Auch wenn der Preis zuletzt etwas sank: Gold ist die einzige der bekanntesten Assetklassen, die seit Jahresbeginn ein Plus verzeichnet hat.

Geht das Vertrauen, steigt das Gold

Krisen treiben den Goldpreis an. Eine Binsenwahrheit, die sich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder bestätigt hat. Auch im Jahr 2022, als Russland am 24. Februar das Nachbarland Ukraine überfiel.

Nach einer kurzen Schrecksekunde – eigentlich dauerte sie fünf Tage – stieg der Goldpreis auf ein neues Allzeithoch in Euro. 1.880,25 Euro kostete die Feinunze Gold am 8. März des Jahres 2022. So viel wie nie zuvor in der Geschichte.

Gold als Krisenwährung Nummer eins ist nur die eine Seite der Medaille. Die zweite Seite der Medaille ist das Vertrauen. Schwindet das Vertrauen in die Zukunft oder auch in das Geldsystem, so greifen Anleger vermehrt zu Gold – und lassen den Goldpreis weiter steigen.

Unabhängige Notenbanken

Zwei Marktbeobachter, die eben diesen Vertrauensverlust seit Jahren anprangern, sind die beiden Österreicher Ronald-
Peter Stöferle und Mark Valek. Seit 2007 publizieren sie den Report „In Gold We Trust“, der mittlerweile zu einem Standardwerk für interessierte Goldanleger geworden ist. Im vergangenen Jahr warnten sie davor, dass die politische Unabhängigkeit der Notenbanken stets der institutionelle Garant für das Vertrauen in die Stabilität der Währung war. Die enge Verflechtung zwischen der Geldpolitik der Notenbanken und der Fiskalpolitik der Staaten untergräbt aus ihrer Sicht ­jedoch dieses Vertrauen. „Je länger und enger diese Liaison zwischen Geld- und Fiskalpolitik anhält, desto größer die Wahrscheinlichkeit eines Vertrauensverlustes“, heißt es im Report des Jahres 2021.

Interesse an Gold steigt deutlich

Tatsächlich dürften Covid-19 bzw. die teils als chaotisch empfundenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auch in Österreich das Vertrauen der Menschen erschüttert haben. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie und Datenanalyse (IFDD) für das Magazin News gaben Anfang April 2022 83 Prozent der Befragten an, dass das Vertrauen in die Politik wegen des teilweise chaotischen Corona-Krisenmanagements gelitten hat. Vice versa ist das Interesse der Österreicher an Gold als Anlageform deutlich gestiegen, wie kürzlich eine repräsentative Integralstudie im Auftrag der Erste Bank gezeigt hat. Demnach können sich 25 Prozent der Befragten für Gold als Anlageform erwärmen, ein Plus von acht Prozentpunkten gegenüber der Vorjahresbefragung.

Bleibt letztlich die Frage, ob sich das gestiegene Interesse auch im Markt niederschlägt. Ja, meinen unisono Kurt Schremmer, Prokurist der Goldinvest Edelmetalle GmbH, und Marcus Fasching, Geschäftsführer der Ögussa. Marcus Fasching: „Wir haben in den letzten Jahren nicht nur eine hohe Nachfrage von Kunden, die bereits in der Vergangenheit Gold gekauft haben, sondern tatsächlich auch neue Kunden, die wir auch gerne entsprechend beraten.“ „Seit Ausbruch der Covidkrise verzeichnen wir definitiv einen deutlichen Anstieg des Interesses an Gold“, meint Kurt Schremmer. Zwischendurch kam es sogar zu einem Rückstau bei der Abarbeitung der Aufträge, berichtet Schremmer.

Grund waren Probleme in der Lieferkette: Covidbedingt konnten die Minenpro­du­zenten ihre Minen nur mit 50 Prozent
des Personals besetzen. Probleme, die bis Mitte Herbst 2021 andauerten, mittlerweile aber der Vergangenheit angehören, wie Schremmer erklärt. 

Sanktionen

Dass der Boykott gegen Russland – das Land ist mit einer Produktionsmenge von 300 Tonnen Gold immerhin der drittgrößte Produzent der Welt – ähnliche Probleme verursachen könnte, glaubt Marcus Fasching von der Ögussa eher nicht: „Der weltweite Goldhandel betrifft immer die gesamte im Umlauf befindliche Menge an Gold – nicht nur die jährliche Minenförderung – und ist entsprechend liquide. Das liegt daran, dass viel physisches Metall von Investoren gehalten wird, die sich beim richtigen Preis von ihren Vorräten trennen. Außerdem gibt es beim Gold auch einen liquiden Leihemarkt, weil über Bullion Banks auch Gold verliehen wird, um die temporäre physische Nachfrage zu decken. In dieser Hinsicht funktioniert der Goldmarkt gänzlich anders als die Märkte bei Industriemetallen wie z. B. Platin, Palladium, Rhodium oder Iridium. In diesen Märkten machen sich Angebotsbeschränkungen viel stärker bemerkbar, noch dazu, weil diese auf Nachfrager treffen, die eine relativ unelastische Nachfrage haben – nämlich die Auto­industrie, die just in time produziert.“

