assets Magazin: Titelkauf

Titel durch Mittel

„Die Eitelkeit des Menschen ist grenzenlos. Titel bringen Reputation und kompensieren für Kompetenz und Glaubwürdigkeit.“ So erklärt (Dr.) Thomas Schulte den ungebremsten Run auf Fake-Titel. Der Berliner Rechtsanwalt beschäftigt sich seit den 90er-Jahren mit Titelbetrug im akademischen Bereich und dessen juristischen Rattenschwänzen. „Angeberei und Täuschung sind quasi systemimmanent in der Evolution. Wer besser wirkt, hat bessere Chancen.“ Wem also Zeit oder Muße zum Studieren und Dissertieren fehlt, der kommt auch über Umwege an die begehrten paar Buchstaben. Wir zeigen wie.

Doktor gegen Geld: eine Anleitung

Ist die Visitenkarte öd und leer, soll bitte schnell ein Doktor her. Und das mit nicht allzu großem Aufwand, wenn’s leicht geht. Gott sei Dank mahlen die Titelmühlen fleißig und unbehelligt von Affären wie jenen um ehemalige Ministerinnen. Und das geht so: Person möchte Titel, findet Vermittlungsstelle, wird Doktorvater vorgestellt, kommt unkompliziert zu Forschungsthema, schreibt Arbeit, promoviert. Und das meist in Rekordzeit. Die akademischen Kontakte vermittelt ein sogenannter „Promotionsberater“. Dieser arbeitet mit Partnerunis aus dem Ausland zusammen, die in Österreich nicht immer anerkannt sind. Gibt es da nicht eine Liste oder Datenbank vertrauenswürdiger Unis, die das verhindern könnte? Leider nein, meint Rechtsanwalt Schulte: „Eine Uni, die vor wenigen Jahren noch unseriös war, kann einen Qualitätssprung machen und heute ordentliche Diplome ausstellen. Die akademische Welt ist immer in Bewegung.“ Auch eine dezidierte Blacklist gibt es nicht. Hier müsste schon Sherlock ausrücken: „Wenn Urteile in einer Causa des Titelbetrugs veröffentlicht werden, können Sie nachlesen, welche Unis betroffen waren.“ Für Laien seien Fake-Titel übrigens kaum zu erkennen. Dazu müsse man schon die Universitäten, die Studiendauer und das Fachgebiet besser kennen.

Promotionsvermittlung zahlt sich jedenfalls aus: 3.000 Euro kosten die „Beratungsleistungen“. Der fertige Titel kostet dann ca. 30.000 Euro. Ein Ende der Titelschacherei ist nicht in Sicht. „Unter Talaren liegt Staub von tausend Jahren“, seufzt Schulte. Solange Menschen weiterhin wissenschaftliche Arbeiten abliefern müssen, deren Ziel die Schließung einer künstlich geschaffenen und ergo sinnlosen Forschungslücke ist und die obendrein mit dem praktischen Arbeitsalltag der Verfasser nichts zu tun haben, wird es auch Titelmühlen und Promotionsvermittler geben. Hier müsste sich das Bildungssystem ändern.

Wenn der Geist schreibt

Titel, ja, aber Arbeit schreiben ist zu mühsam? Schreiben lassen, statt selbst zu schreiben – lautet die Devise! Hinter der Beauftragung von Ghostwritern steckt allerdings meist nicht die Absicht des Betrugs, sondern reiner Zeitdruck. Wer sich zwischen Kindergarten und Forschungsfeld kein Burnout holen will, braucht Hilfe. Das sieht der österreichische Gesetzgeber aber anders und stellt das Anbieten von Ghostwriting in Österreich seit März 2021 unter Strafe. Den hilfesuchenden Blick und ein wenig Bares wirft man am besten nach Deutschland oder in die Schweiz. Dort reiben sich die Besitzer großer Ghostwriting-Agenturen bereits die Hände. Denn die Anzahl jener, die Unterstützung beim Schreiben brauchen, ist nach dem hiesigen Schubs in die Illegalität alles andere als rückläufig. Eine Bachelor-Arbeit kostet übrigens zwischen 2.000 und 3.000 Euro. Die Schätzung für Masterarbeiten ist schwieriger. „Wirtschafts-Blabla geht einfach“, erklärt der Ex-Besitzer einer österreichischen Ghostwriting-Agentur. „Für Naturwissenschaften braucht man Ghostwriter, die sich mit der Materie gut auskennen. Und das kostet.“

