Familienunternehmen – Schokolade hat immer Saison

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Goldener Dezember: Krampus, Nikolaus, Weihnachten und dann auch noch Silvester – für Andreas Heindl entscheidet das Jahresende, ob die Bilanz ähnliche Freude bereitet wie seine delikaten Süßigkeiten.

Seit 1953 erzeugt die Familie Heindl in der gleichnamigen Confiserie feinstes Konfekt und edle Schokoladepralinen. Für die Übergabe an die nächste Generation haben die beiden Brüder Walter und Andreas Heindl auch schon gesorgt.
Text: Anna Offner

Es herrscht reges Treiben in der Willendorfer Gasse 2–8 im 23. Wiener Gemeindebezirk: Nikoläuse und Krampusse werden aus feinster Milchschokolade gegossen, daneben schießen täglich 80.000 Schokoladekugeln für Adventskalender aus der Maschine, Pralinen und Geleeringe für den Christbaumbehang laufen über die Förderbänder und Geschenkekörbe werden von emsigen Damen liebevoll verpackt. Kurzum, in der Wiener Confiserie Heindl ist Hauptsaison. Eigentlich sind es sogar drei Saisonen, wie der Unternehmenschef und Konditormeister Andreas Heindl uns beim Besuch der Produktionsstätte erklärt: „Krampus, Nikolaus, Weihnachten und Silvester – in der Weihnachtssaison machen wir 25 Prozent unseres Umsatzes.“

Wachstumsphase

Das Unternehmen wurde 1953 vom Wiener Konditormeister Walter Heindl sen. gegründet. Der Senior hat damals noch im fünften Bezirk gemeinsam mit seiner Frau Maria handgemachte Schokoladekreationen erzeugt. Von Hofer, Billa und Spar war damals freilich noch keine Rede, Walter und Maria Heindl belieferten vielmehr die örtlichen Greißler. Durch geschicktes Marketing und die außergewöhnliche Begabung für die Kreation kleiner Delikatessen von großem Geschmack wurde aus dem unscheinbaren Geschäft in der Reschgasse eine blühende Confiserie. Die Schokoladespezialitäten fanden in der kargen Nachkriegszeit reißenden Absatz und so übersiedelte die Confiserie 1967 in den 23. Bezirk. 1987 haben die beiden Söhne den elterlichen Betrieb übernommen und in eine sehr rosige Zukunft geführt. In Walters und Andreas’ Adern fließt jedenfalls Schokolade – Andreas ist gelernter Bonbon- und Konfektmacher sowie Zuckerbäckermeister, Bruder Walter gelernter Bonbon- und Konfektmacher und Schokoladrist.

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Handarbeit: Die süßen Köstlichkeiten werden von geübter Hand in Konfektschachteln eingelegt – blitzschnell, aber viel liebevoller, als es eine Maschine könnte.
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Ausbau

Die Nachfrage nach dem köstlichen Heindl-Konfekt kannte auch unter der Führung der beiden Chefs nur eine Richtung: bergauf. So entschieden sie sich 2012 für einen umfassenden Ausbau der Betriebsliegenschaft. Dazu wurden sukzessive alle Grundstücke rund um die bestehende Produktion gekauft und die Liegenschaft um rund zehn Millionen Euro auf 12.000 Quadratmeter erweitert. Dem Nachhaltigkeitsgedanken entsprechend, wurde damals die mit 127,5 Kilowatt größte private Fotovoltaikanlage Wiens auf die Dachflächen der neuen Hallen montiert. Bis heute reduziert sie den CO2-Ausstoß in der Erzeugung um rund zehn Prozent. In der Produktion selbst verwenden die Heindls zudem fast ausschließlich regionale Erzeugnisse – vom Mehl von Fini’s Feinstes über die Darbo-Marmelade bis hin zur Verpackung von Mayr-Melnhof Karton. Nur der Kakao kann nicht aus Österreich bezogen werden, dafür ist er aber Fairtrade.

