhabenden Besucher Wert auf Komfort, auf ein komfortables Triclinium, ein Speisesofa, und erlesene kulinarische Köstlichkeiten, die allerdings von Männern und Frauen zu jener Zeit getrennt genossen wurden. Glücklicherweise hat sich letztere Sitte in Europa nicht gehalten.

Luxus und Leiden

Das schönste Hotel von Ravello befindet sich nur ein paar Minuten zu Fuß vom musikalischen Schauplatz des Festivals entfernt und ist ein romantisches Hideaway für zwei. Es trägt den großen, aber in diesem Fall irreführenden Namen „Caruso“. Der Namenspate war der Weingutbesitzer Pantaleone Caruso, der 1893 einen Flügel eines Palastes aus dem 11. Jahrhundert in eine Herberge für reiche Engländer instand setzte. Er nannte sie Pensione Belvedere, weil die Gäste einen fantastischen Blick von hoch oben auf die Bucht von Salerno genossen. Eigentlich hieß das historische Bauwerk „Palazzo D’Afflitto“, der Palast des Leidens. Der Erbauer, aus einer reichen Fürstenfamilie, war bei einem Schiffbruch auf einer Reise nach Konstantinopel nur knapp dem Tod entgangen.

Die alte Geschichte schreckte freilich niemanden ab. Bald kamen auch illustre Gäste aus Amerika wie Virginia Woolf, Greta Garbo, Humphrey Bogart, Jackie Kennedy, viel Jetset.

Jackie Kennedy war es übrigens auch, die während ihres langen Sommerurlaubs 1962 die Amalfiküste in Amerika populär gemacht hat. Die Präsidentengattin, die ohne Mann anreiste, war 30, jung, schön, lebenslustig und fuhr jeden Morgen mit einem Fiat 600 Cabrio runter zum Meer, zur Conca dei Marini, um dort mit einem Motorboot und einem ständigen Begleiter Wasserschi zu fahren. Der Begleiter war sehr gut aussehend, sehr reich und galt als notorischer Frauenverführer: Fiat-Eigentümer Gianni Agnelli. Die Paparazzi berichteten hechelnd von einer angeblichen Affäre, und so wurde die Amalfiküste weltberühmt.

2005 erwarb ein gewisser James Sherwood das Caruso. Sherwood war jener „verrückte“ Selfmade-Millionär, der die Waggons des eingestellten legendären Orient-Express aufgekauft und sie für ein Vermögen renovieren hatte lassen. Und er gründete die Hotelkette Orient-Express, die heute Belmond heißt und zum Louis-Vuitton-Imperium gehört.

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Spaghetti für Frau Keys

Das Belmond Caruso also mit seinen 50 Zimmern, seinem traumhaften 20 mal 60 Meter großen Infinitypool mit Blick hinunter auf die Bucht von Salerno, mit seinen zwei Restaurants und seiner Bar, ist heute ein beliebtes Luxusferiendomizil für die sogenannten Reichen und Schönen, aber auch für Musikliebhaber. „Wir organisieren für unsere Gäste Karten für das Festival und beim ,Concert of the Dawn‘ sorgen wir schon um halb fünf Uhr morgens für einen Coffee to Go und Croissants zum Mitnehmen“, sagt Hotelmanagerin Iolanda Mansi. „Nach dem Konzert gibt es ein besonders feines Frühstück.“ Auf Wunsch auch auf der eigenen Terrasse, die fast alle Zim­mer haben. Barkeeper Tommaso, der schon seit zwei Jahrzehnten im Caruso Cocktails mixt, erinnert sich zum Beispiel an eine morgendliche Portion Spaghetti, die er Alicia Keys direkt ans Bett brachte.

