Kulinarik – Der Stör-Faktor

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Kaviar steht als exklusive Delikatesse seit jeher für besondere Genussmomente. In Österreich haben sich einige Hersteller der aufwendigen Störzucht verschrieben und liefern „königlichen“ Rogen in bester heimischer Qualität.
Text: Jasmin Reif-Medani

Um die Herkunft der Bezeichnung Kaviar ranken sich verschiedene Mythen: Der griechische Philosoph Aristoteles berichtete schon im 5. Jahrhundert vor Christus vom Kaviarverzehr durch den iranischen Volksstamm der Khediven, die das zubereitete Stör-Ei „Cahv-Jahr“ – „Kuchen der Freude“ – nannten. Weit verbreitet ist auch die Annahme, dass das Wort Kaviar ursprünglich vom persischen Begriff „Khag-viar“ stammt, was „kleines schwarzes Fisch-Ei“ bedeutet. In Europa wurde der Stör vom englischen König Eduard II. im 14. Jahrhundert gar zum „königlichen Fisch“ ernannt und durfte nur bei Hofe genossen werden.

Während der Kaviar damals noch traditionell aus dem Kaspischen Meer oder anderen Gewässern gefischt werden konnte, kommt der Störrogen heute aus Aquakulturen auf unseren Teller. Seit mehr als zwei Jahrzehnten widmen sich auch passionierte österreichische Fischzüchter erfolgreich den Stören und produzieren feinsten Kaviar nach höchsten Qualitätsansprüchen.

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Kaviarpionier Walter Grüll ist überzeugt: Nur Tierwohl bringt perfekten Geschmack – und die Lust an Innovation Freude an der Arbeit mit den Fischen.

Achtung vor dem Tier

„Vor gut 20 Jahren“ hat der Züchter Walter Grüll aus Grödig bei Salzburg den exquisiten Rogen als Delikatesse in sein Fischhandelssortiment aufgenommen. Österreichs erster Kaviarproduzent versteht sich als Hersteller von „Erlebnismitteln“ für Genießer und berichtet von einer „großen Dankbarkeit, ein so gutes heimischen Produkt anbieten zu können“. Sogar während der Coronapandemie sei das Geschäft gut gelaufen, weil es sich die Menschen zu Hause gemütlich gemacht und Kaviar genossen hätten. In der Fischzucht Grüll darf ein Stör bis zu 16 Jahre alt werden, ehe das Tier geschlachtet und der Kaviar entnommen wird. Bis dahin haben die Fische in Teichanlagen in Salzburg und Bayern ein „schönes Leben“, sind mit Wasser von den Wasserspielen Hellbrunn und natürlicher Nahrung bestens versorgt. „In Hallen wäre die Kaviarentnahme schon nach sechs bis sieben Jahren möglich, unsere Störe sind mindestens doppelt so alt“, erzählt der heimische Kaviarpionier. Allerdings sei die Qualität des Kaviars nach einer längeren Lebenszeit deutlich höher: „Das Korn wird größer und man erhält ein ganz anderes Endprodukt.“

Grülls Philosophie räumt außerdem der „Achtung vor dem Tier“ einen hohen Stellenwert ein. „Alle Energien, die wir dem Tier geben, sind letztlich in der Dose. Deshalb gehen unsere Visionen weit über Bio hinaus und wir gehen bewusst unseren eigenen Weg, damit es den Fischen bis zum Schlachten gut geht“, sagt Grüll. „Bei uns ist alles Handarbeit, damit ist sehr viel Zeit verbunden – aber es entspricht unserer Lebenseinstellung im Familienbetrieb: lieber weniger machen, aber das dafür unter sehr ordentlichen Umständen.“

Zur Freude an der Kaviarherstellung trage jedoch nicht nur die Wertschätzung der Kunden für gute Produkte bei, die das
Bewusstsein für den Kreislauf der Natur widerspiegelt. Wichtig ist für Grüll auch, „sich nie auf dem Erarbeiteten auszuruhen – wer sich nicht weiterentwickelt, dem fehlt irgendwann die Freude. Und schon die kleinsten Nuancen bei der Verarbeitung machen einen Unterschied, deshalb steht für uns tägliches Lernen auf dem Programm.“ Wer die Herausforderung annimmt und sich selbst einen Einblick in die Kaviarproduktion verschaffen möchte, kann übrigens bei Walter Grüll in Grödig eine „Kaviarerlebnisproduktion“ im kleinen Rahmen buchen.

