Russische Kriegslust, hohe Inflation und rasch steigende Zinsen: Am Round Table erörtern die Manager von Privatbanken, wie man trotz der Weltlage Vermögen und Werte erhalten kann. Moderation: Stefan Schatz
Russische Kriegslust, hohe Inflation und rasch steigende Zinsen: Am Round Table erörtern die Manager von Privatbanken, wie man trotz der Weltlage Vermögen und Werte erhalten kann. Moderation: Stefan Schatz

Round Table – Probleme managen – Wie Privatbanken ihre Kunden durch die Krise führen

Russische Kriegslust, hohe Inflation und rasch steigende Zinsen: Am Round Table erörtern die Manager von Privatbanken, wie man trotz der Weltlage Vermögen und Werte erhalten kann. Moderation: Stefan Schatz

Die vielen Krisen stellen auch Privatbanken vor Herausforderungen. Wie man sie am besten bewältigt, diskutieren Waltraud Perndorfer (Privat Bank der RLB OÖ), Maximilian Clary (Private Banking Erste Bank), Constantin Veyder-Malberg (Schelhammer Capital), Helmut Siegler (Schoellerbank) und Hermann Wonnebauer (Zürcher Kantonalbank Österreich).

assets: Derzeit erlebt die Welt viele Krisen. Wie reagieren Ihre Kunden darauf?

Waltraud Perndorfer: Unsere Kunden sind trotz der vielen Krisen ruhig geblieben. Es wird das Gespräch gesucht, wir informieren laufend. Es gibt aber keine Panikverkäufe. Größere Investitionen werden derzeit zurückgestellt, die Kunden horten Liquidität. Sie warten, um nach einer Deeskalation wieder stärker am Markt aktiv zu werden. Bis dahin werden Reserven für Notfälle gebildet.

Maximilian Clary: Die Gespräche werden schwieriger, die Kunden brauchen viel mehr Beratung. Heuer war für ein ausgewogenes 60:40-Aktien-Anleihen-Portfolio das schlechteste Jahr seit dem Zweiten Weltkrieg. Trotzdem bleiben die Anleger investiert. Institutionelle Investoren sind derzeit am Markt aktiver, private Anleger halten sich zurück.

Durch die hohe Inflation bleiben aber auch kaum andere Möglichkeiten, als am Wertpapier-Portfolio festzuhalten, oder?

Constantin Veyder-Malberg: Noch im Vorjahr konnten wir echte Alternativen anbieten. Wir haben den Kunden geraten, das Sparbuch aufzugeben. Heute leide ich mit den Kunden mit, weil leider das Gegenteil von dem passiert ist, was wir Kunden zumindest langfristig in Aussicht stellten. Ich bin seit 36 Jahren im Bankgeschäft, aber ich habe noch nie erlebt, dass Kunden year-to-date zweistellige Verluste in konservativen Portfolios erleiden mussten. Das macht Kundengespräche derzeit extrem schwierig. Unser Job ist aber, jetzt Kunden zu beraten. Damit es zu keinen Panikverkäufen kommt und 15 Prozent Verlust realisiert werden. Wer nicht verkauft, kann die Ertragserwartung immer noch erfüllen.

Wie hoch ist die Ertragserwartung?

Veyder-Malberg: Wir haben mit Renditen von 0,5 Prozent auf fünf Jahre nach Abzug der Kosten gerechnet. Das war immerhin ein Prozent mehr als am Sparbuch. Die 0,5 Prozent sind immer noch realistisch – aber nur, wenn man investiert bleibt. Das Problem ist: Die Kunden erwarten von einer Privatbank, dass sie genau weiß, wann Zinsen steigen. Tatsächlich hat kaum ein Berater je einen so schnellen und steilen Zinsanstieg erlebt. Niemand weiß, wie sich Märkte entwickeln. Das muss man den Kunden ehrlich sagen. Unsere Stärke ist: die Ist-Situation analysieren, den Kunden und seine Ressourcen mit Krisenmanagement durch die jetzige Situation gut durchführen.   