Sauer macht glücklich In Ravello hängt der Himmel nicht nur voller Geigen, sondern auch voller Zitronen. Die Früchte der berühmtesten Sorte werden bis zu 400 Gramm schwer und sie sind vollständig essbar, einschließlich der Schale: Die Zitrone nennt sich stolz Sfu­sato Amalfitano. Im Belvedere, dem Restaurant mit der wunderbaren Aussicht, macht Küchenchef Armando Aristarco gerne Linguine mit Zitronen aus Ravello und Kapern. Und an der Bar enthält jeder zweite Cocktail Zitroniges, zum Beispiel eine Kreation, die sich Wagner nennt, saftige 28 Euro kostet und Zitronen, Limoncello, Zitronensorbet, Minze und Prosecco vereint. Ob Wagner als Cocktail mundet, ist nicht ganz sicher, aber der Mix aus gewaltiger Naturkulisse, großen Orchestern und einem traumhaften Hotel bleibt in jedem Fall unvergesslich.

Bed and Music

Die besten Musikfestivals 2024 kombiniert mit den schönsten Herbergen.

Ravello Festival
2. Juli bis 30. August
www.ravellofestival.info
Hoteltipp: Belmond Caruso. Traumhotel in einem Palast aus dem 11. Jahrhundert auf einer 350 Meter hohen Klippe, Infinitypool mit fantastischem Blick, Gourmetküche, top in Ravello, ab rd. 900 Euro.
www.belmond.com

Salzburger Festspiele
19. Juli bis 31. August
www.salzburgerfestspiele.at
Hoteltipp: Schloss Mönchstein. Hoch über der Stadt, schöner Pool, Haubenrestaurant. Per Mönchsbergaufzug ist man in 30 Sekunden in der Altstadt. Ab rd. 500 Euro.
www.monchstein.at/de/

Bayreuther Festspiele
24. Juli bis 27. August
www.bayreuther-festspiele.de
Hoteltipp: Goldener Anker. Seit 13 Generationen von derselben Familie geführt, 35 Zimmer, fast neben dem Opernhaus, Luxus mit Geschichte, ab rd. 250 Euro.
www.anker-bayreuth.de

London: Night of the Proms
19. Juli bis 14. September
www.bbc.co.uk/proms/events/by/date/2024
Hoteltipp: Baglioni Hotel. Fast direkt bei der ­Royal Albert Hall, wo die meisten Konzerte stattfinden. Traumblick auf den Hydepark. Ab rd. 800 Euro.
london.baglionihotels.com

Arena di Verona Opera Festival
7. Juni bis 7. September
www.arena.it/de
Hoteltipp: Due Torri. Jahrhundertealtes Luxus­juwel im Herzen der Altstadt. Julias Balkon und die Arena ganz nah. Goethe und Mozart übernachteten schon hier. Ab rd. 390 Euro.
www.duetorrihotels.com/en

Luzern: Lucerne Festival
13. August bis 15. September
www.lucernefestival.ch/de
Fünf Wochen, 100 Konzerte, Weltstars.
Hoteltipp: Mandarin Oriental Palace. Großartige Belle-Époque-Eleganz seit 1906. Traumblick auf den Luzerner See. 136 Zimmer. Ab rd. 815 Euro.
www.mandarinoriental.com

Warschau: Chopin Festival
17. August bis 8. September
festiwal.nifc.pl/en/2024/poprzednia-edycja
Hoteltipp: Verte Marriott, Autograph Collection. Stilvoller Barockpalast nahe dem Königsschloss. 94 Zimmer. Ab 200 Euro.
www.marriott.com

Seiji Ozawa Matsumoto Festival
19. August bis 6. September
www.ozawa-festival.com/en
Hoteltipp: Relais & Chateaux Tobira Onsen ­Myojinkan. Im Herzen der japanischen Alpen, eröffnet 1931. Architekturjuwel am Wasser mit 44 Zimmern, Suiten, Villas. Warme Quellen ­(Onsen), französische Küche, ab 519 Euro.
www.relaischateaux.com/us/hotel/tobira-onsen-myojinkan/