Monika Rosen, Börsenexpertin Österreichisch-Amerikanische Gesellschaft, Grande Dame der Finanzmarktanalyse.
Pandemie, Krieg in der Ukraine, Gewaltausbruch im Mittleren Osten … zuletzt wurden die Finanzmärkte immer öfter von Ereignissen erschüttert, die quasi jenseits des eigentlichen Themas liegen. „Geopolitisches Risiko“ nennen Marktbeobachter jene Krisen, die menschlich so überaus tragisch und ökonomisch so schwer einzuschätzen sind. Grundsätzlich kann man sagen, dass diese Turbulenzen die Unsicherheit in den Prognosen deutlich erhöhen und die Kurse schwankungsanfälliger machen. Es sind Ereignisse, die für sich genommen eine geringe Wahrscheinlichkeit aufweisen, die aber im Fall des Falles das Marktgeschehen überproportional beeinflussen, zumindest kurzfristig. In den USA hat die Notenbank Mitte der Achtzigerjahre den „Geopolitical Risk Index“ geschaffen. Er misst, wie oft in amerikanischen und internationalen Pressemeldungen gewisse Schlagwörter vorkommen, z. B. „Krieg“ oder „terroristische Bedrohung“. Eine erste Spitze erreichte der Index bei den Anschlägen vom 11. September. Seit 2020 ist er wieder deutlich im Steigen begriffen, während in der Dekade davor relative Ruhe herrschte. Auch wenn es zynisch klingt, für den Anleger bergen solche Ereignisse die Chance auf attraktive Renditen, bei allerdings hohem Risiko, falls er oder sie die Situation im Vorfeld falsch eingeschätzt hat. Es muss ja auch nicht immer gleich um Menschenleben gehen. Einige Hedgefonds hatten im Herbst 2022 auf eine Abwertung im Pfund gesetzt. Als die britische Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss mit ihrem Minibudget den Markt fast in die Knie zwang, saßen diese Fonds dann auf erklecklichen Gewinnen. Wir werden das geopolitische Risiko an den Märkten so schnell nicht abschütteln können. Mittelfristig kehren die Finanzmärkte aber immer wieder zu den Fundamentaldaten zurück, und vielleicht liegt darin ja auch ein gewisser Trost.