Helmut Siegler: Was Kunden bei einer Privatbank suchen, ist Stabilität, Sicherheit und Vertrauen. Diese Ruhe und Besonnenheit müssen wir auch jetzt vermitteln. Das erfordert viele intensive Gespräche. Wir haben als Vermögensverwalter schon viele Krisen erlebt. Und wir wissen, dass man jetzt nicht aussteigen soll. Diese Message vermitteln wir, und das gelingt uns sehr gut, weil uns die Kunden vertrauen. Schwieriger ist zu erklären, dass volatile Zeiten auch gute Einstiegspunkte bieten. Es ist sehr viel Liquidität am Markt – das Kunststück ist, den Kunden einerseits Sicherheit und Stabilität zu geben, andererseits den Blick auf die Chancen der Zukunft zu lenken. Bei langfristiger Vermögensveranlagung geht es nicht darum, ob der optimale Zeitpunkt für Neuinvestitionen jetzt, in drei oder in sechs Monaten ist, sondern darum, interessante Einstiegspunkte nicht zu verpassen. Und jetzt wäre ein interessanter Einstiegszeitpunkt. 

Hermann Wonnebauer: Kunden, die unser Haus schon länger betreut, haben die Korrektur 2020 und die nachfolgende Erholung miterlebt. Sie sind etwas entspannter als jene, die erst seit Kurzem veranlagt sind. Die heutigen Probleme unterscheiden sich von der großen Krise 2008. Damals hatten mehr oder weniger nur Anleger Verluste zu verzeichnen. Heute stehen mit Corona und der Inflation ganz andere Sorgen von erheblich mehr Menschen im Vordergrund.

Sind jüngere Kunden optimistischer? Sehen sie die Krise auch als Einstiegschance?

Perndorfer: Ich kann weder nach Veranlagungshistorie noch nach Generationen generalisieren. Den optimalen Einstiegszeitpunkt findet man ohnehin nie. Vermögensaufbaupläne verteilen das Risiko, einen falschen Einstiegszeitpunkt zu wählen. Mit einem Aufbauplan über die nächsten Monate oder das nächste Jahr kann man nur wenig falsch machen.

Die Arbeitslosigkeit ist gering, die Auftragsbücher der Unternehmen sind noch gefüllt. Kommt dennoch die Rezession? 

Wonnebauer: Wir rechnen ziemlich sicher mit einer Rezession in Europa, in den USA möglicherweise auch. Das ist kein Weltuntergang. In der Vergangenheit folgten darauf starke Erholungsphasen. Schwankungen in der globalen Wirtschaft gab es immer. Außerdem wird es auch markante Gewinner nach dieser Krise geben – wie übrigens nach jeder Rezession.

Perndorfer: Für Deutschland wird eine Rezession von etwa 0,7 Prozent erwartet. Von den Firmenkunden der Raiffeisen Landesbank OÖ hören wir: Das erste halbe Jahr war sehr gut, das dritte Quartal noch okay. Für das vierte Quartal zeigt man sich pessimistisch, auch die hohen Energiekosten schlagen erst jetzt in der Industrie auf. Ich glaube, dass einige schwierige Monate vor uns stehen.  

Clary: Sehen wir uns das Marktumfeld an: Die billige Liquidität ist zu Ende, die Zinsen sind massiv gestiegen. Das wird man in den Haushalten ebenso wie in den Unternehmen spüren. Gewinne werden sinken, der Konsum nachlassen. Noch sind die Ausgaben hoch, aber das Konsumentenvertrauen ist auf einem historischen Tiefstand. Das wird sich im nächsten Halbjahr auswirken. Auch die Globalisierung wird rückgebaut. Die Friedensdividende, von der wir jahrzehntelang zehrten, ist aufgebraucht. Mit dem Krieg in der Ukraine ist eine neue geopolitische Situation entstanden. Deshalb rechne ich mit einer Rezession. Wie tief diese wird, was davon schon in den Märkten eingepreist ist und wie lange sie dauert, wird man im nächsten halben Jahr sehen. Die Frage ist: Halten die Unternehmensgewinne? Schon jetzt werden Businessmodelle hinterfragt und Kosten reduziert. Dadurch könnte sich der dramatische Arbeitskräftemangel lösen. Mein Fazit: Die kurzfristigen Aussichten sind nicht besonders rosig, aber die Märkte haben schon viel  davon eingepreist. 

