assets Magazin: Alexander Schönegger

Rauch- Zeichen

Changemanagement der radikalen Art

Ein oft gehörter Satz, der längst nicht mehr überrascht: „Hören Sie zu rauchen auf!“ Man weiß um die Gefährlichkeit des Zigarettenkonsums, schon 1971 wurde deshalb Radio- und TV-Werbung für die Rauchware ­verboten. Seitdem ist das Gesundheitsbewusstsein noch einmal deutlich gestiegen. Aber jetzt kommt die Aufforderung, das arg schäd­liche Rauchen einzustellen, ausgerechnet von Philip Morris – dem weltweit größten ­Zigarettenhersteller in Privatbesitz. 

Imageprobleme

Was aber reitet den Konzern mit Börsennotierung in New York, der sechs der 15 beliebtesten Zigarettenmarken der Welt sein eigen nennt, fast 80 Milliarden US-Dollar umsetzt und ca. 73.000 Mitarbeiter rund um den Globus beschäftigt, so etwas zu sagen? Noch dazu nicht klammheimlich und gesetzlich erzwungen, sondern laut und freiwillig? Auch auf der unternehmenseigenen Homepage schwärmt man von einer rauchfreien Zukunft. Alexander Schönegger, Managing Director von Philip Morris Austria, holt zur Erklärung weit aus: „Man muss sich den Markt ansehen. Laut WHO wird es 2025 1,1 Milliarden Raucher auf der Welt geben. Das Problem dabei: Als Option für Raucher, die eine Veränderung anstrebten, blieb lange Zeit nur der komplette Rauchstopp. Den allerdings – laut Studien – nur 35 Prozent dauerhaft bewältigten. Der große Rest kehrte mit schlechtem Gewissen in die Trafik zurück.“ Denn, so Schönegger: „Das Wissen um die Risiken des Rauchens wird immer größer.“  

Aber Rauchen macht bekanntlich süchtig. Deshalb reagieren auch immer mehr Staaten mit immer strengeren Restriktionen. „Rahmenbedingungen, die sich jährlich verändern und an die wir uns natürlich halten“, sagt Schönegger dazu. 

Dafür braucht es eine Menge Geld, wie etwa die vorgeschriebene Umgestaltung für Zigarettenpackungen zeigt, die in einigen Ländern nicht mal mehr den Markennamen zeigen dürfen. 

Sinkende Margen, ein schlechtes Image und fehlende Marketingmöglichkeiten sind ein toxischer Mix – vor allem für
einen Konzern, der an der Börse notiert. Viele der immer beliebter werdenden Ethik-Fonds etwa haben sich längst ein Verbot zum Investieren in Tabakkonzerne auferlegt. Philip Morris hat das Problem bereits vor zehn Jahren erkannt. Über sieben Milliarden US-Dollar wurden investiert, um gemeinsam mit 400 Wissenschaftlern und Experten einen neuen Weg zu finden. Die gefundene Lösung heißt: IQOS. Ein akkubetriebenes Gerät, das Tabak nicht mehr verbrennt, sondern nur mehr auf maximal 350 Grad Celsius erhitzt. Statt Rauch werden Aerosole erzeugt und inhaliert. Seit 15. Mai ist IQOS auch in Österreichs Trafiken erhältlich und damit auch eines der letzten EU-Länder erobert.

„Weniger Schadstoffe“

Für Philip Morris scheint IQOS tatsächlich gleich eine ganze Reihe an Herausforderungen zu lösen. „Am wichtigsten sind die Folgen für die Nutzer. IQOS verbrennt nichts. Dementsprechend werden bei der be­stim­mungs­gemäßen Verwendung durch­schnittlich 95 Prozent weniger Schad­stoffe im Vergleich zu Zigaretten freigesetzt. Ausgenommen davon ist Niko­tin. Das Produkt ist aber nicht risikofrei. Die Schadstoffreduktion bedeutet nicht notwendigerweise eine Reduktion des ­Risi­kos um 95 Prozent.“ 

Zudem sei das Produkt eine taugliche und nachhaltige Alternative für Zigarettenraucher, so Schönegger. Außerdem verleiht es dem Erfinder das bei Anlegern begehrte Image des Innovators und eröffnet auch im Vertrieb völlig neue Wege. Denn: IQOS ist schick aufgemacht, Verpackung und Präsentation erinnern eher an die Produkte eines hochpreisigen IT-Riesen aus Kalifornien denn an Apparate für Tabakkonsum. Im Ausland wuden in urbanen Zentren sogar Flagship-Stores eröffnet, mit jungem Personal in modischem Slim Fit und einer Möblierung, die auch in angesagten Bars in trendigen Stadtvierteln nicht verkehrt wäre. Dort gustiert man in Ruhe, wird auf einen Kaffee eingeladen und darf die Innovation ausprobieren. Mit einem Laden für den schnellen Reibach haben die IQOS-Flagship-Stores so gar nichts gemeinsam. Für Schönegger ist diese postmoderne Marketingwelt übrigens vertrautes Terrain: Der WU- und Erasmus-Rotterdam-Absolvent machte Karriere bei Nestlé und stieg zum President and Representative Director Nespresso Japan auf, ehe er 2018 zu Philip Morris stieß. 

