Klein-Wagen – Im kleinen groß

The Little Car Company fertigt Autos zwischen ernsthaftem Spaß und spaßiger Spielfreude, aber jetzt bloß nicht an Kinderkram denken.  Text: Rupert Streiter

Man sollte zuerst kurz innehalten und die Maßstäbe neu kalibrieren, sich dabei aber eher nicht an den Preisen orientieren: Die bleiben nämlich durchaus erwachsen, die Autos selbst sind jedoch deutlich kleiner als ihre originalen Vorbilder. Aber auch nicht so klein, dass sie in Vitrinen passen, es sei denn, die Vitrinen sind groß wie die Preisschilder der Autos … Man sieht, da ist alles etwas schwieriger einzuordnen. Und dass in manchem Video der Little Car Company Erwachsene in den Autos sitzen und ziemlich glücklich lächelnd oben herausragen, macht die Sache auch nicht einfacher. Also am besten in Zahlen: Bitte für die nächsten drei Seiten im 85- bis 66-Prozent-Maßstab verharren, an Elektroantrieb und bis zu 75 km/h Höchstgeschwindigkeit denken, Preise von 36.000 bis über 100.000 Pfund daneben einblenden, dann passt alles zusammen, danke schön.

Steil bergauf

The Little Car Company ist jung und erfolgreich, und die Wachstumspläne lassen so manch dahingrundelnde Firma neidisch aufschauen. Ben Hedley, Jahrgang 1977, gründete die Firma 2019, fand seine Produktionsfläche in Bicester Heritage, Oxfordshire, und fertigte zuerst Modelle des Bugatti Type 35 mit absoluter Freude am Detail. Allesamt ziemliche Glücksgriffe, schließlich ist mit Bicester Heritage seit 2011 auf einem ehemaligen Militärflugplatz Großbritanniens erster Firmencluster für historische Autos gereift, im Englischen klingt das abermals schöner: an international centre of excellence for automobiles, past, present and future, man muss das einfach so stehen lassen. Und für den verkleinerten Bugatti gab es ein gutes Vorbild: Schon Ettore Bugatti hatte 1926 ein Modell für seinen jüngsten Sohn Roland gefertigt, aus dem Geschenk wurde bald eine Kleinserie und der Baby Bugatti verkaufte sich bis 1936 blendend.

Nach der Gründung 2019 gingen sich noch ein paar unbeschwerte Monate aus, dann kam Corona und drohte auch ein paar Nachschubwege zu infizieren, aber auf mirakulöse Weise blieb die Firma verschont. Das lag wohl auch daran, dass die meisten Teile in Großbritannien gefertigt werden. Schon bald nach der Gründung kamen die Aufträge so geballt bei der Tür herein, dass alles ziemlich schnell gehen musste: Investoren machten die Finanzdecke recht flink tragfähig, Ben Hedley engagierte Ingenieure am liebsten gleich mit bester Berufserfahrung, sie kamen von McLaren, Williams, Jaguar Land Rover, Ariel, Radical, Aston Martin, Ginetta und Lotus, mussten ihre Erfahrungen also nur ein wenig miniaturisieren. Heute arbeiten rund 65 Menschen bei The Little Car Company, natürlich auch Designer und Karosseriebauer und Software-Expertinnen und -Experten, denn einfach nur einen Elektromotor unters Blech zu schrauben, wäre deutlich zu einfach. Die meisten Teile werden zugeliefert, Bremsen kommen beispielsweise von Brembo (hauptberuflich verzögern sie bei Ducatis das Hinterrad), die Alu-Rohkarosserien von Streamline in Northampton. Die Montage erfolgt strikt am Firmengelände in Bicester Heritage, wobei die Firma längst über ihre ursprünglichen Werkshallen hinausgewachsen ist: Ende 2022 konnte eine Werkshalle in direkter Nachbarschaft übernommen werden, so ging sich eine Verdreifachung der Kapazität auf bis zu 15 Autos pro Woche aus. Ein Zehntel davon bleibt in Großbritannien, 90 Prozent werden weltweit ausgeliefert.