Veyder-Malberg: Die Ist-Situation zeigt klar in Richtung Rezession. Ich glaube nicht, dass die Aktienmärkte schon eine volle Rezession eingepreist haben. Es gibt aber keine Alternative zu Aktien. Aus langjähriger Erfahrung weiß ich: Es geht nicht um Market Timing, sondern um Time in the Market. Man muss sein Portfolio auf Qualitätsunternehmen ausrichten, die Krisen mit ihrem Geschäftsmodell, ihrer Bilanz, ihrem Management und ihrer regionalen Verteilung gut überstehen können. In Zeiten des Wachstums sollte man in zukunftsorientierte Unternehmen investieren, jetzt in Unternehmen mit stabilem Geschäftsmodell. 100 Prozent Qualität bei den Aktien und bei den Anleihen ist die beste Methode, solche Zeiten gut zu überstehen.

Wären wir mit einem schnellen Ende des Ukraine-Krieges alle Sorgen los?

Clary: Ein schneller Frieden in der Ukraine wäre ein massiver Boost für die Wirtschaft und die Märkte, es fiele viel Unsicherheit weg. Ich halte das aber für unwahrscheinlich. Die erhöhten Energiekosten blieben ohnehin. Die Abhängigkeit von Russland müssen wir auf jeden Fall reduzieren. Und wir sind in der Energiewende, die Energiepreise bleiben also hoch. Auch die Inflation endet nicht sofort mit dem Krieg. Die KV-Verhandlungen zeigen: Die Inflation kommt erst in den Löhnen an, die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale besteht. Unabhängig von dem Geschehen in der Ukraine wird die Inflation in nächster Zeit erhöht bleiben.

Siegler: Die Kernfrage ist: Wie hart wird die Landung? Das hängt an vielen Faktoren, Energiepreise und Produktivität sind die wichtigsten. Kommt es zu Produktionsausfällen und werden Gas-Rationierungen diskutiert, schlagen wir hart auf. Kommen wir gut über den Winter, treiben wir die Energiewende voran, sind das positive Signale, Friedensverhandlungen würden sie verstärken. Das hätte eine starke Wirkung auf die Börsen. Als Investor sehen wir die Situation aber global. Europa ist von Krieg und Energiepreisen am stärksten betroffen. In den USA sehen wir schon wieder Chancen. Auch wenn es viel Schatten gibt, darf man das Licht nicht übersehen. Natürlich kann das nächste halbe Jahr in Europa schwierig werden, aber im zweiten Halbjahr 2023 könnte es wieder aufwärtsgehen. Auch dann gilt: global denken, global investieren. Das ist immer die beste Strategie. 

Bremst die EU-Taxonomie? Wer auf fossile Energieträger setzte, fuhr zuletzt schöne Gewinne ein.

Clary: Wir müssen seit August die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen. Das ist eine grundsätzlich gute Entwicklung. Rund die Hälfte der Kunden ist an nachhaltigen Themen interessiert, aber sie wollen nicht ins Detail gehen, sondern ein Portfolio haben, das nach ethischen Grundstandards gemanagt ist. Man muss auch darauf achten, nicht zu sehr in gehypte Themen zu investieren. Bei der Energiewende geht es um neue Technologien und schnell wachsende Unternehmen mit weit in der Zukunft liegenden und daher auch oft noch unsicheren Cashflows. Wir können unseren Kunden ein breites Investmentuniversum aus Artikel-8- und Artikel-9-Fonds anbieten. Die meisten Kunden sagen explizit: Nachhaltigkeit ist wichtig, aber ohne Reduktion der Performance.

Aus Erfahrung weiß ich: Es geht nicht um Market Timing, sondern um Time in the Market.“
– Constantin Veyder-Malberg –
Vorstand Schelhammer Capital

Wenn alle nachhaltig anlegen wollen – gibt es da überhaupt genug passende Unternehmen für diese Investitionen?

Perndorfer: Wir bieten seit 20 Jahren nachhaltige Veranlagungen, ich sehe keinen Engpass. Außer man schränkt sich ganz eng auf ein Themenfeld ein. Auch bei unseren Kunden steht die Rendite im Vordergrund. Die junge Generation legt mehr Wert auf Nachhaltigkeit und wählt nach strengeren Kriterien aus.

Wonnebauer: Im Moment ist es noch schwierig, geeignete Anlagemöglichkeiten zu finden, die unseren Kriterien wie Liquidität und Sicherheit entsprechen. Das Thema wird sich aber rasch weiterentwickeln und zu einem „New Normal“ werden. Es wird in Zukunft nur mehr wenige „nicht nachhaltige“ Unternehmen und Branchen geben.

