assets Magazin: Dieter Wimmer, Comgest
"Man muss auch hinter die Kulissen blicken und den Finger in Wunden legen."
Dieter Wimmer – Leiter Sales Austria Comgest

Wahre Werte, grüne Blasen

Kennen Sie Warren Buffett? Wer sich mit Aktien beschäftigt, kommt wohl kaum an dem Namen des höchst erfolgreichen amerikanischen Investors und Milliardärs vorbei. Hinter seinem Erfolg steckt die sogenannte Value-Investing-Strategie. Der zentrale Gedanke dabei ist einfach: nämlich die Aktie in ihrer ursprünglichsten Funktion zu begreifen, nicht als kurzzeitiges Spekulationsobjekt. Sondern als verbrieften Anteil an einem Unternehmen, an dessen Kapital und Wachstum man langfristig teilhaben kann. Um solche Value-Unternehmen zu identifizieren, werden klare Kriterien herangezogen. Dabei geht es beispielsweise um eine ausgezeichnete wirtschaftliche Verfassung des Unternehmens, seine überlegene Wettbewerbsposition oder auch ein aufrichtiges Management.

Fokus auf Qualitätswachstum

Sind diese Kriterien eine Erfolgsgarantie für Investoren? Warren Buffetts Berkshire Hathaway scheint damit jedenfalls sehr gut zu fahren. Ebenso wie die Vermögensverwaltungsgruppe Comgest: Sie hat sich die Strategie von Warren Buffett zum Vorbild genommen und weiter ausgebaut. Zentrales Kriterium für Investmententscheidungen: Genügt das in Frage kommende Unternehmen den von Comgest definierten Kriterien für „Qualitätswachstum“? „Wir nehmen Unternehmen unter die Lupe und prüfen, ob es aus eigener Kraft etwa zehn Prozent pro Jahr wachsen kann. Unsere Bewertung basiert auf konservativen, eigens erstellten Fünf-Jahres-Prognosen. Wir verfügen damit über eine stabile Ertragsrechnung des Unternehmens“, erklärt Comgests Sales-Leiter in Österreich, Dieter Wimmer. Die Comgest-Fondsmanager investieren deshalb unabhängig von Benchmarks, Regionen und Sektoren. „Allein unsere Fundamentalanalyse und unser Stockpicking zählen“, sagt Wimmer.

Besonders häufig werden die Qualitätswachstumskriterien von Unternehmen erfüllt, die besonders innovativ sind – zum Beispiel im Technologiebereich. Oder von etablierten Markenherstellern wie L’Oréal oder EsselorLuxottica, dem weltgrößten Brillenhersteller. „Also Markenhersteller, die etwas produzieren, was wir jeden Tag brauchen. Interessant ist für uns auch das Gesundheitswesen, die Pharmazeutik. Die alternde Bevölkerung und das Streben nach dem ewigen Leben treiben diese Branchen“, ist der Investmentexperte überzeugt.

Welche Unternehmen es nicht oder nur sehr schwer in das Portfolio des Vermögensverwalters schaffen, ist auch klar geregelt. Das betrifft einerseits Konzerne, die stark von Rohstoffen abhängen. „Da ist man dem Preiszyklus von Commodities wie Gold, Eisen oder Stahl ausgeliefert“, sagt Wimmer. Andererseits gelten bei Comgest auch Banken als nachrangiges Investmentziel – sie sind laut Wimmer zu wenig transparent, was Bilanzen oder auch Kreditrisiken betrifft.

Warnung vor der „grünen Blase“

Natürlich legt Comgest bei der Unternehmensauswahl auch auf ESG-Kriterien Wert, also auf die Umsetzung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Zielen. Der enormen Nachfrage nach grünen Investments folgt man aber nicht blind. Ganz im Gegenteil: Auch im so heiß diskutierten Bereich Nachhaltigkeit wird der Anspruch von Comgest deutlich, Schein vom Sein zu unterscheiden. Wimmer weiß um den Einfluss von Investments auf den Klimaschutz und dass Fondsgesellschaften wesentlich zur Dekarbonisierung beitragen können. Aber er warnt auch vor einer „grünen Blase, weil man auf ein paar Modethemen anspringt, aber nicht versucht, das Unternehmen zur Gänze zu durchleuchten“.