Mit kleinem Börserl zum Ehrendoktor

Eine andere Gattung des Titelkaufs betreiben Anbieter, die mit fantasievollen Ehrentiteln wedeln. Auf „title-town.de“ ersteht man um 35 Euro einen nach Aura-Analyse duftenden „Doctor of Alternative Art of Healing“. Eine „kleine Spende“ an das California Church and University Institute, Inc. soll’s richten. Lieferzeit: drei bis vier Werktage. So schnell hat davor noch niemand promoviert. Das Versprechen: Ansehen, Respekt und keine Probleme, wenn man den Dr. h. c. auch auf die Visitenkarte drucken möchte. Die gibt es übrigens gleich dazu, 500 Stück für 49 Euro. Kann man die erstandenen Titel und Urkunden aber dann auch verwenden? Die Antwort: Ja. Für den Eigengebrauch und als Jux im Freundeskreis, denn Ehrentitel unterliegen keiner Reglementierung des Gesetzgebers und gelten somit auch nicht als Befähigungsnachweis zu Gewerben oder als akademische Grade. Und sonst? Erraten: Altpapier.

Lord of Kerry für 39,95 Euro

Wem Master und Doktor nicht reichen, der kann sich um einen Adelstitel bemühen. Da Noblesse bis heute zieht, verdienen sich ein paar findige Webseitenbetreiber mit klingenden Namen und selbst gebastelten Wappen ein schönes Zubrot. Auf „adelstitel-kaufen.com“ können Titel erstanden werden, die nicht mehr existierenden Adelsgeschlechtern gehört haben sollen, oder aber auch „echte“ irische Titel. „Lord of Kerry“ wird man, indem man für läppische 40 Euro nicht nur eine altmodische Urkunde, sondern scheinbar auch ein Stück Land ersteht. In Irland nennt man Grundbesitzer nämlich Lord oder Lady. So einfach ist das. Die Frage, wie oft unterschiedlichen Titeljägern schon dasselbe Stück Land verkauft wurde, bleibt ungelöst. Was man mit dem Titel machen kann? Einrahmen und aufhängen. Führen darf man einen Adelstitel hierzulande nicht. Wer sein Blut tatsächlich blau färben will, muss auswandern – zwar nicht gleich auf von feuchter Witterung herausgeforderte Inseln, aber zumindest nach Deutschland. In Österreich ist es nämlich seit 1919 bei Strafe verboten, Prädikatstitel wie Baron oder Gräfin zu tragen. Auch „von und zu“ ist perdu. Sonst hätte Österreich jetzt einen Herrn Grafen Alexander von Schallenberg als Neo-Kanzler. In Deutschland sieht man das Adelsverbotsgesetz nicht so eng. Zwar nahm die Weimarer Verfassung den Adeligen ihre Vorrechte und Privilegien, Namenszusätze und Prädikate dürfen aber als Teile des bürgerlichen Namens getragen werden. Das trägt bis heute kostspielige Früchte. Denn da „von und zu“ in Deutschland laut Namensrecht an Erben und Ehepartner weitergegeben werden kann, kam es zu Adoptionen gegen Bares. Mehrere Millionen Euro sollen geflossen sein, damit etwa der Bordellbetreiber Marcus „Prinz“ von Anhalt die paar begehrten Buchstaben erhielt. Blaublütig macht das aber auch nicht. Denn vererbt wird schlicht der Name, nicht aber der Adelstitel, ergo der eigentliche Rang, den der Adelstitel nach salischem Recht beschreibt. Alteingesessene Geschlechter und Adelsforscher sind da recht streng.

Adoption per Mausklick

Letzte Möglichkeit: der Eintritt in eine Familie. Findet sich weder Gemahl noch Gemahlin, helfen dezidierte Adoptionsseiten im Internet rasch und unkompliziert. Das fragwürdige Erheben in den Adelsstand war noch nie einfacher. Der Kostenaufwand liegt im fünf- bis sechsstelligen Euro-Bereich und Dotationszahlungen können unkompliziert über ein Treuhandkonto abgewickelt werden. Danach sei der Titel sicher, sagt die Website. Auf Nachfrage tut sich allerdings nichts in der Inbox. Dabei klingen die lukrativen Angebote so vielversprechend. Denn bei Vorhandensein guter Kontakte zu Hochwohlgeborenen kann man einfach selbst zum Repräsentanten und Vertriebspartner werden. Na ja! Vielleicht im nächsten Leben