Foto Richard Kaye (c) Comgest
Foto Richard Kaye (c) Comgest

COMGEST-Manager Richard Kaye über Chancen in Japan

Die internationale Fondsboutique Comgest holte Fondsmanager Richard Kaye von Tokio nach Wien, um Einblicke in das aktuelle Wirtschaftsumfeld zu geben, das Potential japanischer Familienunternehmen aufzuzeigen und vielversprechende Wachstumstitel aus dem Healthcare-Sektor vorzustellen. Ein erstes Kennenlernen gab es zudem mit Gerald Pistracher, der am 1. Dezember als Leiter Investor Relations Österreich startete. 

Seit dem Platzen der Immobilienblase Ende der 1980er-Jahre befand sich Japan bis auf wenige Ausnahmen in einer deflationären Phase. Diese scheint nun vorbei zu sein, das Land der aufgehenden Sonne kann sich den globalen inflationären Tendenzen nicht mehr entziehen. Im Oktober stieg die Inflationsrate in Japan von 3,0 Prozent im Vormonat auf 3,7 Prozent. Für japanische Verhältnisse ist das sehr hoch, aber immer noch niedriger als in anderen Industrieländern. Das mittelfristige Preisziel der Bank of Japan von 2 Prozent wird zwar schon seit längerem klar überschritten, die Währungshüter halten allerdings an ihrer Ansicht fest, dass der Anstieg nur ein vorübergehendes Phänomen sei, dem geldpolitisch nicht begegnet werden müsste. Die Inflation und die geldpolitisch lockere Strategie setzen die Landeswährung Yen, die im laufenden Jahr etwa 17 Prozent verloren hat, jedenfalls unter Druck. Als Folge haben Anleger einige der erfolgreichsten japanischen Wachstumsunternehmen abgestoßen und sich auf Bank- sowie Immobilienaktien gestürzt – mit der Überzeugung, dass eine Value-Rotation in vollem Gange sei. „Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass das Land als sicherer Hafen vor einem unkontrollierten Preisanstieg gilt. Wir haben keine Immobilieninflation, keine junge Verbraucherbasis und keine Lohninflation in Japan. All diese Aspekte überzeugen uns, dass Japan in der aktuellen Inflationsdebatte anders gesehen werden sollte“, sagte Kaye.

Gutes Bottom-up-Zeugnis

Zudem profitiert Japan im Gegensatz zu anderen großen Volkswirtschaften von seiner politischen Stabilität. Die regierende Liberaldemokratische Partei hat bei den Oberhauswahlen im Sommer erneut einen Erdrutschsieg errungen. Daher ist Kaye zufolge der japanische Markt besonders für Anleger geeignet, die ein auf unternehmensspezifische Themen aufgebautes Portfolio in einem stabilen regulatorischen Umfeld suchen. „Der erste Blick täuscht. Es lohnt sich, hinter die Fassade der makroökonomischen Faktoren zu schauen, denn das Bottom-up-Zeugnis für japanische Unternehmen fällt viel besser aus. Mit einem aktiven Investmentansatz lassen sich die oben genannten Herausforderungen umgehen – indem nicht ein Bruchteil der wachstumsschwachen Volkswirtschaft gekauft wird, sondern dynamisch wachsende Einzelunternehmen. So investieren wir nicht unbedingt in Japan, sondern gezielt in Unternehmen, die zufällig ihren Sitz in Japan haben“, ergänzt der Portfoliomanager. Im aktuellen Umfeld wären sie gut positioniert. Geschäfte mit hohen Bruttomargen wären nämlich weniger von der Inflation der Inputkosten betroffen (durchschnittliche Bruttomarge von über 50 Prozent beim Comgest Growth Japan). Die meisten Unternehmen im Fonds sind Marktführer und haben Zugang zu Lieferanten, was ihnen vor dem Hintergrund volatiler Lieferketten hilft, ihren Marktanteil zu halten bzw. auszubauen. Ebenso verfügen sie über hohe wiederkehrende Umsätze und/oder verkaufen wichtige Güter, was die Visibilität erhöht. Die meisten Portfoliobeteiligungen haben eine Nettoverschuldung von weniger als 1x EBITDA und können so auch in schwierigen Zeiten Mitarbeiter halten, Ziele erreichen und in ihr Geschäft investieren.

