assets Magazin: Stefan Wernhart

Bye-Bye, Office?

Die Bürowelt steht kopf. Als Anfang des Jahres die Angst vor dem Virus die Geschäftsräume leer fegte, wurde bald klar, dass der Arbeitsalltag, wie wir ihn kennen, nicht mehr existiert. Erst Homeoffice, dann zögerliche Rückkehr mit strengen Hygiene- und Platzregelungen und nach herbstlich steigenden Zahlen wieder zurück nach Hause. Wie sieht es also aus, das Büro von morgen? Die Antwort lässt sich in drei Stichworten zusammenfassen: digital, flexibel, kollaborativ. 

Bewusste Entscheidung

Zur neuen Bürowelt liegen verschiedene Thesen auf dem Tisch. Die einen reden vom Office-Space als Event-Space. Man kommt nur noch zu Workshops, Brainstormings und Trainings zusammen. Die Vermittlung neuer Inhalte steht im Vordergrund. Andere sprechen vom Büro als Social Hub. Der Mensch als soziales Wesen erwartet von seiner Arbeit mehr als das Abarbeiten von To-do-Listen. Gemeinsame Kaffeepausen haben ja auch etwas Therapeutisches. Arbeitsstätten sollen helfen, die Unternehmenskultur zu vermitteln und zu stärken, Kollegen miteinander zu verbinden und den sozialen Austausch zu fördern. Diesen Ansätzen gemein ist jedoch, dass die zu erledigenden Tasks darüber entscheiden, wo heute die Arbeit stattfindet. Konzentriertes ­Arbeiten? Eher daheim. Kollaboratives Ideenspinnen? Lieber im Office. Die Leistung zählt, nicht die abgesessenen Präsenzstunden. Und das wiederum hat Auswirkungen auf die Ausgestaltung und Vermietung von Büroimmobilien. 

Im Gespräch mit Stefan Wernhart, Geschäftsführer der EHL Gewerbeimmobi­lien GmbH, wird schnell klar: Die Bürowelt ändert sich, aber sie kollabiert nicht. „Ja, Kunden, mit denen wir in Verhandlungen zu neuen Büroflächen stehen, fragen nach flexiblen Lösungen. Manche geben geplante Flächen auch zurück, da sich das Homeoffice bewährt hat. Aber das sind eher Einzelfälle. Was sich ändern wird, ist die Art, wie Büros genutzt und gestaltet werden“, stellt Wernhart fest. 

Dieser Meinung ist auch Andreas Horvath, der mit seinen Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Innenarchitektur, Büroplanung und -ausstattung und dem Betreiben von Co-Working-Spaces steht. „Das Büro wird nicht aussterben. Dazu ist der direkte Austausch viel zu wichtig. Obendrein will ein Viertel der Büroangestellten auch wieder ins Office, wie es vor Corona üblich war. Ich sehe es als Chance, sich endlich zu überlegen, wie Büroflächen wirklich sinnvoll genutzt werden können. Das Büro der Zukunft muss einfach mehr bieten können als uninspirierende, kleine Arbeitszellen und laute Großraumflächen.“ Wie das geht, macht Horvath in seinem H2Office am Wiener Schottenring vor. Besprechungsräume mit perfekter Akustik, Hightech-Meetingräume und Rückzugsbereiche – halb Raumschiff, halb Wohnzimmer – gehören hier seit Jahren zum Standard. Mit umweltfreundlichem Nebeneffekt: „Wir begreifen endlich, dass das Herumfliegen für Businessmeetings komplett sinnlos ist.“ 

Corona als Katalysator

Wie in vielen anderen Branchen und Lebensbereichen war die Pandemie auch für den Büroimmobilienmarkt kein totaler Gamechanger, sondern eher ein Katalysator. Denn die Veränderungen, die sich jetzt wie im Zeitraffer vollziehen, zeichnen sich schon länger ab. Der Ausbau digitaler Infra­struktur und das Arbeiten von zu Hause ist für viele Unternehmen Usus. Die oberste Prämisse für moderne Unternehmen lautet zudem nicht mehr „Standort und Prestige um jeden Preis“, sondern „so flexibel wie möglich“. Buzzword: Agilität. Das zeigt sich Maklern zufolge an der merkbar gestiegenen Bereitschaft, umzusiedeln, wenn das für die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung am Ende zuträglich ist. 

