Gold – Zeitenwende?

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Reinhard Walz, Ögussa:„Gold beweist seinen Status als Krisenwährung. Investoren suchen Zuflucht in der Sicherheit von Gold.“

Trotz hoher Zinsen steigt der Goldpreis munter weiter. Unter anderem lässt die Nachfrage aus Asien, aber auch die instabile Weltlage, das begehrteste aller Metalle heller glänzen als je zuvor.
Text: Harald Fercher

Steigen die Zinsen, fällt das Gold. Das galt lange als eine der unverrückbaren Gesetzmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Goldpreises. Doch die Zeiten haben sich geändert – und wie sie sich geändert haben. Trotz rekordhoher Zinsen in Europa und den USA eilt der Goldpreis von einem Allzeithoch zum nächsten. Erst jüngst kletterte er zum wiederholten Mal im heurigen Jahr auf ein neues All-Time-High bei 2.449,99 US-Dollar (Tageshoch am 20. Mai).

Bereits im ersten Quartal dieses Jahres deuteten die Goldbullen an, dass ihr Hunger nach mehr längst nicht gestillt ist. Und das, obwohl der Goldpreis in US-Dollar bereits im Jahr 2023 – unterbrochen von einem kurzen Rücksetzer im Herbst – stolze 13 Prozent (in Euro 9,7 Prozent) zulegen konnte. Angesichts der weiter andauernden Hausse beim Gold, der selbst die hohen Zinsen nichts anhaben können, spricht Ronald Peter Stöferle, Fondsmanager bei der Incrementum AG und Herausgeber des bekannten „In Gold We Trust“-Reports (IGWT), gar von einem Paradigmenwechsel. Die Anleger müssen sich auf neue Regeln einstellen, meint er und zieht Parallelen zwischen der aktuellen Situation mit der Welt des Schachspiels, wo im 15. Jahrhundert während der Renaissance die letzte große Änderung der Schachregeln stattfand. Die Dame, bis dahin eher eine Randfigur mit wenigen Möglichkeiten, wurde von einem Tag auf den anderen zur mächtigsten Figur auf dem Schachbrett mit zahllosen Zugmöglichkeiten.

Der Osten im Goldrausch

Ähnliches passiert derzeit auch am Goldmarkt. Nicht mehr die westlichen Finanz­investoren spielen bei der Entwicklung des Goldpreises die erste Geige, sondern die Nachfrage im Osten, konkret in Asien bzw. Vorderasien (Arabien), gibt den Ton an. Angetrieben wird der neue „Goldrausch“ allerdings nicht nur von den Zentralbanken – allen voran der „People’s Bank of China“ (PBoC) –, die seit geraumer Zeit ihre Goldreserven aufstocken. Die „Gier“ nach dem glänzenden Metall – um es provokant und politisch inkorrekt zu formulieren – hat längst auch die Privatanleger erfasst. „Gemessen an der jährlichen physischen Goldnachfrage stieg der Anteil der Schwellenländer in den vergangenen fünf Jahren auf 70 Prozent“, konstatieren die Autoren im mittlerweile 18. „In Gold We Trust“-Report. Mehr als die Hälfte davon entfiel auf China und Indien, heißt es weiter. Selbst die chinesische Jugend hat Gold in Form von sogenannten „Gold Beans“ für sich entdeckt. Laut Berichten in asiatischen Medien sind diese Goldbohnen in Gläsern der neueste Renner in chinesischen Schmuckgeschäften.

Apropos Schmuck: Laut der jährlichen Statistik des World Gold Council deckte sich die weltweite Schmuckindustrie im Vorjahr wieder mit mehr als zweitausend Tonnen Gold ein, was nahezu der Hälfte der gesamten Nachfrage entspricht. 65 Prozent der Menge flossen nach China, Indien und in den Nahen Osten. So weit ein paar Fakten. 