Die Schokospritze

Heute werden in der Schokoladenmanufaktur 180 verschiedene Produkte aus Schokolade und Waffelteig produziert. Verkauft werden insgesamt mehr als 270 – nur einzelne Produkte, wie etwa gebrannte Mandeln oder süße Liköre, werden von Heindl zugekauft und in der Confiserie fertiggestellt.

Besonders stolz ist Andreas Heindl auf die Triple-Shot-Anlage aus der Schweiz, die in einem Produktionsgang drei verschiedene Zutaten in Kugeln spritzt. 25 Tonnen flüssige Schokolade werden auf ihr jährlich zu 17 verschiedensten Schokokugeln verarbeitet. Eine solche habe nicht einmal die weltbekannte Schweizer Chocolatier-Marke. Schokolade, Nougat und Marzipan für die klassischen Mozartkugeln, aber auch Himbeer-, Eierlikör-, Melange-, Champagner- oder Kokoskugeln laufen im Eilzugstempo vom Band – 200 Kugeln sind es in der Minute, 80.000 am Tag. Die Mozartkugel ist übrigens kein geschütztes Produkt und deshalb gibt es die Variante aus Schokolade, Marzipan und Nougat eben auch von Heindl.

Den Waffelteig in der Halle nebenan benötigt man für die Erzeugung der bekannten Pischinger Waffeln. 160 Meter lang ist die Maschine für die traditionsreichen Köstlichkeiten. Der ehemalige k. u. k. Hoflieferant, der 1849 von Leopold Pischinger gegründet wurde, ist seit 2006 Teil der Confiserie Heindl. Heute werden 50 bis 60 Tonnen Waffelteig jährlich zu Oblaten, Mandeltorten und diversen Schokoecken verarbeitet.

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„In der Weihnachtssaison machen wir 25 Prozent unseres Umsatzes.“ – Andreas Heindl – Unternehmenschef und Konditormeister

Frauendomäne

Bei Heindls haben die Frauen das Sagen. Nicht nur, dass die dritte Generation Heindl ausschließlich aus jungen Damen besteht, mit dem Waffelspezialisten hat Heindl zusätzliche 30 Mitarbeiterinnen von Pischinger übernommen, sodass heute insgesamt 270 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt werden – 170 davon in der Produktion, der Rest in den 30 Filialen. Rund 90 Prozent aller Mitarbeiter sind weiblich. Milli ist eine von ihnen. Sie ist seit 35 Jahren bei den Heindls. Mit 22 Jahren hat sie noch in der alten Produktion zu arbeiten begonnen. Heute ist sie mit den Weihnachtsmännern für die Eigenmarken zweier Lebensmittelkonzerne beschäftigt. 60.000 davon werden für das Weihnachtsgeschäft produziert – 30.000 davon für die eigene Filiale.

Familie im Fokus

Die Mitarbeiter gehören hier quasi zur Familie. Andreas Heindl weiß nicht nur den Namen jedes Beschäftigten, sondern auch die Vornamen der Kinder und deren Werdegänge. Beim Einsortieren und Einpacken sitzt die Belegschaft aufgefädelt an den Fließbändern und sortiert die kleinen Christbaumnüsse in ihre Schachteln oder klebt Kleeblätter und Glücksschweine für Neujahr auf die golden eingewickelten Pralinen. Dass Heindl ein Familienbetrieb ist, zeigt sich auch in den Büroräumen: Da sitzt Andreas Heindls Ehefrau Susanna in ihrer Kreativabteilung und arbeitet an neuen Verpackungsvarianten für Geschenkskörbe. Manche beinhalten Kaffeehäferl, andere wiederum eine Piccoloflasche Schlumberger-Sekt oder ein Sparschwein. Den Wünschen der Kunden sind jedenfalls keine Grenzen gesetzt.

Saures statt Süßem

Die Produktion ist erstaunlich arbeitsintensiv – zwar gibt es zahlreiche Maschinen, bei jeder steht aber auch mindestens ein Mitarbeiter. Damit die Maschinen ordentlich gewartet werden und es zu keinen langen Ausfällen kommt, laufen zudem vier Techniker durch die Hallen. So ist es nicht verwunderlich, dass die hohen Lohnabschlüsse aus dem Vorjahr mit zusätzlichen 1,8 Millionen Euro zu Buche schlagen. Dennoch hat Heindl Probleme, Mitarbeiter zu finden – sechs Stellen in Produktion und Verkauf seien momentan nachzubesetzen.