Wie definiert man Nachhaltigkeit? Laufen Sie nicht Gefahr, Kunden zu verärgern, weil zwar nach EU-Taxonomie, aber nicht nach Kundenwunsch veranlagt wird?

Veyder-Malberg: Diese Frage beschäftigt mich seit einiger Zeit. Der Gesetzgeber zwingt uns in ein völlig ungeeignetes Korsett. Die Fragen, die wir zur Nachhaltigkeitspräferenz stellen müssen, kann nicht einmal ein Profi beantworten. Unsere wertvollste Ressource ist die Beratungszeit. Die investierten wir früher in Veranlagungsstrategien, Risikoprofile, Aktienquoten etc. Jetzt müssen wir mit dem Kunden über Werte reden und fragen, worauf er verzichten will. Für mich als Manager einer Privatbank ist die Herausforderung, für jeden Kunden einen Berater zu finden, mit dem er eine gemeinsame Wertebasis teilt. Nur dann kann ein Portfolio erstellt werden, das den Wertvorstellungen des Kunden entspricht. Wir leisten uns als Bank einen Ethikbeirat, wo wir eine Meinung der Bank zu gesellschaftlichen Anliegen definieren. Will man dieser folgen, muss der Kunde auf die vom Gesetzgeber vorgegebene Frage, ob ihm Nachhaltigkeit wichtig ist, mit „Nein“ antworten. Die Möglichkeit zu sagen: „Ich will alle Veranlagungschancen unabhängig von ESG-Kriterien nutzen“, hat der Kunde gar nicht mehr. Das finde ich zumindest interessant. Zumal wir nie eine endgültige Definition von Nachhaltigkeit haben können. Der Begriff unterliegt wie Wertvorstellungen einem beständigem Wandel. Atomkraft ist ein schönes Beispiel: Wenn ein Kunde aufgrund der aktuellen Energiesituation dazu jetzt pragmatisch ist – heißt das, seine Werte haben sich gewandelt?

Wie kann man diesen Konflikt lösen?

Veyder-Malberg: Wir versuchen, den perfekten Berater für jeden Kunden zu finden. Dafür haben wir sogar ein Online-Tool entwickelt. Wir sind im Peoples Business, Beratungsprozesse können nicht automatisiert werden. Also muss die Beziehung zwischen Kunden und Berater perfekt passen. Die Herausforderung, Wertvorstellungen der Kunden zu erfüllen, wird uns noch über Jahre begleiten. Die grundsätzliche Idee, Investitionsströme so zu lenken, dass sie gegen den Klimawandel wirken, ist absolut richtig.

Wonnebauer: Die Energiekrise und die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zeigt, wie wichtig Investitionen in alternative Energien sind. Das kann zum größten Megatrend der Geschichte werden. Bei den kommenden Generationen wird Nachhaltigkeit gar keine Wahlmöglichkeit mehr darstellen – Investments müssen dann nachhaltig sein.

Laut Studien sind High-Net-Worth Individuals noch nicht überzeugt von nachhaltigen Veranlagungen.  Siegler: Ethik in der Veranlagung ist bei uns seit 2003 Thema. In den vergangenen fünf Jahren hat sich das Volumen an nachhaltiger Veranlagung bei uns verzehnfacht. Für die Finanzbranche ist es eine große Chance, den Wandel zu unterstützen. Bei uns gibt es kaum noch Veranlagungen, die nicht nachhaltig sind. Das Problem ist: Jedes Haus hat eigene Nachhaltigkeitskriterien. Verschiedene Eco-Labels, die Artikel-8- oder -9-Fonds – das versteht kein Mensch. Das Interesse der Kunden ist da, wir müssen Kriterien erklärbar und messbar machen. Einen Performancenachteil von nachhaltigen Anlagen sehe ich nicht – eher das Gegenteil.

„Vermögensaufbaupläne verteilen das Risiko, einen falschen Einstiegszeitpunkt zu wählen.“
– Waltraud Perndorfer –
Direktorin PRIVAT BANK der RLB OÖ

Könnte man Unternehmen mit Impact Investing nicht viel stärker zu nachhaltiger Geschäftstätigkeit zwingen? 

