assets Magazin: Heinrich Prokop

Gute Gefühle – Chancen für Food-Start-ups

assets: Weshalb engagieren Sie sich bei Start-ups? Andere würden einfach das Kapital für sich arbeiten lassen und sich bequem zurücklehnen.
Heinrich Prokop: Das liegt wahrscheinlich an meiner Persönlichkeit, ich bin eben mit Leib und Seele Unternehmer. Start-ups haben für mich etwas Faszinierendes – das war zu Beginn durchaus mit Rückschlägen verbunden, am Anfang war ich zu wenig fokussiert. Als ich 2009 begonnen habe, gab es in Österreich keine Start-up-Szene wie heute.

Was motiviert Sie seither bei der täglichen Arbeit mit jungen Unternehmen?
Prokop: Es geht mir nicht per se darum, mehr Geld zu verdienen, sondern Menschen zu unterstützen, damit sie nicht jene Fehler machen, die ich gemacht habe. Man braucht einfach ein Korrektiv und Leute, die ehrlich mit dir reden. Ich habe mich auf Fast Moving Consumer Goods (FMCG, Anmerkung), insbesondere auf Lebensmittel, spezialisiert. Ich will mit Teams zusammenarbeiten, die durchaus ein Sendungsbewusstsein haben. Und ich will Dinge entwickeln, die eine positive Auswirkung auf die Umwelt und die Gesundheit der Menschen haben.

Rund um Start-ups herrscht eine gewisse Euphorie. Sie sind hingegen auch als Juror in der Puls-4-Sendung „2 Minuten 2 Millionen“ für Ihr scharfes Feedback bekannt. Ist das heute besonders wichtig?
Prokop: Ehrliches Feedback ist einer der Grundsätze im Unternehmen, das hat schlussendlich auch mit unserer Heritage bei Clever Clover zu tun. Meine Businesspartnerin kommt aus Amsterdam, in den Niederlanden spricht man Dinge viel direkter und offener an. Auch ich selbst habe erst lernen müssen, dass diese österreichische Mentalität nicht immer passt. Im Zuge der Show hat mir das manche Kritik von außen eingebracht, weil ich beispielsweise offen gesagt habe, dass etwas zu teuer ist oder aus meiner Sicht einfach nicht umsetzbar sein wird.

Apropos teuer: Ist jetzt eine gute Zeit, um in Start-ups zu investieren?
Prokop: Ich denke schon. In diesen schwierigen Zeiten haben wir viel gelernt und viel Spreu wurde vom Weizen getrennt. Üblicherweise wird ja nirgendwo so viel heiße Luft erzeugt wie auf Start-up-Events – das ist durch die Distanz weggefallen. Der Food- und Retailbereich ist einer der wenigen Gewinner dieser Krise, weil die Menschen mehr auf ihr persönliches Umfeld und ihre Befindlichkeit achten. Viele junge Leute haben das erkannt und kommen mit sehr guten Ideen zu uns. Die Idee des Start-up-
Tickets, bei dem Bank, Retailpartner und Investor zusammenarbeiten, ist dazu ein perfektes Launchpad. Die Türen des Lebensmitteleinzelhandels sind für Innovationen offen wie nie zuvor, auch weil sich der Handel von Amazon & Co. stärker abgrenzen muss.

Ist ein Investment in ein Start-up aber nicht generell sehr riskant?
Prokop: Natürlich ist ein Investment  mit einem hohen Risiko verbunden, und es sollte kein Geld dafür verwendet werden, auf das bei Verlust nicht verzichtet werden kann. Aus meiner Sicht würde ich empfehlen, dass, wenn man mit Start-ups keine Erfahrung hat, man es mit Partnern machen sollte, mit denen man das Risiko teilt. Ich würde selbst nie ein Investment in Produkte und Branchen tätigen, wo ich kaum Expertise habe und zum Erfolg nichts beitragen kann.

Was halten Sie in diesem Zusammenhang von Venture-Capital-Fonds?
Prokop: Wenn sie gut gemanagt werden, macht das durchaus Sinn. Ich bin selbst in einige investiert.

Welche Branchen haben abgesehen von Food und Retail Ihrer Meinung nach derzeit großes Potenzial?
Prokop: Alles, was sich mit Personalisierung und Individualisierung beschäftigt und den Menschen hilft, ihr Leben zu gestalten. Auch Sicherheit und Services, die sich mit dem eigenen Heim, sozusagen mit dem warmen Nest, beschäftigen, haben gute Chancen.

Abgesehen von diesen Trendthemen: Wo­rauf achten Sie bei der Auswahl von Start-ups? Geht es nur um harte Fakten?
Prokop: Nein, nicht ausschließlich. Der erste Grund für das Scheitern eines Start-ups ist ein schlechtes Produkt, wofür es keinen Markt gibt. Aber schon an der zweiten Stelle kommt das Team. Da schauen wir darauf, dass die wichtigsten Kompetenzen bei den Gründern abgedeckt sind. Es macht ja keinen Sinn, beispielsweise nur Techniker im Team zu haben, von denen sich keiner um den Verkauf kümmern möchte. Aber abgesehen davon: Ich arbeite nur mit Leuten zusammen, die mir sympathisch sind. Das mag semiprofessionell klingen, aber es macht für uns sonst keinen Sinn – wir müssen ja drei oder vier Jahre gut zusammenarbeiten können. Und man spürt ehrlich gesagt in den ersten fünf Minuten, ob das etwas werden kann.

Es kommt also auch auf das Bauchgefühl an?
Prokop: Ja, zweifellos. Ich muss fühlen, ob das Menschen sind, die sich fünf Jahre einem bestimmten Thema widmen können. Sie müssen einen Marathon laufen können, nicht nur einen Sprint.

Viele Gründer haben aber das Ziel, recht rasch ihre Firma gewinnbringend zu verkaufen. Was halten Sie davon?
Prokop: Wenn die Hauptmotivation eines Gründers ist, möglichst rasch Geld zu verdienen, ist das für mich eher eine Red Flag. Rasch geht bei FMCG-Start-ups fast gar nichts.

Österreich gilt nicht gerade als Paradies für Risikokapital. Wird sich daran etwas ändern?
Prokop: Wir haben die Diskussion ja schon lange. Es ist und bleibt absurd, dass man als Investor die Verluste bei Start-ups nicht gegenrechnen kann. Das ist in den meisten Ländern anders.

Ist Österreich ein guter Boden für Start-ups?
Prokop: Im internationalen Vergleich nicht. Es ist okay, aber nicht gut. Wir haben zwar das eine oder andere Instrument, aber das können andere Länder besser. Es ist ein bisschen wie das Henne-und-Ei-Prinzip. In anderen Ländern gibt es mehr Investoren und eine bessere Mentalität, woraus sich eine größere Szene und mehr Kapital ergibt, was wiederum das Interesse hoch hält. In dieser Hinsicht ist Österreich nicht der beste Standort für Start-ups. Es gibt mit Sicherheit noch viel zu tun.

assets Magazin: Start-up-Investor Heinrich Prokop
Für Heinrich Prokop ist jetzt eine gute Zeit, um in Start-ups zu investieren.
Nicht zuletzt deshalb, weil das pandemiebedingte Distancing die Spreu vom Weizen trennte.