Immobilien – Das Recht auf Wohnen

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Knappes Gut: Die Mieten steigen, Kredite für Eigentumswohnungen sind schwer zu bekommen. Jetzt soll ein „Wohnpaket“ den Markt beleben.

Wohnen soll wieder erschwinglich werden: Für dieses Ziel hat die Bundesregierung ein milliardenschweres Maßnahmenpaket geschnürt, das den stockenden Wohnungsbau ankurbeln, die Eigentumsquote erhöhen und den Leerstand reduzieren soll. Doch reicht das zur nachhaltigen Marktbelebung?
Text: Rosi Dorudi

Wohnen ist ein Menschenrecht, die Bereitstellung von Wohnraum für alle somit eine zentrale Aufgabe eines demokratischen Wohlfahrtsstaates. In Zeiten niedriger Zinsen überließ die Politik den Wohnungsmarkt dem freien Markt – was bei rasantem Bevölkerungswachstum zwangsweise zur Jagd nach Renditemaximierung, zu steigenden Mieten und immer höheren Kaufpreisen für Eigentumswohnungen und Häuser führte. Inzwischen kämpft die Baubranche mit schwierigen Finanzierungsbedingungen, explodierenden Baustoffpreisen, knappen Materialien und Fachkräftemangel. Um dem entgegenzuwirken, hat die Bundesregierung im April ein Wohnbaupaket angekündigt, das Wohnungssuchenden, Käufern und Bauherren zugutekommen soll. „Das Paket ist ein erster wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass auch künftig ausreichend Wohnraum angeboten wird“, sagt Karina Schunker, Geschäftsführerin von EHL Wohnen.

„Positiv hervorzuheben ist, dass ab sofort die Grundbuchseintragungsgebühren von 1,1 Prozent des Kaufpreises beim Erwerb einer Eigentumswohnung für den Eigenbedarf entfallen.“ Insgesamt könnten dadurch bis zu 11.500 Euro beim Ankauf gespart werden. „Viele Wohnungssuchende sind sich dieser finanziellen Erleichterung nicht bewusst und erfahren oft erst von uns davon.“ Eine weitere willkommene Maßnahme sieht die Geschäftsführerin auch in der Verlängerung der Prognosezeiträume für Liebhaberei um fünf Jahre. Das schaffe mehr Anreize zur Investition in Anlegerwohnungen, was insbesondere die Vermietung attraktiver mache.

„Gleichzeitig sind jedoch die Anforderungen an die Errichtung neuer Wohnimmobilien durch die Bauordnungsnovelle noch strikter geworden, wodurch sich die Baukosten weiter erhöhen“, bemängelt Schunker. „Der frei finanzierte Wohnbau trägt essenziell dazu bei, dass dringend benötigte Wohnungen auf den Markt kommen.“ Die Unterstützung seitens der Regierung im Zuge des Wohnbaupakets ziele jedoch stark auf gemeinnützige Bauvereinigungen ab, was nach ihrer Ansicht nicht ausreichend sein werde, um den Markt zu beleben. Dazu müssten auch Prozesse beim Bau von Immobilien, vor allem bei Widmungs- und Baubewilligungsverfahren, beschleunigt werden. „In Marktphasen mit hohen Zinsen ist vor allem die Zeitkomponente ein großer Kostenfaktor“, so Schunker. Auch der Fall der KIM-Verordnung sei dringend notwendig, damit vor allem jüngere Personen vom Erwerb eines Eigenheims nicht ausgegrenzt oder benachteiligt werden.

Positives Signal, offene Fragen

Für Martin Steiner, Geschäftsführer J&P Immobilienmakler, ist es noch zu früh, eine konkrete Aussage über die Wirksamkeit der Maßnahmen zu machen. „Dennoch hat das Wohnbaupaket für eine positive Stimmung und ein positives Signal am Markt gesorgt“, konstatiert er. „Vor allem bei Projektentwicklern, die nun wieder mit einer höheren Nachfrage nach Eigentum rechnen.“

Dies beflügle wiederum alle mit der Bau- und Immobilienwirtschaft verflochtenen Unternehmungen, darunter Baufirmen, Handwerksbetriebe sowie Materiallieferanten. „Da es zum großen Teil den geförderten Bereich betrifft“, ergänzt er, „bewirkt sicher auch die befristete Vergabe von geförderten günstigeren Wohnbaukrediten einen positiven Effekt.“ Durch die zeitliche Einschränkung des Pakets stelle sich aber beispielsweise die Frage, wie sich die Zinssituation für Kreditnehmer nach 2028 bei geförderten Krediten entwickeln werde oder „wie dieser ‚Zins-Gap‘ zum marktüblichen Zins aufgefangen wird oder wer diesen zu tragen hat“, gibt Steiner zu bedenken. Um die Baukonjunktur wieder anzukurbeln, empfiehlt auch Steiner, die strikten Kreditvergaberichtlinien durch die KIM-Verordnung vorzeitig aufzuheben oder zumindest wesentlich zu lockern. „Das Zinsniveau müsste zudem bald spürbar sinken und Förderungen für Privatpersonen müssten wieder attraktiver werden.“ Darüber hinaus wären auch zusätzliche steuerliche Anreize sowohl für Käufer als auch für Bauträger ein Aspekt, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

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„Das Wohnbaupaket hat für eine positive Stimmung am Markt gesorgt.“ – Martin Steiner – Geschäftsführer J&P Immobilien
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„Unsere Bauherrenmodelle schaffen eine Win-win-Situation für alle.“ – Walter Neumann – Geschäftsführer Valuita