Veyder-Malberg: Impact Investing heißt, auf Rendite zu verzichten, weil die Auswirkungen des Investments wichtiger sind. Wir haben die Stiftung „Philanthropie Österreich“ gegründet. Dort arbeitet das Geld philantropisch. Die Kunden haben die Chance, diesen Topf steueroptimiert zu nutzen, wir machen die ganze Arbeit kostenlos. Ich dachte, darauf hat die Welt gewartet. Aber: Österreich hat keine Großspenderkultur. Großspenden belaufen sich jährlich auf etwa 70 Millionen Euro, die von zwei oder drei Handvoll Leuten kommen. Es gibt einige engagierte Anleger, die wir gerne begleiten. Für die erdrückende Mehrzahl der Kunden ist die Aussicht, auf zwei Prozent Rendite zugunsten eines starken Impacts zu verzichten, abschreckend. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, Impact Investing zu vertreiben. Wir müssen das umsetzen, was unsere Kunden erwarten und in ihrer Wertewelt wichtig ist.

Siegler: In anderen europäischen Ländern wird Impact Investing oft über Stiftungen gemacht. Hierzulande wird Privatstiftungen nahegelegt, sich auf den eigenen Vorteil zu konzentrieren. Gemeinnützige Stiftungen haben sich noch nicht durchgesetzt.

Ist auch für Junge die Rendite wichtiger als die Wirkung? 

Veyder-Malberg: Die Nachhaltigkeitsanliegen sind bei Jungen ausgeprägter. Aber sie machen Sparpläne, weil sie noch kein Vermögen für Investments haben. Ich meine nicht die Erbengeneration, die ist ja schon 50 Jahre alt. Ich spreche von den 20- bis 26-Jährigen. Bei denen ist das Sparbuch out, sie gehen Richtung Sparpläne. Und zwar in solche, die Richtung Nachhaltigkeit gemünzt sind. Mit Impact Investing hat das nichts zu tun.

Clary: Viele Kunden haben ein Unternehmen und nehmen damit und darin gesellschaftliche Verantwortung wahr. Da will man nicht auch noch in der Veranlagung auf Rendite verzichten, weil sonst kein Vermögensaufbau oder Werterhalt funktioniert. In den USA ist das Aufkommen philanthropischer Spenden sehr hoch  – aber dort gibt es viel weniger Sozialstaat als in Österreich. Deswegen spenden in den USA Vermögende viel Geld für Sozialprojekte. Sie unterstützen auch ihre Universitäten stark. Das System ist einfach ein ganz anderes als unseres. Deswegen sehen wir den Bedarf für Impact Investing nur sehr limitiert. Aber Fonds mit einem nachhaltigen Zweck, die beispielsweise in die Energietransition investieren, sind durchaus nachgefragt. Vor allem bei Jüngeren. Die hinterfragen auch viel stärker als die älteren Anleger, wie die Unternehmen funktionieren, mit denen sie in Beziehung sind. Es geht auch darum, welche gesellschaftliche Verantwortung die Bank selber übernimmt. 

Perndorfer: Die junge Generation bereitet sich auch viel besser auf Gespräche mit uns vor. Junge Anleger haben sich oft schon vorweg informiert und wissen, in welche spezielle Themen sie investieren wollen. Die fragen uns nur noch: Was könnt ihr mir in diesem Bereich bieten? 

Sind junge Menschen ohne große Vermögen interessant für Privatbanken? Das Deutsche Institut für Unternehmerfamilien rät Privatbanken, die Eintrittsschwelle hochzuhalten, um exklusiv zu bleiben. Der World Management Report von Oliver Wyman und Morgan Stanley sagt, bei kleineren Vermögen wartet großes Potenzial.

Perndorfer: Als Geschäftsbereich der Raiffeisenlandesbank OÖ kümmern wir uns um das gehobene Privatkundengeschäft. Es gibt keine definierte Eintrittsschwelle, aber Vermögen unter 500.000 Euro sind in anderen Geschäftsbereichen unseres Hauses besser aufgehoben. Es gibt für jede Vermögensgröße die perfekt passenden Bereiche in unserem Haus. 

Clary: Auch die Erste Bank kann alle Kundensegmente bedienen. Private Banking in einer Universalbank hat in Zukunft den großen Vorteil, Skaleneffekte bei der Digitalisierung zu nutzen. Digitale Dienste können wir für eine sehr breite Kundenschicht entwickeln und auf unser sehr spitzes Kundensegment anpassen, etwa mit Spezialservices und zusätzlicher Beratung. Wegen der komplexen regulatorischen Vorgaben und der fortschreitenden Digitalisierung ist es vorteilhaft, viele verschiedene Kundensegmente zu bedienen. 