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Helmut Schlader widmet sich in der Steiermark der Störzucht. Er wünscht sich mehr Wertschätzung im Umgang mit Lebensmitteln, damit Essen zum Genuss wird.

Mit einer Riesenportion Geduld

Mit dem „1. Wiener Störcaviar“ hat Jan Klecka dem edlen Fischrogen sogar in der Bundeshauptstadt ein neues Zuhause verschafft – auch wenn die Fische selbstverständlich nicht wirklich in der Stadt leben. Der Kaviarproduzent befasst sich seit seinem zwölften Lebensjahr mit der Fischzucht, bezeichnet sich selbst als „Fischfanatiker“ und lässt die Störe für seinen eigenen Kaviar seit 2012 in Fischteichen im Burgenland sowie in Tschechien gedeihen. Für den Weg zum einheimischen Kaviarerfolg braucht es laut Klecka eine Riesenportion Geduld und Hingabe: „Störe brauchen Raum und Zeit, man bringt sie nur acht Jahre bis zum Schlachten durch, wenn man sich um das Wohl des Tieres kümmert. Ich habe sieben Tage die Woche Fisch im Kopf und liebe meine Arbeit. Jeden einzelnen Kaviar stelle ich selbst in Manufakturarbeit her, es gibt keine Dose, die nicht durch meine Hand geht.“

Störfaktor China

Nach „Jahren der Entbehrung“ in der unternehmerisch traditionell schwierigen Anfangsphase zeigt sich Klecka mit der Entwicklung seines Geschäfts sowie der anhaltenden Nachfrage seitens der privaten und gewerblichen Kundschaft durchaus zufrieden. Allein die Konkurrenz aus Fernost „mit ihren Dumpingpreisen“ mache den heimischen Störzüchtern zunehmend einen Strich durch die Rechnung: „Der in China unter ganz anderen Voraussetzungen produzierte Kaviar bewirkt eine echte Wettbewerbsverzerrung.“ Qualitativ könnten die aus China importierten Produkte mit österreichischem Kaviar keineswegs mithalten, so Klecka. „Österreichischer Kaviar spielt in einer ganz anderen Liga und sollte von den Abnehmern und Konsumenten gegenüber dem Angebot aus China auf jeden Fall bevorzugt werden.“

In die gleiche Kerbe schlägt Helmut Schlader, der sich am Rande des Nationalparks Kalkalpen seit mehr als zehn Jahren der Störaufzucht inklusive Kaviarherstellung widmet: „Die Nachfrage in Österreich wächst jedes Jahr, ebenso wie der Weltmarkt, allerdings ist der Stellenwert von Essen in vielen Ländern leider sehr niedrig und es geht oft vordergründig nur um den Preis.“

Essen als Genusserlebnis Er selbst sei „durch Zufall in Slowenien auf Störzuchten gestoßen“ und lege als Naturmensch ebenso wie seine heimischen Züchterkollegen größten Wert auf das Tierwohl. „In unseren Teichen herrscht bewusst eine sehr geringe Besatzdichte, sodass die Tiere viel Auslauf bekommen. Das relativ kalte Wasser gewährleistet ein langsames Wachstum und die Fische finden natürliches Futter in Form von Schnecken, Würmern und Krebsen“, beschreibt der Züchter die Rahmenbedingungen in seinem Betrieb. Im Frühjahr und Herbst wird abgefischt, dann übersiedeln die reifen Störe zum Auswassern für die Produktion in die Steiermark. „Wir versuchen Bewusstsein für Tierwohl und Nachhaltigkeit zu schaffen – ganz nach dem Motto: lieber weniger, dafür nachhaltiger“, sagt Schlader und äußert einen Wunsch aus Kaviarherstellersicht: „Das Essen sollte generell auch in Österreich stärker als Genuss gesehen werden, als wertvolles Zusammenkommen mit Familie und Freunden.“ Damit wäre für den höchsten Qualitätsanspruch auf dem Teller schon der erste wichtige Schritt getan.