Gold – Gold wird wieder Glänzen

Gold hat an Glanz verloren, meinen manche – und begründen dies mit der überraschend mauen Preisentwicklung im heurigen Jahr. Ein etwas genauerer Blick auf das Edelmetall fördert allerdings Erstaunliches zutage.  Text: Harald Fercher

Am Ende sollten sie recht behalten – die beiden „Gold-Jungs“. Ihr seit 2007 erscheinender Report „In Gold We Trust“ ist mittlerweile ein Standardwerk für alle goldinteressierten Anleger. 18.000 Stunden Research – oder umgerechnet 750 Tage knochentrockene Forschung – stecken in dem auf mehr als 400 Seiten angewachsenen Report, der mit 1,8 Millionen registrierten Downloads auf hohes Interesse stößt.

Seit Jahren warnen die Autoren Mark Valek und Ronald-Peter Stöferle, Partner der Incrementum AG, dass die Geldflut, mit der die Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks die Märkte schwemmen – um von der Finanzkrise bis zu den Folgen der Coronapandemie alles zuzuschütten, was irgendwie nach Krise riecht –, unweigerlich in einer Phase erhöhter Inflation enden wird.  In ihrem 2022er-Report rekapitulieren sie noch einmal: „Vor dem sich heranschleichenden Wolf warnten wir bereits im Herbst 2020, mitten in der zweiten Coronawelle. In der Spezialanalyse des In-Gold-We-Trust-Reports „Der Junge, der Wolf rief: Inflationäre Dekade voraus?“ wiesen wir eindringlich auf die Gefahren der drohenden Inflation hin.“

Der Wolf ist da …

Nun ist er da, der Wolf, und er reißt die Lämmer in derart rasender Geschwindigkeit, dass es selbst den Ökonomen der EZB den Atem verschlägt. „Im September 2021 wurde für das Jahr 2022 eine Inflationsrate von 1,7 Prozent prognostiziert, im Dezember 2021 wurde die Prognose auf 3,2 Prozent und im März 2022 auf 5,1 Prozent erhöht“, heißt es im Report. Dem nicht genug, wurde die Prognose im Juni auf 6,8 Prozent und im September nochmals auf 8,1 Prozent nach oben revidiert. Und auch 2023 soll sich die Situation nur marginal verbessern: Bei 5,5 Prozent soll die Inflation dann liegen, hieß es zuletzt von den EZB-Ökonomen.

Eigentlich ideale Voraussetzungen, um den Goldpreis weiter voranzutreiben: Bisher galt jedenfalls als ehernes Marktgesetz, dass eine hohe Inflation den Goldpreis antreibt. Juan Carlos Artigas, Global Head of Research des World Gold Council, bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Viele Investoren, mit denen wir sprechen, meinen, dass die Performance von Gold deutlich besser sein müsse angesichts der seit Jahrzehnten höchsten Inflationsraten, die die Welt derzeit aufzuweisen hat.“

Tatsächlich hat Gold aktuell aber eine eher maue Performance. Gemessen von Anfang Oktober des Vorjahres hat die Unze Gold 3,4 Prozent ihres Wertes eingebüßt (Stand: Mitte Oktober) – in US-Dollar wohlgemerkt. Betrachtet man hingegen den Preis der Unze Gold in Euro, so zeigt sich, dass der Preis, der nach der russischen Invasion in der Ukraine auf ein Allzeithoch geschossen war, zwar etwas zurückgegangen ist, dennoch noch um mehr als 14 Prozent über dem Niveau vom letzten Oktober liegt.

„König Dollar“ steigt

Des Rätsels Lösung: Nicht so sehr Gold hat an Wert verloren, sondern der Wert des Dollars ist kontinuierlich nach oben geklettert. Ein Umstand, der die Performance von Gold – auf den ersten Blick zumindest – mau erscheinen lässt, weil Gold traditionell in Dollar gehandelt wird. Das wirkt sich auch in der Nachfrage aus, wie Robert-Jan van der Mark, Investmentmanager bei Aegon Asset Management, anmerkt: „Weltweit kommen über 50 Prozent der Goldnachfrage aus China und Indien. Die starke Aufwertung des US-Dollars – verursacht durch geopolitische Unruhen und die zunehmende Zinsdifferenz zwischen dem Dollar und anderen wichtigen Währungen – hat diesen Käufern in Landeswährung Gegenwind beschert.“ Zur Erinnerung: Die US-Notenbank Fed hat heuer mit einer zuvor kaum gekannten Aggressivität in fünf Zinsschritten die US-Leitzinsen von null auf 3,25 Prozent angehoben. Die EZB hat hingegen nur zwei Zinsschritte gewagt, die den Leitzinssatz von null auf 1,25 Prozent steigen ließen. Bevor Gold wieder steigen kann, müsse „König Dollar“ schwächer werden, meint van der Mark.

Artigas vom World Gold Council gibt sich hingegen weit optimistischer. Die Gefahr einer Rezession und die geopolitischen Risiken werden weiter steigen, meint er. Um ihre Portfolioverluste zu minimieren, werden Investoren in defensive Anlagestrategien wechseln. Auf der Suche nach hochwertigen liquiden Vermögenswerten werden sie dann auf eine altbekannte Assetklasse treffen: Gold.

Hinter dem Wolf wartet der Bär

Für die anfangs zitierten „Gold-Jungs ist jedenfalls klar: „Hinter dem Wolf schleicht sich ein Bär heran, der Bär, der einen markanten Wirtschaftsabschwung symbolisiert und mit seiner Tatze die Kurse nach unten drückt.“ Daraus lässt sich eine einfache Gleichung flechten: Wolf plus Bär – sprich Inflation – plus Wirtschaftsabschwung ergibt eine Stagflation, ähnlich, wie sie die Welt schon einmal in den 70er-Jahren gesehen hat. „Stagflation 2.0“, wie Valek und Stöferle meinen.

Gold bleibt deshalb eine mittel- bis langfristig attraktive Anlagealternative. Bis 2030 sollte der Goldpreis auf rund 4.800 US-Dollar klettern, meinen Valek und Stöferle. Ob man sich Gold in Form von Barren oder Münzen zulegt, ist letztlich wohl eine Sache des Geschmacks bzw. des Portemonnaies. Die kostengünstige Variante eines ETC kann leichter gehandelt werden und ist deutlich günstiger, birgt allerdings das jedem Zertifikat innewohnende Emittentenrisiko in sich. Goldschmuck eignet sich als reines Investmentinstrument eher weniger, da der Preis – im Normalfall – doch deutlich über dem reinen Goldpreis liegen wird. Auch der Goldschmied will bezahlt werden.

Marcus Fasching, Geschäftsführer der Ögussa, sieht die mittel- bis langfristige Entwicklung des Goldpreises bzw. von anderen Edelmetallen gelassen optimistisch. „Edelmetalle sind nicht beliebig vermehrbar, ihr Vorkommen ist begrenzt. Es sind bisher, bis auf die analoge Fotografie im Falle von Silber, auch keine wesentlichen Nachfragevolumina weggefallen. Solange die in das System gepumpten Geldmengen so wahnsinnig aufgebläht bleiben, wie sie das leider mittlerweile sind, muss man sich um die Wertbeständigkeit von Rohstoffen, insbesondere um die von Gold, wohl keine großen Sorgen machen.“   ←