„Wir prüfen die Generierung von synthetischen Daten, die einen Mehrwert bringen.“ - Thomas Loszach - Fidelity International

Fonds – Der Game-Changer

Künstliche Intelligenz (KI) wird die Finanzwelt verändern, auch die Fondsindustrie. Wichtige Player geben Einblicke in bestehende Anwendungsgebiete, zeigen Potenzial und Grenzen der KI auf und weisen den Weg, wie Investoren vom Zukunftsthema Nummer eins profitieren können.  Text: Christa Grünberg

Seit ChatGPT, das KI-basierte Konversationstool des US-Unternehmens OpenAI, im November 2022 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, ist künstliche Intelligenz in aller Munde. Die Finanzbranche befasst sich bereits seit Längerem damit und hat erkannt, dass es vielfältige Möglichkeiten gibt, künstliche Intelligenz im Unternehmen zu nutzen, um die Effizienz zu steigern und Kosten zu sparen.

„KI kann Billionen Dollar zusätzliche Marktkapitalisierung für Techinvestoren schaffen.“ – Karl Banyai – Franklin Templeton
„Unser hauseigenes Modell MALINA hilft uns, frühzeitig Wendepunkte zu entdecken.“ – Jessica Bräu – Union Investment Austria

Branche im Wandel

So ist man bei Franklin Templeton der Ansicht, dass vor allem generative KI* das Potenzial einer breit gestützten Transformation für die Fondsbranche heben kann. „Wir glauben, dass KI-Anwendungsfälle letztlich konvergieren werden, um Veränderungen in unserem Geschäftsmodell zu bewirken. Solche Anwendungsfälle könnten die Erstellung erster Entwürfe von Kommentaren und Analysen, die Unterstützung bei Marketingmaterialien, die Gewinnung von Investitions- und Vertriebsinformationen aus neuen Datenformen und die Nutzung von konversationeller KI und intelligenten Bots für Datenabfragen und interne technische Unterstützung umfassen“, meint Karl Banyai, Sales Director Austria. Derzeit wird KI in digitalen Angeboten eingesetzt, wie etwa in der sogenannten Goal Optimization Engine, mit der KI-Techniken zur Personalisierung von Kundenportfolios für verschiedene Ziele, einschließlich der Altersvorsorge, genutzt werden. Außerdem arbeitet man an einer KI-gestützten Portfoliokonstruktion und an generativen KI-Funktionen im Investment-Research, von der schnelleren Informationsbeschaffung bis hin zu tieferen Analysen. Mit Ähnlichem beschäftigt sich auch Fidelity International in seinen „Fidelity Labs“- und „Emerging Technology“-Teams. „Der Bedarf an brauchbaren Daten wird durch verschiedene Kontrollen eingeschränkt, die ihre Verwendung regeln, seien sie kommerzieller, geografischer oder gesetzlicher Natur. Aus diesem Grund prüfen wir die Generierung synthetischer Daten. Diese werden aus einfachen Regeln, statistischer Modellierung, Simulation und anderen Techniken gewonnen und können somit einen Mehrwert für den Anwender bringen, da sie diesem exklusiv zur Verfügung stehen“, ist Thomas Loszach, Head of Austria & CEE, überzeugt. Union Investment nutzt dagegen seit 2019 die hauseigene Lösung MALINA (Machine Learning for Investment Applications), um mit teils traditionellen, teils neuen Informations- und Datenquellen frische Perspektiven für unterschiedliche Entscheidungsprozesse im Tagesgeschäft zu schaffen. „Wir setzen sie vor allem ein, um in komplexen Sachverhalten oder in nicht traditionellen Finanzmarktdaten unbekannte Muster zu finden. Ein Anwendungsbeispiel ist ein Modell, das Wendepunkte frühzeitig erkennen hilft. Für die aktive Vermögensverwaltung bietet sich damit eine große Chance, das Geld der Kunden womöglich besser anzulegen oder unnötige Risiken zu vermeiden“, erklärt Jessica Bräu, Landesdirektorin Union Investment Austria. KEPLER-Fonds hat mit der Fachhochschule Hagenberg eine KI entwickelt, die dem Aktienfondsmanagement als Hinweisgeber zur Seite steht. „Wir gehen hier aber einen unpopulären Weg und fokussieren uns nicht auf zukünftige Gewinner am Aktienmarkt, sondern auf Unternehmen mit potenziellen Problemen. Dementsprechend analysiert die KI bereits mehr als 150 Millionen Datenpunkte auf Muster, die auf sinkende Kurse in der Zukunft hinweisen. Deutet die KI eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen sinkenden Kurs der jeweiligen Aktie an, wird der Titel vom Fondsmanagement noch genauer unter die Lupe genommen und gegebenenfalls nicht gekauft oder gar aus dem Portfolio entfernt“, erläutert David Striegl, Leiter Aktienfondsmanagement. Und DNB Asset Management hat Arbeitsgruppen installiert, die sich mit der Integration von KI in Bereichen wie dem Reporting oder der Überwachung des Anlageentscheidungsprozesses befassen.

