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Beste Zeit für aktives Management – Strategien gegen die Krisen

Der Ukraine-Krieg hat für einen zusätzlichen Inflationsschock in einer Zeit mit ohnehin hoher Teuerung gesorgt und die Märkte reagieren sensibel. Während das Wort Inflation bereits in aller Munde ist, sind die Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Teuerungstendenz, ihrer Dauer und bezüglich des Stagflationsrisikos unterschiedlich und damit zugleich die Einschätzungen zur gebotenen Asset Allocation und zum notwendigen Inflationsschutz.

Inflation bleibt Thema Nummer eins

Karl Banyai, Sales Director Austria bei Franklin Templeton, geht von einem weiterhin hohen Preisniveau in der Eurozone aus. Die Energiepreise sollten demnach weder stark fallen – da die EU ihre Abhängigkeit von russischem Gas, Öl und Kohle minimieren will – noch so stark steigen wie in den vergangenen zwölf Monaten. Daher würde im nächsten Jahr durch den Basiseffekt die Inflationsrate wieder sinken. Lohnerhöhungen könnten aber die Inflationserwartungen weiter anheizen. Eine verzwickte Lage für die Europäische Zentralbank (EZB): „Eigentlich kann die EZB wenig tun, um die Energiepreise zu senken. Selbst wenn sie die Leitzinsen von heute negativ auf null Prozent erhöht, wird das an der Inflation nicht viel ändern. Die Gefahr besteht deshalb, dass sie noch weiter gehen muss. Brutal gesagt: Sie muss die Konjunktur abwürgen. Von daher ist das Stagflationsrisiko für die Eurozone nicht von der Hand zu weisen.“ Auch Thomas Loszach, Head of Austria & CEE bei Fidelity International, hält es für möglich, dass sich Anleger auf eine Stagflation in den Industrieländern einstellen müssen.

Die Mehrheit der befragten Fondshäuser ist etwas optimistischer gestimmt, zumindest was das Stagflationsrisiko angeht. „Fed und EZB gehen von einem Wachstumsknick – keiner Rezession – und einem kurzfristig zusätzlichen Schub der Infla­tion nach oben aus. Das deckt sich mit unserer Markteinschätzung“, stellt Roland Himmelfreundpointner, Leiter Asset Allo­cation bei der Kepler-Fonds KAG, klar. „Wir haben noch einen weiten Weg vor uns, bis wir unterdurchschnittliche oder gar negative Wachstumsraten sehen“, findet auch Daniel Morris, Chief Market Strategist bei BNP Paribas. Er bezieht sich dabei jedoch in erster Linie auf die Vereinigten Staaten.

Gebote der Stunde: Flexibilität und Diversifikation 

„Unser Hauptszenario ist, dass sich der Ukraine-Krieg noch eine ganze Zeit hinziehen könnte, die Inflation erhöht bleibt und das Wachstum leidet“, informiert Oliver Trienes, Leiter Vertrieb Österreich & CEE bei DWS, und schlägt derzeit fle­xible Anlagelösungen vor, wie es die Multi-Asset-Fonds des Hauses vorzeigen. „Total-Return-Fonds wie der DWS Concept Kaldemorgen haben diese Flexibilität in der Krise sehr gut ausspielen können. In Erwartung steigender Renditen wurde der Anteil von Anleihen schon vor einigen Monaten deutlich reduziert, die Aktienquote ist nach wie vor relativ hoch, liegt aber unter 50 Prozent. Mit einer feinen Mischung aus Rohstoffinvestments oder über Währungen mit Gold als Stabilisator und einer erhöhten Kassaposition ist der Fonds bislang prima durch die Turbulenzen gekommen.“ Für das nordische Investmenthaus DNB Asset Management (AM) steht in der derzeit schwierigen Gemengelage Diversifikation im Vordergrund. „Der Fokus sollte auf Unternehmen mit soliden Bilanzen und sichtbaren Cashflows liegen, eine breite Diversifikation auf Sektor- und Unternehmensebene gewährleisten und damit ein angemessenes Rendite-Risiko-Verhältnis darstellen“, erklärt Mike Judith, Vertriebschef International, und bricht gleichzeitig eine Lanze für die nordischen Länder, die mit ihren kleinen, aber sehr offenen Volkswirtschaften eine „Weltwirtschaft im Miniformat“ darstellten. „Zudem verfügen alle skandinavischen Länder bis auf Finnland über eine eigene Währung, was nach wie vor ein Grund ist, warum so viele Unternehmen zu Weltmarktführern geworden sind. Durch den schwankenden Wert der Währung, analog