Hinzu kommen die hohen Energiekosten durch den Gasverbrauch für die Backmaschinen der Waffeln. Dort sind die monatlichen Kosten in der Energiekrise von 18.000 auf 104.000 Euro gestiegen, haben sich momentan aber wieder etwas beruhigt. „Eine Kaufzurückhaltung spüren wir Gott sei Dank nicht“, zeigt sich Heindl erleichtert, doch die Rohstoffpreise bereiten ihm sehr wohl schlaflose Nächte. So sind die Preise für Kakaobutter innerhalb eines Jahres um 400 Prozent gestiegen und jene für Flüssigschokolade um mehr als 300 Prozent. Der Mehraufwand im Einkauf geht mittlerweile in die Millionen. Diese Kosten muss Heindl dann aber doch zum Teil an die Kunden weitergeben. 

Eine weitere Herausforderung für die Zukunft werden die zunehmend heißen Sommer. „Wenn es in der Innenstadt 35 Grad Celsius hat, kaufen die Touristen keine Schokolade mehr“, sagt Heindl. In der Filiale in der Kärntner Straße gehen jährlich Millionen Touristen ein und aus und kaufen Wiener Spezialitäten, Mozartkugeln oder „Sissi Taler“. Zwölf Stunden täglich, 365 Tage im Jahr ist diese Filiale deshalb auch geöffnet.

Der neue Chef

Heute ist Andreas Heindl als Miteigentümer der Geschäftsführer im Unternehmen, Bruder Walter ging schon 2020 in Pension. Ihm folgte Michael Dunkl als Prokurist nach. Andreas Heindl freut sich mit seinen 62 Jahren auch schon auf ruhigere Zeiten – meist steht er täglich von sieben bis 17 Uhr in der Firma. Für die Zukunft der Schokoladenmanufaktur haben die Eigentümer bereits gesorgt. Prokurist Michael Dunkl steht schon in den Startlöchern für die Nachfolge bei Heindl. „Michael ist großartig und ich könnte mir keinen besseren Nachfolger wünschen“, schwärmt Andreas Heindl über die Besonnenheit und den Fleiß der nächsten Generation. Wenn Dunkl das Ruder zur Gänze übernommen hat, möchte Andreas Heindl nur noch beratend zur Seite stehen. Im Zeitalter der Massenproduktion ist er stolz darauf, eine Bastion handwerklicher Exzellenz zu sein. Damit seine Confiserie weiter ein Ort bleibt, an dem süße Ideen gedeihen, möchte er auch in seiner Pension beratend zur Seite stehen – für die Konzeption neuer Köstlichkeiten.

Praline lernen

Seit 2001 gibt es am Standort auch ein Schokolademuseum. Neben exklusiven Einblicken in die Produktion und alles rund um das Thema Schokolade bietet das Museum auch Pralinenworkshops für Kindergeburtstage, Firmenevents, Polterabende oder Weihnachtsfeiern. 70.000 Schokoholics nehmen dieses Angebot jährlich an. Der Bestseller bei Heindl sind übrigens die „Schoko Maroni“ – erfunden von Bruder Walter Heindl. Obwohl es eine saisonale Spezialität ist, steht sie bei den Österreichern in der kalten Jahreszeit hoch im Kurs. Die Qualitätskontrolle durch Verkosten hat jedenfalls geklappt. „Die ‚Schoko Maroni‘ gibt es für all jene, die es nicht bis nach Hause aushalten, auch einzeln verpackt“, schmunzelt Heindl.  

Facts & Figures

• 180 eigene Produkte

• 270 Mitarbeiter

• 30 Filialen

• 30 Millionen Euro Umsatz

• 50 bis 60 Tonnen Waffelteig p. a.

• 600 Tonnen Schokolade p. a.