„Unsere KI fokussiert sich auf Unternehmen mit potenziellen Problemen.“ – David Striegl – KEPLER-Fonds
„Der Wert von KI scheint für langfristige Anlage-strategien begrenzt zu sein.“ – Johann Buttinger – LBBW AM

Grenzen und Herausforderungen

Zurzeit ist für viele aus der Branche aber eines noch klar: KI kann unterstützen, doch die letztendliche Entscheidung trifft der Mensch. „KI besitzt definitiv das Potenzial, große Mengen von Daten effizienter auszuwerten. Wie diese Analysen jedoch konkret in Anlageentscheidungen übersetzt werden, ist entscheidend. Bisherige Daten zeigen, dass die Performance von KI-gesteuerten Fonds nicht signifikant besser ausfällt als die ihrer traditionellen Gegenstücke. Während einige Hochfrequenzstrategien zweifellos von den fortgeschrittenen Analysemethoden profitieren, scheint der zusätzliche Wert von KI für langfristige Anlagestrategien begrenzt zu sein. Es ist zu erwarten, dass KI zu einem Standardwerkzeug vieler Fondsmanager wird, wodurch die Alphaquellen solcher Technologien eher frü-her als später versiegen werden“, glaubt Johann Buttinger, Leiter Vertrieb Institutionelle Kunden Österreich der LBBW AM. Ebenso geht Mike Judith, Managing Director und Head of International Sales bei DNB AM, nicht davon aus, dass nur durch den Einsatz von KI Portfolios optimiert werden können, um eine höhere Rendite bei gleichzeitig reduziertem Risiko zu erzielen: „Weil die Analyse künftiger Cashflows, zumindest derzeit, biologische Intelligenz erfordert. Es gibt keine Daten über die Zukunft, nur Theorien und Menschen, die diese Theorien von Geschäftsmodellen ausführen. Vergangenheitsbezogene Daten werden durch Algorithmen ausgewertet, von denen niemand weiß, wer sie kontrolliert. Die Nuance jenseits des statistischen Werts, beispielsweise die ethische Bewertung, wird dem Menschen obliegen.“ Zwar verwendet Jupiter Asset Management bei mehreren Fonds ausgeklügelte Analyse- und Machine-Learning-Modelle, um Anlage-Ideen zu generieren, ist sich aber zugleich der zumindest anfänglichen Herausforderungen bewusst: „Die Kosten werden steigen, da die Implementierung und Wartung teuer sein kann. Darüber hinaus könnten die Modelle mehr Daten und ein größeres Training erfordern, um die Genauigkeit der Ergebnisse eines auf KI-Technologie basierenden Anlageentscheidungssystems zu gewährleisten. Der Übergang zu datenintensiveren Anwendungen erfordert eine Weiterbildung in der gesamten Branche, ein Bereich, in den Jupiter investiert hat und weiterhin investiert“, fügt Daniel Blum, Wholesale-Chef Deutschland und Vertriebsdirektor Österreich, an.

