Aktien – Viel Lärm um nichts?

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Wer mit Cannabis-Aktien spekuliert, pokert hoch. Zwar tönt aus einigen Bereichen laute Zukunftsmusik, Risiken gibt es aber natürlich auch, und zwar nicht zu knapp. Ein Blick auf die Lage bei Cannabis-ETFs spricht jedenfalls Bände.
Text: Christa Grünberg

Die Aktienindizes der wichtigsten Märkte kannten im laufenden Jahr größtenteils nur eine Richtung – aufwärts. Aktien von Unternehmen, die Cannabis bzw. Marihuana – vor allem zu medizinischen Zwecken – herstellen, vertreiben oder verarbeiten, machten da keine Ausnahme, allerdings waren die Kursschwankungen häufiger und größer als am Gesamtmarkt. So stieg der North American Marijuana Index seit Jahresbeginn um rund zehn Prozent, mit zwei zwischenzeitlichen kurzfristigen Kurssprüngen von rund 33 und 25 Prozent, die dann aber auch schnell wieder verpufften. Beäugt man allerdings die langfristige Entwicklung des Index, dümpelt der Kurs aktuell rund um die Tiefstwerte dahin.

Kursfantasie durch Legalisierung

Die großen Cannabis-Player wie etwa Canopy Growth, Cronos Group oder Aurora Cannabis sind in Kanada zu finden, in einem Land, das seinen Markt bereits 2018 mit dem Gesetz zur Legalisierung geöffnet hat. Prompt schnellte der Kurs des North American Marijuana Index damals um mehr als 100 Prozent in die Höhe und erreichte im Oktober 2018 sein bisheriges Höchst. Damit begann der erste Cannabis-Aktien-Hype.

Auch in den letzten Monaten flackerte das Interesse wieder auf, zunächst im Vorfeld der Teillegalisierung von Cannabis in Deutschland, größter Cannabis-Markt in Europa. Ende April wurde dann bekannt, dass die US-Regierung Marihuana als weniger gefährliche Droge einstufen will. Während der Konsum von Marihuana in den USA bereits in 40 Bundesstaaten auf die eine oder andere Weise legal ist, wird das Rauschmittel auf Bundesebene als sogenannte Tabelle-1-Droge eingestuft, zusammen mit Heroin, Ecstasy und LSD, also Substanzen, die keinen anerkannten medizinischen Nutzen haben und ein hohes Missbrauchspotenzial aufweisen. Künftig soll Marihuana als Tabelle-3-Droge gelistet werden, zusammen mit Ketamin und codeinhaltigen Schmerzmitteln. Zwar käme dies nicht einer Legalisierung von Marihuana gleich, wird aber als Meilenstein betrachtet. Forschung und medizinische Anwendung würden erleichtert und Investitionen einfacher, weil viele Banken der Branche bisher mit Verweis auf das Bundesrecht ihre Dienste verweigern. Entsprechend legten die Aktien von US-Cannabisfirmen wie Tilray Brands, Trulieve Cannabis und Green Thumb Industries um teilweise bis zu knapp 40 Prozent zu.

Als klar wurde, dass der Prozess langwierig ist und weitere Hürden umschifft werden müssen, verflog die Euphorie schnell wieder. Ein Phänomen, das für Cannabis-Aktien bis dato normal ist: „Wir beobachten starke Übertreibungen, aber auch Untertreibungen am Markt, da ist oft viel Fantasie dabei“, resümierte Christian Sandherr vom Analysehaus NuWays gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

Keine Cannabis-ETFs in Europa 

Wer nicht das hohe Risiko eingehen will, in Einzelaktien zu investieren, sondern sein Kapital lieber in Cannabis-ETFs steckt, wird derzeit schwer enttäuscht. Noch bis zum Vorjahr gab es zwei ETFs mit Cannabis-Schwerpunkt, beide wurden geschlossen bzw. in ein anderes Produkt überführt. „Die USA waren in der Hochphase der Treiber für Unternehmen aus dem medizinischen Cannabis-Sektor. Die Hoffnung, dass der damals frisch gewählte US-Präsident Joe Biden Cannabis komplett legalisieren würde, ließ die Kurse entsprechender Unternehmen nach oben schnellen“, sagt dazu Andre Voinea, Leiter der DACH-Region bei HANetf, dem Anbieter, von dem einer der beiden einst in Deutschland und Österreich zum Vertrieb zugelassenen Cannabis-ETFs stammte. „Da eine landesweite Legalisierung in den USA nicht umgesetzt wurde und auch damit vorerst nicht zu rechnen ist, haben sich die Investoren wieder zurückgezogen.“ Der Cannabis-Markt und seine Unternehmen sind noch jung und die Wachstumsprognosen sowohl für Europa als auch für den nordamerikanischen Markt vielversprechend, basieren aber auf weiter voranschreitenden Legalisierungen der Droge. Damit sind jedoch viele Unsicherheiten verbunden, was mittel- und langfristige Einschätzungen schwierig macht – für Unternehmen und Investoren.