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„Wir drehen jeden Stein um“

Aus den Augen der Fans war Malaguti natürlich nie wirklich entwischt, aber aus kaufmännischer Sicht gab es eine Dürre: Im Herbst 2011 fertigten die Brüder Malaguti die letzten Roller in ihrer eigenen Fabrik, dann war Schluss. Kein leichter Schritt nach 81 Jahren Firmengeschichte, die Malaguti durchaus als italienisches Denkmal geformt hatten. Seit 2018 gibt es die Marke wieder, aber statt im italienischen Castel San Pietro Terme nahe Bologna befindet sich die Zentrale in Gedersdorf. Wollte man den neuen Standort international verständlich darlegen, dann würde man eher Gedersdorf bei Krems bei Wien sagen, und die geografisch versierten Zuhörer würden ungefähr denken, aha, dort hätten wir eine italie­nische Marke gar nicht vermutet.

Am Anfang war das Golfcart

Malaguti gehört heute zur KSR Group, die von den Brüdern Michael und Christian Kirschenhofer, wenn man das jetzt ganz knapp und salopp formulieren wollte, aus Golfwagerln geformt wurde. Der Start liegt auch schon mehr als 20 Jahre zurück, heute darf man die KSR Group durchaus als Imperium titulieren. Sie ist in Europa, Asien, den USA aktiv – und höchst erfolgreich obendrein. Auch wenn sich vieles um Motorräder dreht, ist das Angebot deutlich über das kräftigste Standbein hinausgewachsen. Es gibt zudem die Consumer Goods, also Geräte für Haushalt, Wellness, Garten und Mobilität abseits der Motorräder, und unglaublich viele Nischen dazwischen werden ebenso virtuos bespielt. Die Motorräder selbst haben sich ja auch schon fein verästelt bis zu elektrischen Antrieben, bis zu Fahrrädern, Elektrorollern und ATVs, den geländetaug­lichen Quads, und mit vier Marken ist die KSR Group auch als Hersteller aktiv. Et­liche andere werden importiert und über ein weitläufiges Händlernetz international vertrieben.

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Kultanteil: Seit 2017 gehört auch Lambretta zur KSR-Gruppe. Zumindest teilweise.

In jedem Bereich gibt es USP, die KSR Group will sich ja vom Mitbewerb nach einem simplen Prinzip abheben, wie Michael Kirschenhofer erklärt: „Wir wollen Trends lieber gleich mitgestalten.“

Die Sache mit Malaguti gelang 2018 übrigens recht leicht. Michael Kirschenhofer: „Mein Bruder und ich kannten die Brüder Malaguti schon sehr lange – und wir wussten, dass sie ihre Marke durchaus verkaufen würden, aber keinesfalls verramschen. Sie wollten einen seriösen Neustart, wir sind uns bald einig geworden.“ 

Die ersten Modelle kamen 2019, die kurze Entwicklungszeit ließ sich durch Kooperation mit anderen Herstellern realisieren, die ersten eigenständig entwickelten Modelle kommen Mitte nächsten Jahres: Die Malaguti Drakon 125 steht als Naked Bike mit stilistischen Supermoto-Anleihen schon am Horizont. Auch mit Elektroantrieben ist das Entwicklungsteam derzeit befasst, sie sollen bis zu Fahrrädern reichen: „Wir werden bald Rennräder und Mountainbikes von Malaguti fertigen, alle mit Motoren von Bosch.“

Begonnen haben Michael und Christian Kirschenhofer, Jahrgang 1974 und 1972 und damals noch Studenten, Ende der  90er-Jahre im elterlichen Einzelhandel. Im Portfolio waren auch Golfcarts, „und mein Bruder und ich haben versucht, die straßentauglich zu machen“. Es wollte nicht ganz gelingen, aber in Frankreich gab es ohnedies etliche Hersteller von Autos, die ohne Führerschein gelenkt werden durften. Zwei Marken holten die Kirschenhofer-Brüder damals nach Österreich, rasch reifte eine Vertriebsstruktur, dann wollte auch das Hobby mitmischen. Michael Kirschenhofer: „Ich war immer Motorrad­fahrer, also haben Christian und ich überlegt, unsere Möglichkeiten auch für Motorräder zu nutzen. Bei einer Messe sind wir auf Sym gestoßen.“ 