Gibt es bei der Ersten Bank Eintrittsschwellen ins Private Banking?

Clary: Die bereits erwähnten 500.000 Euro als Minimum für das Private Banking kann ich gut nachvollziehen. Wir werden diese Grenze sicher nicht nach unten verschieben, eher nach oben. 

Wonnebauer: Wir könnten unsere Vermögensverwaltungsstrategien auf vergleichsweise niedrige Beträge skalieren. Wir haben nur „eine beste Meinung“, die ist im Wesentlichen von der Depotgröße unabhängig. Was dem widerspricht, sind die Kosten von Onboarding und Verwaltung von Bankverbindungen. Man kann weiter digitalisieren und automatisieren, aber ein Konto kostet jede Bank Geld
und damit ist eine Mindestdepotgröße erforderlich.

„Liquidität ist genug da. Die Frage ist: Wann fließt sie in den Markt? Und wohin fließt sie?“
– Helmut Siegler –
Vorstandsvorsitzender Schoellerbank

Apropos Digitalisierung: Wird eine Privatbank nicht eher wegen persönlicher Beratung statt Robo-Advisors gewählt?

Wonnebauer: Die wichtigste Ressource ist Zeit, das wichtigste Werkzeug sind die Ohren der Berater. Es gibt noch keinen Algorithmus, der Menschen besser zuhört und sie auch versteht. Die Veranlagung selbst ist nur ein Punkt im Beratungsprozess. Davor und danach kommen Verständnis, Vertrauen, Erfahrung und Kommunikation – das zeichnet die Berater von erfolgreichen Privatbanken aus.

Veyder-Malberg: Robo-Advisors sind  Teil unserer Multi-Channel-Strategie, um dem Kunden Kontakt zu erleichtern. Unsere Lösung ist: Wir bieten die Kanäle als unterschiedliche Marken an. Das ist klar erkennbar. Die DADAT Direktbank ist beraterfrei und nur online, man kann auch von dort ins Private Banking wechseln. Allerdings gehen die Eintrittsschwellen nach oben. Wir haben eine einfache Rechnung gemacht, die Gesamtkosten unseres Private Banking durch die Berater dividiert. Der Vollkostensatz liegt – unter gewissen Annahmen – bei 800 Euro pro Beratungsstunde. Wir können es uns daher nicht leisten, 50.000-Euro-Kunden im Private Banking nachhaltig zu beraten. Mit der Mehrmarkenstrategie finden wir für jeden Kunden den richtigen Deckel. Beim Private Banking ist die 500.000-Euro-Grenze logisch. Weil ein Berater maximal 100 Kunden haben sollte, um die Qualität zu bieten, für die wir stehen. Ich glaube aber: Es gibt viele Vermögende, die schlecht betreut sind. Da liegt unser Potenzial.   

Siegler: Die Frage ist: Was kann man zeitlich leisten? Unser Zielvolumen liegt bei einer Million Euro. Da nicht alles sofort investiert wird, beginnen wir bei 500.000 Euro. Ich sehe für Privatbanken große Chancen. Das beliebteste Investment ist nach wie vor das Sparbuch. Der Wertverlust durch die Inflation der vergangenen Jahre ist enorm. Wir müssen weiterhin aufklären, warum Investitionen in Wertpapiere sinnvoll sind. 

Das Problem: Berater von Privatbanken werden gerne von anderen Branchen abgeworben.

Clary: Gute Berater zu bekommen, war nie leicht. Das Skill-Set eines guten Beraters ist sehr umfangreich. Er braucht Fachwissen, Empathie, muss die Regulatorien kennen und, wie vorher besprochen, die Wertewelt des Kunden herausfinden. Das ist anspruchsvoll. Es liegt an den Banken, ein möglichst einfaches und unkompliziertes Arbeitsumfeld für den Berater zu schaffen und ihn mit digitalen Tools zu unterstützen. Wir haben den Vorteil, dass auch in den Filialen sehr gute Mitarbeiter heranwachsen, wir haben als Universalbank natürlichen Nachwuchs. Trotzdem bleibt der Wettbewerb unter den Banken um die besten Talente.