Als Beispiel dafür nennt er Tesla. Auf den ersten Blick ein grünes Unternehmen, da es auf Elektroautos anstelle von Verbrennungsmotoren setzt. „Aber auch Batterien brauchen begrenzte Ressourcen, sind potenziell umweltschädlich und ihre Entsorgung ist noch nicht geregelt“, erklärt Wimmer. Also vielleicht ist Tesla doch nicht so nachhaltig, wenn man das umweltschädliche Potenzial unsachgemäß entsorgter Batterien mitbewertet.

Unternehmen genau durchleuchten

Ähnlich sei es beim Thema Fotovoltaikanlagen. Ebenfalls ein grünes Investment – oberflächlich betrachtet. Aber was passiert, wenn große Flächen mit Fotovoltaik-anlagen verbaut sind und kein Platz mehr für Wiesen und Tiere bleibt? „Wenn die Kollektoren aus China stammen und per Schiff angeliefert werden, sieht die CO2-Bilanz nicht mehr so gut aus. So entsteht eine grüne Blase, wenn man auf ein paar vordergründig umweltfreundliche Produkte anspringt, aber verabsäumt, Unternehmen und Geschäftsmodelle zur Gänze zu durchleuchten“, sagt Wimmer.

Die Investition in Trends ist nach Ansicht von Comgest daher nicht der beste Weg, um langfristig erfolgreich anzulegen und zur Dekarbonisierung der Wirtschaft beizutragen. Die Fondsgesellschaft mit Hauptquartier in Frankreich setzt lieber auf Old-Economy-Akteure mit einer langen Innovationsgeschichte, die in der Lage sind, Lösungen für die Reduktion des CO2-Fußabdrucks zu bieten. Als Beispiel nennt Wimmer das Schweizer Unternehmen Sika, das umweltverträgliche Lösungen für die Bauindustrie entwickelt: ein Sektor, der wegen der Urbanisierung von zentraler Bedeutung ist, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren.

Jeder kann besser werden

Zudem verweist Comgest gerne darauf, dass Fondsgesellschaften Unternehmen direkt beeinflussen können. Wimmer: „Man darf in der Aktienwelt nicht jene abschreiben, die heute noch nicht nachhaltig performen. Sie können daran arbeiten und sich verbessern.“ Diese Herangehensweise nennt Comgest „Engagement“.

Wieder folgt ein Beispiel: Der am Weltmarkt für Brillen führende Konzern EssilorLuxottica entstand aus der Fusion eines französischen und eines italienischen Unternehmens. Der Aufsichtsrat wurde paritätisch mit je fünf Italienern und Franzosen besetzt. Ein Patt, das Einigungen in wichtigen strategischen Fragen verhinderte.

„Als Investor haben wir das Unternehmen kontaktiert und das Grundproblem im Aufsichtsrat angesprochen“, erklärt Wimmer. Der Vorschlag von Comgest war, zwei neue, unabhängige Personen zusätzlich in das Gremium zu berufen. „Das hat dann auch wunderbar funktioniert und seither ist das Unternehmen für uns wieder viel besser planbar, weil man die Umsetzungskraft der Entscheidungsgremien erkennt. Man merkt, dass Entscheidungen auch getroffen werden“, so Wimmer.

Trennung im Extremfall

Zum Verantwortungsbewusstsein einer Fondsgesellschaft sollte laut Comgest aber auch die Bereitschaft zählen, sich im Extremfall von Aktien zu trennen – wenn es beispielsweise unüberwindbare Verständnisprobleme und konträre Ansichten gibt. So hat Comgest etwa die Aktien des chinesischen Videoüberwachungsanbieters Hikvision 2020 verkauft, da dessen Technik zur Unterdrückung der uigurischen Minderheit in China eingesetzt wurde. Vorausgegangen waren mehrere Versuche und Bemühungen von Comgest, Hikvision von dieser Kooperation mit der chinesischen Führung abzubringen. Vergeblich. Also stieg man aus. „Man muss eben auch hinter die Kulissen blicken, Modelle hinterfragen und positive wie negative Kritik äußern. Und den Finger in die Wunde legen, wenn etwas nicht funktioniert“, erklärt Wimmer.