Alle reden über Impact Investing. Charly Kleissner macht es einfach. Der Tiroler, der im Silicon Valley ein Vermögen gemacht hat, und seine Frau sind Impact-Investoren der ersten Stunde – und haben ihr Geld sogar schon ganz bewusst in Verlustgeschäfte gesteckt.
Text: Alexandra Rotter
Charly Kleissner investiert mit Kopf, Herz und vor allem: mit Seele. Der gebürtige Tiroler, der im Silicon Valley sein Vermögen gemacht hat, hat sich seine tiefsten inneren Werte bewusst erarbeitet und sie zur Grundlage für alle Investment-Entscheidungen gemacht: „Ich habe mir die Frage gestellt, was ich wirklich, wirklich will.“ Da geht es nicht um mein Haus, mein Auto, meine Titel, meinen Besitz, sondern eben darum, was die Seele wünscht. Und was ist das? Auf Kleissners Website steht ganz oben groß: „Mein Ziel ist es, das menschliche Bewusstsein zu entwickeln, um im Einklang mit dem Universum zu sein. Ich tue dies, indem ich ein spirituelles, regeneratives und freudvolles Leben führe – im Dienst an und in Gemeinschaft mit anderen.“
Für seine Investments heißt das nicht nur, dass es No-Gos wie etwa Gold, Öl, Gas oder Waffen gibt, sondern dass sie auch einen Impact, also eine Wirkung haben müssen, die mit seinen Werten im Einklang steht. Das meiste, worin der Großteil der Investorinnen und Investoren so investiert, kommt für ihn nicht infrage. Dazu gehört etwa das Investieren an der Börse, denn hier steht die Rendite an erster Stelle – und die ist ihm auch wichtig, aber nicht um jeden sozialen und ökologischen Preis.
Erste Impact-Investoren
Charly Kleissner und seine Frau Lisa, die er während eines Auslandsschuljahres auf Hawaii kennenlernte, sind Impact-Investoren der ersten Stunde. Sie haben schon vor mehr als 20 Jahren impactvoll investiert. Kleissner machte in den 1990ern im Silicon Valley Karriere und arbeitete dort unter anderem vier Jahre für Steve Jobs’ Unternehmen NeXT, wo er den Vorreiter des Betriebssystems iOS mitentwickelt hat. Anschließend ging er zum Start-up Ariba, das heute zu SAP gehört. Kleissner wurde CTO und begleitete den Börsengang 1999. Zwei Jahre später verließ er Ariba und verkaufte seine Firmenanteile.
Dadurch wurden er und seine Frau reich – und das hatte Konsequenzen: „Meine Frau und ich waren uns einig, dass Reichtum mit Verantwortung einhergeht.“ Wie diese konkret aussieht, mussten sie erarbeiten: „Es hat Jahre gedauert, das herauszufinden, denn damals war Impact Investing ganz neu – es gab noch keinen Namen dafür.“ Zunächst förderten sie vor allem philanthropische Projekte, doch da zeigte sich: Das Geld kam nicht wirklich bei den bedürftigen Menschen wie den Fischern in den vom Tsunami verwüsteten Dörfern in Sri Lanka an, sondern versickerte in dubiosen Strukturen und Korruption. So kamen sie auf Impact Investing, wo Geld nicht nur gespendet, sondern investiert wird – und so einen viel größeren Hebel erzeugt.
Resozialisierungsprojekt
Und was ist Impact Investing? Im deutschsprachigen Raum herrscht oft Verwirrung über die Definition – schließlich tragen unzählige Finanzangebote Impact im Titel. Doch im angelsächsischen Raum gibt es einen breiten Konsens (siehe Kasten). Ein typisches Beispiel sind Social Impact Bonds (SIB). Dabei geht der Staat einen Vertrag mit einem Intermediär ein, der sich Geld von Impact-Investoren holt, um soziale Dienstleistungen durchzuführen. Wird ein soziales Ziel erreicht, zahlt der Staat den Investoren ihr Kapital plus einer Rendite zurück – wenn nicht, verlieren sie ihr Geld. Charly Kleissner und seine Frau haben vor zwölf Jahren in den weltweit ersten SIB investiert – ein Resozialisierungsprogramm für entlassene Häftlinge in Großbritannien mit dem Ziel, die Rückfallquote zu verringern und mehr Häftlinge in die Gesellschaft einzugliedern. Das Investment war erfolgreich. Für den Staat ist das ein gutes Geschäft: Er geht kein Risiko ein und muss bei Erfolg weniger Sozialleistungen und soziale Einrichtungen finanzieren.
Charly Kleissner hofft und arbeitet daran mit, dass die Idee der SIB skalierbar wird, sodass auch Aktien entwickelt werden, die mit dem Impact steigen oder fallen: „Würden alle Investments so funktionieren, dass die finanzielle Rendite je nach verifiziertem positivem Netto-Impact steigt oder sinkt, hätten wir das System verändert.“ Kleissner sieht sich als Brückenbauer in ein neues System. Dafür engagieren er und seine Frau sich nicht nur mit ihren Investments, sondern auch, indem sie Organisationen und Projekte mitinitiieren, etwa die Impact Hubs in Wien und Tirol und das weltweite Impact-Investoren-Netzwerk Toniic mit mittlerweile mehr als 600 Mitgliedern – übrigens nur sechs davon in Österreich, was Kleissner nicht versteht, weil es hier viele reiche Menschen und Familien gibt. In Deutschland und der Schweiz gibt es schon viel mehr Toniicer. In Tirol arbeitet er zudem am Aufbau einer Impact-Ökonomie mit.
Bewusst Geld verlieren
Nicht alles, in das die Kleissners investiert haben, brachte Gewinn – manche Investments waren sogar bewusste Verlustgeschäfte. So haben sie schon vor vielen Jahren in Solarenergie investiert, als klar war, dass sie damit nichts verdienen: „Wir haben das getan, um mehr Investoren für das Thema anzuziehen.“ Es gibt auch Investments, in die sie heute nicht mehr investieren würden, weil sie „zu seicht“ sind, etwa in börsennotierte Firmen. Investieren in Tesla ginge also nicht.
Wobei sich hier die Geister scheiden: Manche Impact-Investoren halten bewusst Aktien börsennotierter Firmen, um sich in der Hauptversammlung aktiv für eine Veränderung einzusetzen. Charly Kleissner unterscheidet übrigens drei Impact-Stufen: ESG, Impact und Deep Impact, wobei er sich zu Letzterem bekennt. Und auch wenn das die umfassendste Art von Impact Investing – das mit der Seele – ist, sind Impact-Investments nie nur gut. So gibt es beispielsweise bei Windkraftwerken Kollateralschäden durch getötete Vögel. Kleissner: „Jedes Investment, ganz gleich, ob es super impactvoll ist oder nicht, hat auch einen negativen Impact. Wir wollen, soweit wir können, den negativen Impact über die Zeit minimieren und den positiven maximieren.“
Info
Was ist Impact Investing?
Vier Punkte müssen beim Impact Investing zutreffen – wie vom Global Impact Investing Network (GIIN) vorgeschlagen:
1. Die Intention, mit dem Investment eine positive soziale oder ökologische Wirkung zu erzeugen, ist essenziell.
2. Es geht Impact-Investoren und -Investorinnen darüber hinaus auch um einen finanziellen Return.
3. Impact Investing ist keine Anlageklasse, sondern ein Investment-Approach, der sich über sämtliche Assets erstreckt.
4. Es gibt ein Bekenntnis dazu, die sozialen und ökologischen Auswirkungen der Investments zu messen.