Perndorfer: Der Fachkräftemangel betrifft nicht nur die Bankenbranche. Wichtig ist, auf die Mitarbeiter zu achten, bei uns ist die Fluktuation relativ gering. Wir möchten Best Place to Work oder Best Place to Grow sein. Benefits, Ausbildungen, Entwicklungsmöglichkeiten – das ist jungen Mitarbeitern wichtig. Wir bieten wieder Traineeprogramme, arbeiten in der Weiterbildung mit der Stanford University zusammen, wir haben die Zukunftsakademie, Programme wie Beruf und Familie für Wiedereinsteiger und berufstätige Mütter. Es geht nicht nur um Bezahlung, sondern auch darum, attraktiver Arbeitgeber zu sein.

Veyder-Malberg: Das größte Problem aller Unternehmen ist, dass wir den „War for Talents“ verloren haben. Demografisch bedingt folgt, statistisch gesehen, auf eine Pensionierung nur eine halbe Arbeitskraft nach. Deshalb können sich Talente aussuchen, wo sie arbeiten wollen. Unsere Aufgabe ist es, ihnen ein attraktives Angebot zu machen. Es gibt kaum einen schöneren Job, als Berater im Private Banking zu sein. Während man in anderen Branchen irgendwann zum alten Eisen zählt, wächst man bei uns konstant. Die vertrauensvollen Beziehungen werden mehr, die machen den Job immer spannender. Wir helfen Vermögenden, trotz ihres Reichtums glücklich zu bleiben. Das ist die schönste Aufgabe, die es gibt. Wer das versteht, ist willkommen. Aber er muss einen Qualitätstest bestehen, der Wertewelten und Herangehensweisen prüft. Es gibt drei Arten von Beratern: die ehrlichen, die dem Kunden gestehen, dass sie keine Wahrsager sind und nichts garantieren können, aber dass sie versuchen, das optimale Portfolio für den Kunden, seine Vermögensstrategie und die aktuelle Marktsituation zu finden. Die zweite Kategorie sind die Lügner. Sie wissen, dass sie nicht in die Zukunft sehen können, machen dem Kunden aber Versprechungen, um ihn anzulocken. Die dritte Kategorie ist die gefährlichste: Das sind jene, die nicht wissen, dass sie nichts wissen. Sie machen Prognosen und sind selbst überrascht, dass diese nicht eintreffen. Die interne Kultur der Bank muss dafür sorgen, dass nur die Ehrlichen eingestellt werden. Weil: Im Mittelpunkt steht der Kunde und nicht der Kapitalmarkt.

Wonnebauer: Wir wissen schon lange, dass irgendwann eine große Anzahl an Babyboomern in Pension gehen wird und einfach weniger Menschen in den Arbeitsprozess nachrücken. Warum sind wir jetzt plötzlich so überrascht? Wo die Personalsuche schleppender verläuft, ist im IT-Bereich, das ist wirklich ein Problem. Vielleicht wäre es ratsam, hier z. B. steuerliche Anreize zu schaffen, damit einerseits junge Menschen zu Beginn ihrer Arbeitskarriere netto mehr verdienen und gleichzeitig Zuverdienstmöglichkeiten für pensionierte Arbeitnehmer attraktiver sind. Damit ließe sich die Problematik insgesamt entwirren.

„ Die Friedensdividende, von der wir jahrzehnte- lang zehrten, ist aufgebraucht.“
– Maximilian Clary –
Head of Private Banking Erste Bank

Wer sind die Konkurrenten um die Mitarbeiter von Privatbanken?

Siegler: Das hängt von der Tätigkeit ab. Auch zu uns wechseln Kollegen aus anderen Branchen. Viele davon haben sich toll entwickelt. Wichtig ist: Fähigkeiten und Fertigkeiten wie emotionale Intelligenz müssen sie mitbringen, die fachliche Ausbildung kann man nachholen. Das eröffnet auch die neue Option bei der Personalsuche, nicht immer nur die eigene Branche zu durchforsten. Da können wir als Banken noch durchaus flexibler werden.

Perndorfer: Wir versuchen, auch Diversity zu leben. Das betrifft Geschlecht oder Herkunft, auch Interessen und Einstellungen. Es ist ein Benefit für eine Bank, wenn die Berater und Mitarbeiter genauso unterschiedlich wie ihre Kunden sind. 

Gibt es mehr Berater als Beraterinnen?