„Die Analyse künftiger Cashflows erfordert biologische Intelligenz.“ – Mike Judith – DNB AM
„Die Implementierung und Wartung von KI-Systemen kann teuer werden.“ – Daniel Blum – Jupiter Asset Management

Investmentthema der Zukunft

Für Investoren ist das Thema KI gekommen, um zu bleiben. Die Investmentmöglichkeiten erweisen sich dabei als nahezu unerschöpflich, ausgehend von der Technologiebranche. „Wir glauben, dass die jüngsten Fortschritte in der generativen KI das Potenzial haben, den nächsten großen Plattformwechsel in der Technologie voranzutreiben, ähnlich wie Internet, Mobile und Cloud-Computing. Dies hat letztlich Billionen von Dollar an zusätzlicher Marktkapitalisierung für Technologieinvestoren geschaffen, und wir glauben, dass dies ebenso bei der KI der Fall sein könnte. Bewahrheitet sich das, wird es viele Gewinner in verschiedenen Technologiebranchen geben. Dazu gehören Halbleiter und Netzwerke für Rechenzentren, Chipherstellung und -ausrüstung, Software für die Automatisierung von Elektronikdesigns, Anbieter von Cloud-Diensten, Datenanalyseplattformen, Tools für Softwareentwickler sowie Unternehmen für datenintensive Anwendungssoftware und Internetdienste“, zeigt Banyai auf und verweist auf den Franklin Technology Fund, der sowohl Big Player als auch Mid und Small Caps im Visier hat. Gute Ansätze für reine Techinvestoren sind weiters der DNB Fund Technology mit Fokus auf den Bereichen Technologie, Medien und Kommunikation und der FF Global Technology Fund, der in unterschätzte Nutznießer von KI investiert. Darüber hinaus kommt laut Loszach noch der FF Global Sustainable Demographics in Betracht, der sich im weitesten Sinne Themen widmet, die von der demografischen Entwicklung der Gesellschaft profitieren, wobei KI eine wichtige Rolle spielt. Bei Union Investment findet sich die höchste Gewichtung in Techunternehmen mit KI-Bezug in den Fonds UniSector – HighTech, gefolgt vom UniDynamicFonds: Global und UniIndustrie 4.0. Der BNP Paribas Disruptive Technology Fund wiederum konzentriert sich auf digitale Transformation und ist stark auf führende KI-Unternehmen ausgerichtet. Im Laufe der Zeit sollten dann alle Sektoren von Produktivitätssteigerungen profitieren, die sich aus der Einführung generativer KI-Funktionen in den von den Mitarbeitern täglich genutzten Tools ergeben, was zu höherer Rentabilität und schnellerer Innovation führen kann. Daher sind für langfristig engagierte und KI-affine Investoren auch Fonds interessant, die sich mit der Analyse der Zukunft beschäftigen, wie zum Beispiel der LBBW Internet der Zukunft, der LBBW Mobilität der Zukunft und der LBBW Welt im Wandel. Laut KEPLER-Fonds kann ein Investor an dieser sektorübergreifenden Chance auch in einem breit diversifizierten Portfolio wie dem kürzlich aufgelegten KEPLER Trend Select Aktienfonds teilhaben. Er berücksichtigt neben gängigen Kennzahlen zudem die Trendstärke von Aktien und deckt damit indirekt Megatrends wie KI ab.

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Zweig der künstlichen Intelligenz, der sich auf die Erstellung neuer Inhalte oder Daten aus vorhandenen Daten konzentriert. Generative KI kann zum Beispiel Bilder, Texte, Musik oder Sprache auf der Grundlage bestimmter Eingaben oder Kriterien erzeugen.