Wachstumsmotor Healthcare

Ein vielversprechendes Pflaster, um japanische Wachstumsunternehmen ausfindig zu machen, ist für Comgest der Healthcare-Bereich. Rückenwind erhält die Sparte durch die alternde Gesellschaft, die medizinische Tests und diagnostische Dienstleistungen stark in Anspruch nimmt. Japan hat nämlich die älteste Bevölkerung der Welt: 28,7 Prozent der Einwohner sind mindestens 65 Jahre alt. Schätzungen zufolge wird bis zum Jahr 2036 sogar jeder dritte Einwohner 65 Jahre oder älter sein. Diagnosetechnologie entwickelte sich daher früher als in westlichen Kulturen. Ebenso gibt es steuerliche Anreize für diagnostische und innovative Pharma-Unternehmen. Kaye zufolge finden sich in Japan einige Weltmarktführer in Nischenmärkten aus den Bereichen Diagnostik und Medizintechnik. Rund 10 Prozent der Titel im Comgest Growth Japan entfallen auf die Healthcare-Industrie. Als Beispiel nennt Kaye unter anderem Sysmex – eine Aktie, die ihm zufolge von Anlegern während der Rotation in den „Value“-Anlagestil zu Unrecht massiv abgestoßen wurden. Comgest stockte bei Sysmex zuletzt sogar auf. Sysmex ist ein Pionier bei der Diagnose von Alzheimer, Flüssigbiopsie und der Entwicklung von Robotern zum Assistieren bei chirurgischen Eingriffen. Stabile und profitable wiederkehrende Einnahmen generiert das Unternehmen aus Reagenzien.

In ESG-Hinsicht unterschätzt

Gründliches Research und selektive Aktienauswahl erlauben es jedenfalls, von der Informationsineffizienz des japanischen Aktienmarktes zu profitieren. Denn in Japan wird jede Aktie im Schnitt von sieben Analysten verfolgt, im Vergleich zu mehr als 55 Analysten pro Aktien in den USA. In puncto ESG-Aktivitäten haftet japanischen Unternehmen der Ruf an, hinter ihren globalen Mitbewerbern hinterherzuhinken. „Japan holt hier allerdings auf. Dieses Bild ist aber aufgrund der Komplexität des Marktes nicht durch standardisierte Verfahren von kurzfristigen Investoren erfassbar. Denn für japanische Unternehmen stellt es oft eine Herausforderung dar, jene Informationen zur Verfügung zu stellen, die von institutionellen Investoren gefordert werden und es gibt nicht genügend qualitativ hochwertiges Research, um diese Transparenzlücken zu füllen. Daher haben wir, zusätzlich zu unserem Anlageteam in Tokio, mittlerweile ein hauseigenes Team aus acht ESG-Spezialisten bei Comgest“, so Kaye. Der mehrfach prämierte Portfoliomanager ist Teil des fünfköpfigen Anlageteams, das mit seiner Japan-Strategie (Japan Growth und Japan Compounders) für ein Gesamtvolumen von rund 4 Milliarden Euro verantwortlich ist. Kaye kam 1999 zu Comgest. 2007 schuf die Fondsboutique erstmals eine lokale Niederlassung in Tokio, um einen unmittelbaren Zugang zu wenig analysierten Aktien auf dem japanischen Markt zu erhalten. „Wir sind weltweit in führenden nachhaltiges Wachstumsunternehmen engagiert, die jetzt zu seit Jahren niedrigen Bewertungen gehandelt werden. 2021 war ein herausforderndes Jahr, aber die Fundamentaldaten und das Gewinnwachstum der Portfoliounternehmen sind weiterhin stark“, so Kaye abschließend.