Dass Michael Kirschenhofer auf Krücken bei Sym vorsprach, weil er kurz davor einen schweren Motorradunfall erlitten hatte, dürfte die Ernsthaftigkeit der Anfrage durchaus unterstrichen haben, bald fungierten die Brüder als Importeure, aber „nach einiger Zeit waren wir damit unausgelastet. Also beschlossen wir, eine eigene Marke zu gründen und Bikes zu entwickeln.“ 

Die zwei Talente

Die beruflichen Interessen der Brüder verzahnen sich hervorragend zu einer rundum aktiven Firma: Zusätzlich zur geteilten Verantwortung als Geschäftsführer ist Christian Kirschenhofer für den Vertrieb zuständig, Bruder Michael für Einkauf und Produktentwicklung, alles ohne strikte Arbeitsteilung. Die Firmenzentrale in Gedersdorf wurde bald um Niederlassungen in mehreren Ländern Europas ergänzt, um näher bei den Händlern des eigenen Netzwerks zu sein, und etliche Büros in Asien kamen dazu, um direkter mit den Produzenten kooperieren zu können.

Mittlerweile werden Bikes von Royal Enfield, Benelli, CF Moto, Sur-Ron und Niu importiert und nicht nur in Österreich vertrieben. Mit Brixton, Malaguti und KSR Moto fungiert die KSR Group auch als Hersteller, 2017 kamen zehn Prozent Beteiligung an Lambretta dazu, wie Malaguti ein Denkmal italienischer Lebensart: Seit drei Jahren erfreut die Lambretta V-Special die Fans. 

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Land der Hämmer, zukunftsreich:Motorräder der Marke Brixton stellen die Kirschenhofers selbst her.

Bei den elektrobetriebenen Zweirädern mischt die KSR Group seit 2012 mit, also seit Anfang an, mittlerweile fahren ihre Entwicklungen bei namhaften Flottenbetreibern in Europa und den beiden größten Sharing-Anbietern der USA.

Natürlich steckt da diffizile Marktforschung, eine sensible Hand für Trends und kompetente Entwicklung dahinter. „Wir drehen jeden Stein um und schauen, was drunterliegt“, sagt Michael Kirschenhofer, das gilt natürlich auch für die Consumer Goods. Ist ein Trend dingfest gemacht, dann wird er etabliert, was unter anderem mit wohlklingenden Namen gelingt: „Wir beschäftigen uns derzeit intensiv mit Markenentwicklung, der Name und das Produkt sollen eine Einheit sein und eine Markenwelt schaffen.“ Mit allen Entwicklungssträngen, Technik inklusive, sind mehrere Arbeitsgruppen beschäftigt, momentan geht alles sehr schnell. Michael Kirschenhofer: „Wir polstern derzeit un­sere Büros aus, in Gedersdorf, aber auch in Europa, denn das weitere Wachstum wird vor allem über die Niederlassungen kommen. Wir suchen händeringend nach guten Leuten, vor allem für die Produktentwicklung hier in der Zentrale.“  

Und dann ein Auto

Die weiteren Pläne? „Wir werden auch vierrädrige Elektrofahrzeuge bis hin zum Pkw entwickeln, die bestehenden Produktlinien erweitern und bei Motorrädern den klassischen Verbrenner weiter pflegen: Brixton wird bald eine 1000er anbieten, und einen Motor ein wenig darunter. Das Schöne an der Mobilität ist ja, dass sie vielfältig ist wie nie zuvor.“ Auch bei den Consumer Goods ist viel zu erwarten, zum Weihnachtsgeschäft wird beispielsweise Commodore wieder präsent sein. Wer heute um die 50 ist, denkt jetzt an die Computer seiner Jugend, diesmal aber wird der Name auf Staubsauger-Robotern zu lesen sein, und sie werden mit Alexa kommunizieren.  

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Michael Kirschenhofer, CEO
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Christian Kirschenhofer, CEO

Das klingt nach einem 24-Stunden-Arbeitstag, bei zwei Brüdern sogar nach 48-Stunden-Tag, oder? „Ab und zu gehe ich schon Radl fahren, aber unser Beruf macht Spaß.“ 

Schließlich wollen die Motorräder aus dem eigenen Angebot auch getestet sein. Michael Kirschenhofer fuhr über den Sommer eine 500er-Brixton, bei Christian steht derzeit eine Royal Enfield 500 vor der Tür.

Es gibt seit Kurzem übrigens wieder einen Österreich-Importeur für den Italjet Dragster. Wir ahnen, wer das ist.  ←

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