Obwohl Gold nach seinem Euro-Allzeithoch im März wieder etwas an Boden verloren hat, ist es im heurigen Jahr bislang die einzige der bekanntesten Assetklassen, die ein Plus verzeichnet. Wer in Gold investiert, sollte aber ohnehin längerfristig denken und nicht auf das richtige Timing hoffen. „Dass man den perfekten Einstiegszeitpunkt erwischt, ist unwahrscheinlich“, meint Kurt Schremmer von Goldinvest. „Grundsätzlich empfiehlt es sich, regelmäßig – alle zwei bis drei Monate – etwas zu investieren.“ Wer Gold nicht zu Hause aufbewahren will,

Kurt Schremmer, Goldinvest: „Seit Ausbruch der Covidkrise bemerken wir definitiv einen deutlichen Anstieg des Interesses an Gold.“

Marcus Fasching, Ögussa:„Ich glaube weiterhin an einen hohen Goldpreis. Die Notenbanken können große Zinsanhebungen nicht durchstehen.“
Steffen Orben, Xetra-Gold:Die von der Deutsche Börse Commodities emittierte Schuldverschreibung ist zu 100 Prozent mit Gold unterlegt.

kann es bei Unternehmen wie Goldinvest auch deponieren. „Wir verzeichnen diesbezüglich eine große Nachfrage“, sagt Schremmer. Das stetige Wachstum der an Gold Interessierten führt der Experte darauf zurück, dass Gold vor allem als Ab­sicherung gesehen wird. Und unsichere Zeiten werden uns wohl noch lange begleiten.  Eine Ansicht, die jüngst auch von den Experten des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) geteilt wurde.

Gefahr durch steigende Zinsen?

Über kurz oder lang wird die rasant gestiegene Inflation die Europäische Notenbank dazu zwingen, ihre Nullzinspolitik aufzugeben, wie es die US-Fed schon vor einiger Zeit getan hat. Das sollte die Preisentwicklung bei Gold bremsen – so zumindest die Theorie. Doch was sagen die Experten? Marcus Fasching von der Ögussa bleibt gelassen, was den Goldpreis betrifft: „Ich glaube weiterhin an einen hohen Goldpreis, weil ich umgekehrt nicht daran glaube, dass die Notenbanken große Zinsanhebungen durchstehen werden.“ Eine Meinung, die auch von einigen Analysten geteilt wird, die darauf verweisen, dass allzu hohe Zinsschritte dem zarten Pflänzlein Konjunktur, welches durch den Ukraine-Krieg ohnehin einen zusätzlichen Dämpfer erhalten hat, den Garaus machen könnten. Ein Szenario, welches sich nach zwei Jahren Covidkrise nur wenige wünschen. Dazu kommt, dass auch die durch die Wirtschaftshilfen immens gestiegenen Staatsverschuldungen gegen allzu große Zinsschritte sprechen, da sich Europas Staaten dann mit steigenden Marktzinsen herumschlagen müssten.

Auch à la longue ein Gewinn

Weil Goldinvestoren aber ohnehin zu der eher langfristig orientierten Anleger­gruppe gehören, macht ein Blick auf die vergangenen Jahrzehnte mehr Sinn. Anfang 2000 kostete eine Feinunze Gold umgerechnet 196,73 Euro. Ende 2021 – also 22 Jahre später – lag der Preis bei 1.821,5 Euro. Der Wert der Feinunze Gold ist in diesem Zeitraum also um mehr als 800 Prozent gestiegen – sprich, er hat sich mehr als verneunfacht. Lediglich in fünf der 22 Jahre wies Gold eine negative Performance auf (siehe Tabelle links).

Um an der Wertentwicklung von Gold teilzunehmen, muss man nicht unbedingt sofort auf physisches Gold zugreifen. Man kann sich auch Xetra-Gold aufs Depot legen. Das Produkt (ETC) ist eine von der Deutsche Börse Commodities emittierte Inhaberschuldverschreibung, die zu 100 Prozent mit Gold unterlegt ist. Jede einzelne Xetra-Gold-Schuldverschreibung räumt dem Investor das Recht ein, von der Emittentin die Lieferung von einem Gramm Gold zu verlangen. Der Vorteil: Xetra-Gold kann leichter gehandelt werden. Hinter der Emittentin von Xetra-Gold stehen neben einigen deutschen Banken die Deutsche Börse AG und Umicore AG & Co. KG, eine Konzerntochter der Umicore S. A., die weltweit mehrere Goldraffine­rien betreibt und Goldbarren herstellt.  ←