Gute Ideen, langsame Umsetzung

Die Schritte der Regierung für mehr Leistbarkeit am Wohnungsmarkt seien sicherlich zu begrüßen, urteilt auch Walter ­Neumann, Geschäftsführer des Veranlagungsunternehmens Valuita, allerdings hapere es für ihn noch an der Umsetzung. „Beim Kauf von Eigenheimen hat die Regierung mit ihren Maßnahmen einige gute Punke aufgegriffen“, sagt er. „Dazu zählen die Reduzierung beziehungsweise der Wegfall von Kaufnebenkosten, günstige Finanzierungen über Landesdarlehen, Zuschüsse beim Kauf von ökologischen und nachhaltigen Wohnungen sowie die Vereinfachung einiger rechtlicher Vorschriften wie das Baugenehmigungsverfahren.“ Die Umsetzungen der Ankündigungen folgten bisher jedoch zu langsam oder auch noch gar nicht. „Als Beispiel sei hier die finanzielle Zinsunterstützung für niedrig verzinste Förderdarlehen zur Wohnraumschaffung angeführt: Viele Käufer warten seit Bekanntgabe des Pakets beim Kauf einer Wohnung ab, bis die Ankündigungen umgesetzt werden. Der bereits sehr schwache Markt wurde bisher dadurch weiter eingebremst“, kritisiert er. Um den Wohnungsmarkt an­zukurbeln, sollte im Mietbereich die Förderung von sozialem Wohnbau vorangetrieben werden, empfiehlt Neumann. „Wir sind mit unserem Unternehmen vor allem im Bereich des Bauherrenmodells tätig, welches ein perfektes Beispiel einer Win-win-Situation für alle Beteiligten ist. Der Bauherr bekommt steuerliche Optimierungsmöglichkeiten beziehungsweise Förderungen, die Mieter leistbaren Wohnraum auf höchstem Standard durch vorgegebene oder auch gedeckelte Mieten.“

Langfristige Strategien vonnöten

Peter Ulm, Geschäftsführer von allora Immobilien, sieht zahlreiche Möglichkeiten, den Wohnungsmarkt erschwinglicher zu gestalten. Ob das Wohnbaupaket der Bundesregierung jedoch tatsächlich zu leistbarem Wohnen führe, sei fraglich.

„Grundsätzlich ist jede Maßnahme zur Belebung des Wohnungsmarktes willkommen. Begleitend dazu ist es aber notwendig, Verfahren zu verkürzen und alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, damit der gewünschte Effekt rasch eintreten kann.“ Kritik äußert Ulm an den bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung. „Viele Verbände, darunter auch die VÖPE, haben umfangreichere Vorschläge gemacht, um mehr Wohnraum zu schaffen und die Immobilienwirtschaft anzukurbeln. Dieses Bündel an Vorschlägen sollte dringend diskutiert und in eine langfristige Strategie umgesetzt werden.“ Der wichtigste Schritt sei, Flächenwidmungen zügig umzusetzen und Bauland schnell zu mobilisieren. „Gleichzeitig muss der Zugang zu Finanzierungen erleichtert und unterstützt werden, um den Markt zu beleben“, betont Ulm. Auch die Aussetzung von Gebühren und Verkehrssteuern würde die Leistbarkeit deutlich erhöhen.

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„Der Finanzierungszugang muss erleichtert und unterstützt werden.“ – Peter Ulm – Geschäftsführer allora Immobilien
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„Durch die Leerstandsabgabe fließt weniger privates Kapital in den Wohnbau.“ – Karina Schunker – Geschäftsführerin EHL Wohnen

Leerstandsabgabe und Bestellerprinzip

Neben dem Wohnbaupaket soll auch die beschlossene Leerstandsabgabe dafür sorgen, dass mehr Wohnungen auf den Markt kommen, wobei die Länder über Art und Umfang der Abgaben selbst entscheiden können. „Nachdem wir uns auf Wien fokussieren und hier noch keine genauen Richtlinien definiert wurden, sind für uns bis dato keine Auswirkungen spürbar“, so J&P-Geschäftsführer Steiner. EHL-Geschäftsführerin Schunker stellt die Wirksamkeit dieser Neuerung generell infrage: „Durch die Leerstandsabgabe wird künftig noch weniger privates Kapital in den Wohnbau fließen, was die Bauaktivität zusätzlich massiv schwächen würde.“ Auch die Einführung des Bestellerprinzips bei Immobilienmaklergebühren sieht die Expertin als wenig erfolgreich. Dies habe dazu geführt, dass einige private Vermieter ihre Wohnungen dem freien Angebotsmarkt entzogen hätten. „Damit verknappt sich das Angebot abseits der geringeren Bauaktivität am Markt noch zusätzlich“, sagt sie. Die Änderung der Maklergebühren sieht Steiner ebenfalls kritisch und warnt vor Leichtsinn: „Seitdem die Mieterprovision entfallen ist, geben Mietinteressenten oft mehrere Angebote gleichzeitig ab, ohne zu berücksichtigen, dass ein Mietangebot verbindliche Vertragsgrundlagen zwischen Mieter und Vermieter schafft – und nicht zwischen Mieter und Makler. Dieses Missverständnis führt dazu, dass viele nicht wissen, dass ein Rücktritt von einem Mietvertrag nicht einseitig möglich ist.“ Zudem führe das Bestellerprinzip auch dazu, dass private Vermieter jetzt sehr oft auf die Beauftragung eines Maklers verzichten, um Kosten zu vermeiden. Dies zwinge sie dazu, selbst zu vermieten, was erhebliche Risiken birgt. Ohne ausreichende Kenntnisse im Mietrecht könnten dabei große finanzielle Schäden für den Vermieter entstehen.