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Michael König, Xetra-Gold: „Die Wertstabilität von Gold muss bei anhalten der Inflation zu Preissteigerungen führen.“

Russland als Großeinkäufer

Auf die Frage, ob wir in puncto Goldpreisentwicklung gerade eine historische Zäsur erleben und wir tatsächlich alle alten Regeln, vor allem jene vom Einfluss der Zinsen auf den Goldpreis, über Bord werfen müssen, geben sich manche Experten zurückhaltend. Michael König, Geschäftsführer der Deutsche Börse Commodities, zu deren gefragten Produkten unter anderem Xetra-Gold gehört, meint: „Der Goldpreis wird durch viele Faktoren beeinflusst. Das Zinsniveau wird weiterhin dazugehören. Von einer Zäsur würde ich in diesem Zusammenhang auch nicht sprechen. Nach Meinung vieler Marktexperten ist die hohe Nachfrage der Zentralbanken zuletzt ein Faktor gewesen, besonders aus Russland und China. Ein weiterer Faktor ist sicherlich auch die industrielle Nachfrage.“ Was König anspricht – nämlich die russische Zentralbank als Käufer am Goldmarkt –, schlägt sich eindrucksvoll in der Statistik nieder. Russland hat sich seit 2010 sukzessive mit einer hohen Menge Gold eingedeckt und führt mit Zukäufen von insgesamt 1.684 Tonnen Gold (2010–2023) die Rangliste der „goldhungrigen“ Zen­tralbanken noch vor China (1.181 Tonnen) an. Platz drei geht in dieser Statistik übrigens an die Türkei, die sich seit 2010 mit 424 Tonnen Gold eingedeckt hat.

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Gold bleibt für viele der sichere Hafen

Auf die Frage, welche Gründe er im Anstieg des Goldpreises sieht, antwortet Reinhard Walz, Head of Sales & Marketing bei Ögussa: „Gold beweist seine Robustheit in einem komplexen Markt­umfeld und bestätigt einmal mehr seinen Status als Krisenwährung. Angesichts anhaltender globaler Unsicherheiten, geopolitischer Spannungen und Sorgen um die Weltwirtschaft suchen Investoren Zuflucht in der Sicherheit von Gold. Darüber hinaus fördert die kontinuierlich hohe Nachfrage nach Gold in bestimmten Ländern, insbesondere in China oder auch in der Türkei, den Anstieg des Goldpreises. Auch das Bestreben verschiedener Schwellenländer, allen voran der BRICS-Staaten, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren, beflügelt die Nachfrage nach Gold. Diese Erwartungshaltung trägt ebenfalls zur aktuellen Stärke des Goldpreises bei.“ Die aktuelle Nachfrage wird laut Walz weiter von asiatischen Zentralbanken, allen voran China, angetrieben.

Die Autoren des IGWT-Reports meinen, dass Anleger angesichts der Unsicherheit in der Welt ihre Goldposition als strategische Sicherheit auf bis zu 15 Prozent erhöhen können. König hält hingegen an Bewährtem fest: „Wir empfehlen generell fünf bis zehn Prozent Gold als Beimischung zum Depot. Aber im Grunde hängt das von der Risikoneigung der Anlegerinnen und Anleger ab.“ Für Waltz hängt eine solche Entscheidung an vielen individuellen Faktoren: „Letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, wie viel man in Gold investiert.“ Bleibt letztlich die Frage, wie es mit dem Goldpreis weitergeht, vor allem vor dem Hintergrund der Zinswende in Europa. Solche Entscheidungen haben in der Vergangenheit Gold nicht selten attraktiver gemacht. Michael König dazu: „Wir geben keine Prognosen zur Entwicklung des Goldpreises ab, sind aber überzeugt davon, dass er langfristig weiter ­steigen wird, schon allein, weil die Wertstabilität des Goldes bei anhaltender Inflation zu Preisanstiegen führen muss. Dabei kann und wird es aber auch immer wieder Rücksetzer geben.“ Reinhard Waltz: „Wie eingangs erwähnt, gibt es etliche Faktoren, die den Goldpreis beeinflussen. Eine Zinswende könnte natürlich den ein oder ­anderen Anleger wieder vermehrt dazu treiben, in Gold zu investieren.“