Einen Experten wie ihn wird es auch brauchen, um die österreichischen Raucher auf die neue Alternative aufmerksam zu machen. Nicht nur, weil schicke Flagship-Stores für Tabakprodukte in Österreich nur schwer umzusetzen sind, da die Tabaksticks nur in Trafiken verkauft werden dürfen. „Dafür haben wir mit den 5.000 Fachgeschäften und Verkaufsstellen eines der dichtesten Vertriebsnetze in ganz Europa. Zudem stellen die Trafi­­kanten sicher, dass der Jugendschutz ein­gehalten wird“, streut Schönegger den
zuletzt von staatlichen Anti-Rauch-Kampagnen arg gebeutelten Händlern Rosen.

Viel schwerer wiegt, dass Philip Morris mit IQOS sein komplettes Geschäftsmodell verändert. „Plötzlich haben wir ein Gerät, für das wir Serviceleistungen erbringen und Gewährleistungsansprüche erfüllen müssen. Wir kommen dadurch erstmals direkt mit dem Endkonsumenten in Kontakt, bisher waren wir nur Lieferant für Fachhändler. Das erfordert eine komplett neue Logistik und eine viel komplexere Kommunikation.“ 

Alles anders

„Kurz gesagt: Wir müssen das ganze Unternehmen komplett neu ausrichten“, fasst der Österreich-Chef die nicht gerade geringe Herausforderung zusammen. An deren Bewältigung wird bereits mit Hochdruck gearbeitet. Schritt eins: Digitale Kanäle wurden errichtet, Konsumenten, Verkäufer und Hersteller miteinander vernetzt, Feedback-Kanäle geöffnet. Der wesentlich dramatischere Schritt zwei: „Ich habe ganz bewusst unsere Arbeitsweisen verändert. Wir basieren unsere Entscheidungen jetzt auf Konsumenten-Feedback, das ich in einer Consumer Journey abbilde. Die Fragestellung lautet: Welche Probleme gibt uns der Kunde weiter? Womit ist er zufrieden, womit nicht? Daraus versuchen wir Lösungsansätze zu generieren. Das ist eine für Philip Morris völlig neue Herangehensweise.“ Der dritte Schritt: „Jede Problemlösung ist ein Projekt, das in einer kleinen Gruppe ab­gearbeitet wird. Das verändert die Orga­ni­sation  komplett: Bisher war das Unternehmen nach Funktionen aufgeteilt, jetzt organisieren wir es in kleinen Projektgruppen in nicht hierarchischer Zusammenarbeit.“ Dazu kommen Umweltprojekte, freiwil­lige Müllsammelaktionen der gesamten Belegschaft in den Donau­auen und die dezente und nicht gebrandete Unterstützung von Kampagnen, die zur fachgerechten Entsorgung von Zigarettenstummeln aufrufen.

assets Magazin: Philip Morris bekämpft Imageprobleme

„Ich habe bewusst die ganze Arbeitsweise im Unternehmen verändert.“

– Alexander Schönegger – 
Managing Director Philip Morris Österreich

Die große Vision

Viel radikaler kann man ein Unternehmen nicht umstellen. Weswegen auch neues Personal benötigt wurde. „Wir sind ein sehr junges Team, die meisten Mitarbeiter sind erst seit ein oder zwei Jahren im Unternehmen und gewohnt, in Projektgruppen und nicht nach Hierarchiestufen zu arbeiten. Wir sind getrieben von der Vision, den Konsumenten und die Customer Journey ins Zentrum unserer Denkweise zu stellen, das neue digitale Umfeld stellt die Werkzeuge dafür zur Verfügung.“ 

Was stark nach salbungsvollen Worten in vorsätzlich emotionalisierten und bereitwillig ausgehängten Firmen­philosophien klingt, ist bei Schönegger Überzeugung: „Die Vision als treibende Kraft, konsumentenorientiertes und projektzentriertes Arbeiten und umfassende Digitalisierung, um alle Prozesse zu verbinden: Ich bin überzeugt: Die meisten Unternehmen, die in den nächsten zehn Jahren erfolgreich sein wollen, kommen an all diesen Schritten nicht vorbei.“

Und Erfolg will Philip Morris mit IQOS auch in Österreich jedenfalls haben. Die Vorgaben aus den anderen Ländern, wo die Zigaretten-Alternative schon früher eingeführt wurde, sind jedenfalls hoch. In Japan etwa liegt der IQOS-Marktanteil am Rauchermarkt schon bei 18 Prozent. In Europa hofft man, bald ähnliche Erfolgsmeldungen in die Zentrale kabeln zu können. „In Deutschland liegen wir insgesamt bei zwei Prozent Marktanteil, in einigen Städten erreichen wir schon fünf Prozent. In Italien sind wir noch besser unterwegs, in Bologna, wo eine Fabrik für unsere Tabaksticks steht, kratzen wir schon an der 20-Prozent-Grenze beim Marktanteil“, plaudert Schönegger aus der Schule. „Überall in Europa entwickeln sich die Zahlen in eine sehr erfreuliche Entwicklung. Ich hoffe, das wird in Österreich auch so sein.“ Eine berechtigte Hoffnung: Während der vergangenen Wochen waren Tabaksticks in einigen Trafiken immer wieder ausverkauft.  

Copyright: © Philipp Tomsich