Perndorfer: Leider sind bei uns noch die Männer in der Überzahl. In Linz sogar sehr deutlich, am Standort Wien ist das Verhältnis schon sehr ausgewogen. Leider bewerben sich auch viel zu wenige Frauen, deren Karriere wir fördern könnten. 

Zum Abschluss noch drei kurze Fragen: Ist der Immobilienboom ebenso zu Ende wie der Krypto-Hype? Und wird es noch genug Venturecapital für Fintechs geben? 

Perndorfer: Kryptowährung vertreten wir als Bank nicht. Viele unserer Kunden sind auch schon in Immobilien investiert, da braucht es unsere Beratung nicht. Wir begleiten sie in Immobilienfragen bei der Finanzierung. 

Clary: Das Interesse an Kryptowährungen ist zurückgegangen, wir bieten dazu auch keine Beratung an. Aber es gibt einige sehr vermögende Kunden, die am Thema interessiert sind. Bei den Immobilien könnten die höheren Finanzierungskosten für manchen Investor herausfordernd werden. Wir sehen einen Rückgang bei den Transaktionsvolumina, aber noch nicht bei den Preisen. Auch die  Start-up-Szene leidet darunter, dass Kapital teurer geworden ist. Sie müssen versuchen, wesentlich schneller als geplant profitabel zu werden. Die Digitalisierung der Industrie und der gesamten Gesellschaft wird dadurch aber nicht aufgehalten. Private Equity und Venturecapital wird massiv an Bedeutung gewinnen. Das war bisher meist nur für institutionelle Anleger ein Thema, jetzt öffnet es sich auch für vermögende Privatkunden. In dieser Assetklasse gibt es massive Chancen. Wir haben in diesem Bereich ein sehr breites Angebot für unsere Kunden. 

„Wir rechnen ziemlich sicher mit einer Rezession in
Europa. Das ist aber kein Weltuntergang.“
– Hermann Wonnebauer –
Vorstandsvorsitzender Zürcher Kantonalbank Österreich

Veyder-Malberg: Zu Kryptowährungen haben wir Expertise aufgebaut.Aber nicht, wie man in Kryptos investiert, sondern: Wie kommt man aus Kryptos wieder raus? Das ist aus Geldwäschesicht alles andere als einfach. Wir helfen, das Geld wieder in die Welt der regulierten Banken zurückzubringen. Dasselbe gilt auch für Gold: Wer Gold physisch besitzt, kann es nicht einfach zu Geld machen. Dazu braucht es Expertise. Bei ertragsorientierten Anlageimmobilien ist der Markt in einer Schockstarre. Die Banken verlangen doppelt so hohe Zinsen für die Finanzierung, der Preis ist aber noch nicht auf die Hälfte gesunken. Das führt dazu, dass niemand um die aufgerufenen Preise kauft. Aber die Verkäufer wollen die Preise nicht senken. Deswegen schrumpfen die Transaktionsvolumina. Bleibt noch das Thema Fintechs: Da gibt es einige tolle Ideen, die Start-ups viel schneller umsetzen können als regulierte Banken. Wenn ihnen das Geld ausgeht, gewinnen wir Zeit. Wir können jetzt selbst günstig in neue Themen investieren und aus den Fehlern der anderen lernen.

Siegler: Kryptowährungen sind für uns derzeit kein Thema: Fehlende Schutzmechanismen, der enorme Energieverbrauch und die extreme Volatilität widersprechen unserem Ansatz „Investieren statt Spekulieren“. Bei den Start-ups wird nach einer Atempause wieder Schwung entstehen. Es gibt nicht nur bei Aktien interessante Einstiegschancen, sondern auch bei Venturecapital. Private-Equity-Investitionen werden in den nächsten Jahren zunehmen. Liquidität ist genug da. Die Frage ist: Wann fließt sie in den Markt? Und wohin fließt sie? Ich glaube: zuerst in Qualitätswerte, dann in Venturecapital und Start-ups. Das wird Entwicklungen auslösen, die dem Markt guttun. 

Wonnebauer: Fintechs geben vielen Anlegern die Möglichkeit, Kapital anzulegen und zu verwalten. Dienstleistungen sind dadurch schneller, komfortabler und billiger geworden. Für uns Banken wird das persönliche Gespräch ein USP bleiben und zusätzlich muss eine „Grundausstattung“ an Automatisierung und Digitalisierung vorhanden sein.

Herzlichen Dank für die Diskussion.   ←