assets Magazin: Christian Nemeth

Das Glas ist wieder halb voll

Da die Finanzmärkte mittlerweile diese Entwicklung schon einpreisen, feiern sowohl Europa-Aktien als auch die zuletzt totgeglaubten Anleihen ein Comeback. Dadurch bieten sich wieder bessere Investmentmöglichkeiten.

Die Inflationsraten, insbesondere die fortwährende Kernteuerung, geistern wie ein Schreckgespenst durch die Schlagzeilen. Tatsächlich zeigt der Pfeil in fast allen Industrieländern nach oben. Doch der Ausblick kündigt nicht mehr nur Schatten, sondern auch Licht an: In den kommenden Monaten dürften sich die Inflationsraten abschwächen. Zum einen haben die Energie-, Rohstoff- und Frachtpreise seit Mitte 2022 bereits deutlich nachgegeben. Zum anderen lösen sich die noch pandemiebedingten Angebotsengpässe und Lieferprobleme allmählich auf. Unterstützt wird die Inflationslinderung durch die Notenbanken, welche die geldpolitische Straffung vorerst weiter fortsetzen werden.

In Europa signalisieren die wichtigsten Vorlauf- und Stimmungsindikatoren den Beginn einer Rezession. Wenn sich Angebot und Nachfrage wieder annähern, reduziert das den Inflationsdruck. Ich denke, dass wir in den USA den Inflationspeak gerade erleben oder schon erlebt haben. Auch in Europa wird sich die Lage bis zum Frühjahr erstmals etwas entspannen. Es wird jedoch noch eine ehebliche Zeit lang dauern, bis sich die Inflation wieder in Richtung der angestrebten Zielgröße zurückbildet.

Rückkehr der Investmentmöglichkeiten

An den Finanzmärkten hat sich die Stimmung dennoch bereits verbessert. Wir treten nun endlich wieder in eine Phase ein, in der nicht mehr alles nur negativ, sondern das Glas wieder halb voll statt halb leer scheint. Auch wenn die steigenden Leitzinsen die zumindest in Europa bevorstehende Rezession antreiben und die hohe Inflation die Aktienmärkte weiterhin belastet, gab es im Oktober einen kräftigen Rebound, nachdem die Monate August und September von negativen Aspekten geprägt waren. Es war zuletzt deutlich zu spüren, wie schnell der Aktienmarkt profitiert, wenn es positive Nachrichten gibt, auch wenn das Sentiment rasch schwankt. Vorteilhaft ist insbesondere, dass auf der Aktienseite die makroökonomischen Alarmzeichen bereits eingepreist sind, Investments werden daher attraktiver.

Im Speziellen weist Europa durch die geopolitische Situation einen Bewertungsabschlag gegenüber anderen Regionen auf. Demzufolge sorgen positive Überraschungen in dieser Konstellation für stärkere Kursausschläge als negative. Dadurch ist die Zürcher Kantonalbank Österreich AG in Europa erstmals seit Beginn des Russland-Ukraine Konfliktes wieder leicht übergewichtet. Insgesamt wurde unsere neutrale Gewichtung bei Aktien bestätigt.

Rückkehr einer Anlageklasse

Auch Anleihen erscheinen zunehmend attraktiv, nachdem Anleger hier einen tiefen Absturz hinter sich haben. Doch die Assetklasse wollte man schon öfter abschreiben. Zum Höhepunkt der ersten Technologie-Boomphase in den Neunzigerjahren lautete das landläufige Motto, dass man mit Aktien alles gewinnen kann und keine Anleihen benötigt. Als die Blase geplatzt ist, war doch jeder froh, der diesen Sicherheitspolster im Portfolio hatte. Nun blicken wir auf eine Phase mit Negativzinsen zurück, in der die Frage aufkam, ob sich der Kauf bei negativen Renditen überhaupt noch lohnt. Das ist noch nicht so lange her. Die Lage hat sich zwischenzeitlich gebessert, auch bei den Anleihen wird viel vorweggenommen. Die Kurse preisen bereits ein ausgiebiges Maß an weiteren Zinserhöhungen ein. Anleihen sind derzeit aussichtsreich, daher haben wir die Untergewichtung bei Staatsanleihen weiter reduziert und die Laufzeiten verlängert.

Wir sind vorsichtig optimistisch, auch weil der Oktober gezeigt hat, dass die Märkte sehr weit vorausblicken und der Ausblick insgesamt positiv interpretiert wurde. Wir sind jedoch keinesfalls euphorisch und wollen nicht zu offensiv agieren. Es gibt nach wie vor Unsicherheiten, eine Rezession in den USA ist nicht auszuschließen, Entwicklungen im Russland-Ukraine-Krieg können zudem rasch positive oder negative Auswirkungen haben. Der Tenor ist dennoch zuversichtlicher als in den vorangegangenen Monaten.
 

Die Zürcher Kantonalbank Österreich AG

Die Zürcher Kantonalbank Österreich AG ist ein auf Private Banking spezialisiertes Bankhaus und betreut vermögende Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmer in Österreich und Süddeutschland. Sie ist eine 100-prozentige Tochter der Zürcher Kantonalbank in Zürich.. Als Schweizer Traditionshaus blickt die Zürcher Kantonalbank auf eine über 150-jährige Geschichte zurück.