Karl Banyai, Franklin Templeton: „Brutal gesagt: Die EZB muss die Konjunktur abwürgen. Das Stagflationsrisiko ist für die Eurozone nicht von der Hand zu weisen.“
Franz Weis, Comgest: „Unser Anlageteam arbeitet enger denn je mit dem Risikomanagement zusammen, um negative Tendenzen sofort erkennen zu können.“
Daniel Morris, BNP Paribas: „Es ist noch ein weiter Weg, bis wir unterdurchschnittliche oder gar negative Wachstumsraten sehen werden.“

zur Schweiz, sind sie gefordert, innovativ, nachhaltig und solide zu agieren. Hinzu kommt ihre größtenteils vorhandene Führung im ESG-Bereich, und dies weltweit. Jedes Land verfügt über einen industri­ellen Schwerpunkt und in Summe ergibt sich damit eine hervorragende sektorale Diversifikation.“

Aktien – nach wie vor bester Inflations­schutz

Im aktuellen Umfeld setzt Judith außerdem mehr denn je auf die Investition in eine grüne Zukunft und die nachhaltige Strategie des DNB Fund Renewable Energy, dessen Schwerpunkt auf Unternehmen liegt, die mit ihren Produkten und Dienstleistungen zur Einsparung von Treibhausgas-Emissionen beitragen. Dass Technologietitel selbst bei Inflation überzeugen können, zeigt der DNB-Tech-Fonds, der mit seinem substanzorientierten Value-Ansatz für eine vergleichsweise geringere Volatilität und größere Diversifikation bei gleichzeitiger Teilhabe am Wachstum des Technologiesektors sorgt. Apropos Value-Ansatz: Während eine hohe Inflation für viele Assets eher Heraus­forderungen mit sich bringt, trifft dies auf viele Aktien und hier insbesondere auf Qualitätswachstumsaktien deutlich weniger zu. „Der Grund dafür liegt in den ökonomischen Burggräben, die in der Regel mit Preissetzungsmacht und hohen Bruttomargen einhergehen. Preissetzungsmacht ermöglicht es den Unternehmen, stei­gende Kosten weiterzugeben. Ein Beispiel hierfür ist der globale Luxuskonzern LVMH Moët Hennessy. Das Unternehmen erhöhte die Preise für seine Markenprodukte im Jahr 2020 um etwa vier bzw. fünf Prozent. Obwohl ein Umsatzrückgang denkbar gewesen wäre, setzten sich die Absatzzahlen unvermindert fort“, führt Franz Weis, Portfoliomanager für europäische Aktien bei Comgest, aus. Weil das Engagement der Europastrategie des Comgest Growth Europe im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine weniger als zwei Prozent beträgt, sind die Aussichten in dieser Hinsicht ungetrübt.
Allerdings bestehe ein gewisses Risiko

„Fokus auf Unternehmen mit soliden Bilanzen und sichtbaren Cashflows.“
– Mike Judith –
DNB Asset Management
„Fed und EZB gehen von einem kurzen Wachstumsknick aus.“
– Roland Himmelfreundpointner –
Kepler-Fonds KAG

von Fehlentscheidungen aufgrund der für Weis ungewöhnlichen Zurückhaltung der Geldpolitik. „Um negative Entwicklungstendenzen in unseren Titeln sofort zu ­erkennen, arbeitet unser Anlageteam
aktuell enger denn je mit dem Risiko­management-Team zusammen. Unter an­derem gewährleisten intensives Research und Teamentscheidungsprozesse eine umfassende Risikobewertung.“

Globale Value-Titel mit attraktiver Bewertung und weltweite Qualitätsunternehmen mit robusten Geschäftsmodellen und stabilen Umsatz- und Gewinnentwicklungen sollten unbedingt Bestandteil des Portfolios sein, davon ist auch Himmelfreundpointner überzeugt und verweist auf den KEPLER Value Aktienfonds.