Flexibel wie Gipskarton

Flex Space ist das Bürokonzept der letzten Jahre und nimmt durch die Pandemie weiter Fahrt auf. Gefragt sind flexible Immo­bilien, die je nach Bedarf vergrößert oder verkleinert werden können. Wächst die Firma, werden angrenzende Räumlichkeiten dazugenommen. Diese Anforderungen kennt auch Wernhart bei EHL. „Kunden möchten im Vorfeld wissen, ob es im Haus noch weitere zumietbare Flächen gibt.“ Schrumpft die Belegschaft, werden Teile des Büros untervermietet oder dem Eigentümer zurückgegeben. Das stellt die Immobilienbranche schon länger vor neue Herausforderungen. Denn die erwartete Flexibilität muss sich schon im Grundriss wiederfinden. Wenn aus einem Büro im Bedarfsfall zwei werden sollen, müssen Strom- und Wasserkreise, Klimaanlagen und Heizungssysteme unabhängig vom zweiten Bürotrakt genutzt und programmiert werden können. 

Großkonzern oder KMU

Seit Homeoffice zum Normalzustand wurde, sinkt der Flächenbedarf. Ob sich eine Flächenreduktion auszahlt, kommt jedoch auf den Aufwand an. „Ein KMU wird wegen ein paar Mitarbeitern im Homeoffice eher die Nutzung der Flächen ändern, als diese zurückzugeben. Abstandsregeln können besser eingehalten werden und es entstehen mehr Kollaborations- und Rückzugsräume“, meint Wernhart. Durch das erhöhte Kommunikationsaufkommen mit den Kollegen brauche es außerdem mehr akustisch isolierte Fläche im Büro, gibt Bürogestalter Horvath zu bedenken. Der Platzbedarf sinkt also, aber nicht übermäßig stark. Was jedoch stimmt: Großkonzerne haben durch Flächenreduktionen einen weitaus grö­ßeren Kostenhebel. In Österreich zeigen sich die Konzerne dahingehend aber noch zurückhaltend.

„Die Entwicklung zum Smart Office wird uns auch nach Corona begleiten.“

– Stefan Wernhart – 
Geschäftsführer EHL Gewerbeimmobilien

Downsizing

Auch wenn Büro-Visionär Horvath hofft, dass das Arbeiten in dezentralen Co-Working-Spaces oder Satellitenbüros außerhalb der Stadtgrenzen irgendwann Normalität wird: Ein Aussterben der Innenstädte, wie Großbritanniens Premier Boris Johnson befürchtet und deshalb im Sommer die Büroangestellten zurück in die Londoner City zitierte, ist in Österreich unwahrscheinlich. Horvath nennt hier die Wichtigkeit strategischer Achsen. Wer ins Büro geht, bringt am Hinweg den Anzug in die Reinigung, geht danach ins Fitnesscenter und abends auf ein Getränk in der neuen Cocktailbar. Dinge, die auf dem Land nicht passieren. Das Down­sizen, Zersplittern in Gruppenbüros und Übersiedeln in Randlagen, wie Großkonzerne in Deutschland es bereits vormachen, sieht auch EHL-Manager Wernhart für den Standort Wien nicht als realistisch: „Location und Infrastruktur sind immer noch wichtig.“

Viel Zaster im Cluster

Gibt es eine Zukunft für Bürotürme? In Zeiten von Social Distancing und Maskenpflicht wirkt das tägliche Pendeln in den Bürocluster und in Businessparks, das Benützen enger Aufzüge und das Plaudern mit Kollegen am Gang beinahe unangebracht. EHL-Fachmann Wernhart hält jedoch am Konzept der Bürotürme fest. Auch in Zukunft werde in Business­parks investiert. Zu wichtig sei die Infrastruktur, die Multifunktionstürme bieten, zu gut die Synergieeffekte, die Firmen in Clustern erzielen könnten. Allerdings geht es jetzt ums Eingemachte in der Ausstattung. „Man wird mehr in Richtung Smart Office denken müssen. Digitale Touchless-Zugangssysteme von der Parkgarage bis zum Schreibtisch, verstärkte Sicherheitsrichtlinien und eine flexible Großraumnutzung – das sind Entwicklungen, die uns auch nach Corona in der Immobilienbranche begleiten werden.“   ←

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