Auch wenn bei den meisten Autos der Beiname Junior dabeisteht: The Little Car Company denkt eher an Sammler jeden Alters, wobei es der Freude durchaus behilflich ist, sich eine kindliche Ader ins Erwachsenenalter hinübergerettet zu haben. Kinder dürfen natürlich auch Platz nehmen, die Höchstgeschwindigkeit wird werksseitig gerne dem Fahrtalent angepasst. Erwachsene Sammler fahren mit ihren Modellen allerdings auch gerne auf die Rennstrecke, oftmals ist es die eigene. Wer die Höchstgeschwindigkeit an den dreistelligen Bereich heranjubeln lassen mag, wird bei der Little Car Company auch gerne erhört.

Der echte Bentley Blower ist ziemlich wuchtig, dieser ist auf lediglich 85 Prozent verkleinert – da passen also auch Kinder von 18 bis 80 perfekt rein. Aston Martin DB5, Bugatti Type 35 und Ferrari Testa Rossa offenbaren ihre Liebe zum Detail im etwas kleineren Maßstab.

Vielleicht auch Straße

Für die Straße ist bislang keines der Autos zugelassen, aber The Little Car Company arbeitet dran. Ben Hedley wohnt rund 100 Kilometer von seiner Firma entfernt, auch als begeisterter Radfahrer nimmt er da gerne das Auto, bald aber will er die Strecke mit einem seiner Junior-Modelle zurücklegen. Wird wohl ein ziemliches Hallo am Straßenrand ergeben, egal, welches Auto er aus seinem Angebot zupft.

Überhaupt, die Autos. Der Bugatti im Dreiviertel-Maßstab ist natürlich im Programm geblieben, zusätzlich gibt es ein Modell des 1929er-Bentley-Blower (auf 85 Prozent geschrumpft, da kommt er dem Vorbild schon recht nah), der Ferrari Testa Rossa J ist auf Wunsch auch mit dem Pacco Gara zu haben, einem Race-Package: Leistungssteigerung von 12 auf 14 Kilowatt, gelochte Bremsscheiben, direktere Lenkung, justierbare Dämpfer und ein Einpersonen-Überrollbügel frommen dem Spaß auf der Rennstrecke, wären aber auch auf der Straße ziemlich hetzig.

Während die „No Time To Die“-Edition vorne mit Platzpatronen schießt, kommt hinten echter Nebel raus. Mister Bond hat das praktisch genauso gemacht.

Genau wie Bond

Der Aston Martin DB5 Junior (Basispreis 49.000 Pfund) ist in 125 Exemplaren auch in einer „No Time To Die“-Edition zu haben, also so, als wäre ein 1,55 Meter großer James Bond soeben ausgestiegen: Um 90.000 Pfund aufwärts kann man das Nummernschild per Knopfdruck wechseln, die Umgebung einnebeln oder aus den Scheinwerfern per Fake-Maschinengewehr auf Bösewichte feuern. Die Driving Modes (Novice, Expert, Competition, Escape) geben beredt Auskunft über die Rolle, in die man in diesem Auto schlüpfen kann.

Völlig neue Wege befährt The Little Car Company mit dem Tamiya Wild One Max: Hier wird kein Serienauto verkleinert, sondern der ferngesteuerte Modellauto-Klassiker von Tamiya – bald nach seiner Präsentation 1985 in ziemlich vielen Kinder- und sonstigen Zimmern zusammengebastelt – auf echt vergrößert. Gesteuert wird diesmal von innen, da werden ein paar Menschen schon Sandkisten im Format eines Fußballfeldes einrichten.

Natürlich passiert das alles mit dem Wohlwollen der Marken, deren Autos hier verkleinert werden. Lizenzen und Erlaubnisse sind also im Handschuhfach dabei, und manchmal liefern die Firmen auch Teile zu: Die Pedale des Ferrari 250 TR kommen aus Maranello, in Bicester schraubt man sie ins kleinere Auto. Die Pedale sind übrigens nicht verkleinert, der Fahrer (das war vermutlich korrekt gegendert) kann ja sein Schuhwerk auch nicht verschlanken, wenn er ungrazil zwei Pedale gleichzeitig pumpt. Wer übrigens nicht so viel ausgeben und ohnedies nicht fahren mag, darf auch eine unlackierte Alukarosserie kaufen, sie geduldig auf Hochglanz polieren, an die Wand schrauben und dann niederknien. Spätestens hier darf auch wieder in Maßstäben von 100 Prozent gedacht werden.