Assets mit besonderem Inflationsschutz

Eine ideale Mischung aus Qualität und Wert stellen für Johannes Rogy, Head of Sales Central & Eastern Europe bei Nordea AM, Aktien wie die im Nordea 1 – Global Stable Equity Fund dar. „Eine defensive und sehr gute Beimischung sind globale stabile Unternehmen, die eine solide Geschäftspolitik verfolgen, regelmäßig Dividenden zahlen und auf ein vertrautes Management bauen“, empfiehlt Rogy. Desgleichen zielt der Fidelity Funds – Global Equity Income Fund auf Unternehmen mit beständigen Erträgen und einer starken Preissetzungsmacht ab, die sich gegen die negativen Auswirkungen der Inflation auf die Margen schützen und ihre Dividenden steigern können. Dies hat laut Loszach derzeit seine Vor­teile: „Dividenden spiegeln reale Cashflows wider, die mit der Inflation wachsen können, im Gegensatz zu normalen Anleihekupons, deren Realwerte mit der Inflation sinken.“ Auf solide, dividendenstarke Value-Aktien mit eher defensivem Charakter setzt übrigens auch das erfahrene Fondsmanagement des DWS Top Dividende.

In einem Szenario mit erhöhter Inflation spielen Nordea AM zufolge auch Infrastrukturaktien ihre grundsätzlichen Stärken aus: hohe Widerstandskraft und als Folge daraus und wegen berechenbarer Cashflows sowie aufgrund ihrer Konjunkturunabhängigkeit eine robustere Wertentwicklung als der breite Aktienmarkt in Abwärtsphasen. Rogy empfiehlt Aktienfonds wie den Nordea 1 – Global Listed Infrastructure Fund fürs Portfolio. Ob Assets speziellen Inflationsschutz bieten oder nicht, hängt laut Banyai nicht nur von der Höhe der Inflation ab, sondern auch davon, wohin sie tendiert. „Das liegt daran, dass einige Vermögenswerte die Inflation vorwegnehmen. Wenn die In­flation von einem hohen Niveau aus fällt oder von einem niedrigen Level aus ansteigt, kann dies für Aktien sehr förderlich sein, da sie Inflations- oder Deflationsrisiken

„Dividenden spiegeln reale Cashflows wider, die mit der Inflation wachsen können.“
– Thomas Loszach –
Fidelity International

ausblenden. Rohstoffe haben in Zeiten hoher und steigender Inflation in der Regel gut performt. Bei sinkenden Inflationsraten haben sie jedoch schlechter abgeschnitten.“ Im Franklin Global Multi-Asset Income Fund werden daher vorerst weiterhin Aktien gegenüber Anleihen favorisiert, mit reduzierter Aktienquote. Vorsichtig bevorzugt man die USA, gerade jetzt rohstoffexportierende Regionen wie Kanada und den pazifischen Raum (ohne Japan). Weil steigende Zinsen die Attraktivität von Anleihen erhöhen, ist man wieder in festverzinsliche Anlagen einge­stiegen. Die Kombination aus höheren Renditen und breiteren Spreads hat laut Franklin Templeton die Attraktivität von Investment-Grade-Krediten auf einer Risiko-Ertrags-Basis verbessert.

Unsicherheit bleibt

Bei Inflationsschutzanleihen sind die Fondsexperten uneinig. Während Kepler-Fonds in ihren Asset-Allocation-Fonds an einer schon länger bestehenden Beimischung dieser Anleihen festhält und zum KEPLER Realzins Plus Rentenfonds rät, ist Kurt Schappelwein von Raiffeisen Capital Management skeptisch: „Inflationsgeschützte Anleihen sind attraktiv, wenn die am Markt erwartete Inflation niedrig ist. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall.“

Welche Anlagestrategie Investoren auch immer verfolgen, sie sollten sich jetzt nicht aus der Ruhe bringen lassen. Denn so viel ist sicher: Die Unsicherheit an den Märkten hält an. „Aber gerade in diesen Zeiten zahlt sich aktives Portfoliomanagement aus, nicht nur, weil sich so die offensichtlichen Risiken aus einem Portfolio nehmen lassen, sondern auch, weil sich bei den ganzen Verwerfungen und der Volatilität viele Opportunitäten ergeben“, resümiert Banyai.   ←

„Inflationsgeschützte Anleihen sind derzeit nicht attraktiv.“– Kurt Schappelwein –
Raiffeisen Capital Management
Johannes Rogy, Nordea AM, empfiehlt: „Global stabile Unternehmen mit solider Geschäftspolitik, regelmäßigen Dividenden und vertrautem Management.“
Oliver Trienes, DWS: „Unser Hauptszenario ist, dass sich der Ukraine-Krieg noch eine ganze Weile hinziehen könnte und das Wachstum leidet.“