Nachfolge – Wer macht weiter?

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Boris Pelikan will mit dem Fonds Raiffeisen Continuum Nachfolgern die Unternehmensübernahme erleichtern.

Mehr als 50.000 österreichische Unternehmen brauchen bis zum Ende des Jahrzehnts neue Eigentümer. Raiffeisen will mit Netzwerken, Beratung und Finanzierungslösungen bis hin zur vorübergehenden Partnerschaft bei der Nachfolgesuche helfen.
Text: Robert Prazak

Wer wird die Firma übernehmen, wer kann das Lebenswerk fortführen? Wird mein Betrieb unter den künftigen Inhabern wachsen? Wollen meine Kinder überhaupt den Familienbetrieb übernehmen? Solche und ähnliche Fragen stellen sich viele österreichische Unternehmer. Mehr als 50.000 Unternehmen haben in den nächsten fünf Jahren ein Nachfolgeproblem – das bedeutet, dass nicht geklärt ist, wer die Firma übernehmen wird, wenn die derzeitige Führungsgeneration in den Ruhestand tritt. Besonders betroffen sind kleine Betriebe, die das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft bilden. Die Textilindustrie ist mit einem Anteil von rund 24 Prozent an Firmen, die solche bangen Fragen zur Nachfolge bisher nicht beantworten konnten, besonders betroffen. Hingegen steht die IT- und Telekommunikationsbranche vergleichsweise besser da. Es gibt zudem regionale Unterschiede: In Kärnten, Tirol und Salzburg gibt es besonders hohe Anteile an offenen Nachfolgen.

Für ganz Österreich und für alle Branchen gilt: Gelungene Nachfolgen sind für die wirtschaftliche Stabilität Österreichs unerlässlich, gerade in Zeiten schwieriger Marktlagen und globaler Krisen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wurde im Jahr 2020 vom Bankmanager Boris Pelikan der Nachfolge-Fonds „Raiffeisen Continuum“ ins Leben gerufen. Dieser soll es verdienten Mitarbeitern eines Unternehmens ermöglichen, die Firma zu übernehmen, wenn in der Eigentümerfamilie kein Interesse vorhanden ist. Sollte sich im Unternehmen selbst kein passender Nachfolger finden, verfügt Raiffeisen Continuum über eine umfangreiche Datenbank mit mehr als tausend potenziellen Übernehmern. Pelikan erklärt, wie das konkret abläuft: „In der ersten Phase wird jedes Unternehmen detailliert bewertet, um den realen Wert und das Potenzial für eine erfolgreiche Nachfolge zu ermitteln.“ Dieser Prozess beinhaltet eine Analyse der finanziellen, operativen und strategischen Aspekte des Unternehmens. Nach der Bewertung erfolgt dann die Strukturierung der Übernahme, wobei der Fonds eng mit den Nachfolgern zusammenarbeitet, um eine entsprechende Finanzierungs- und Beteiligungsstruktur zu entwickeln. In jenen Fällen, in denen die potenzielle Nachfolge finanziell nicht in der Lage ist, die gesamten Anteile auf einen Schlag zu erwerben, übernimmt Raiffeisen Continuum zunächst bis zu 90 Prozent der Anteile. Die Anteile werden dann in der Regel fünf bis sieben Jahre gehalten, bis die Nachfolge den Kredit abbezahlt hat und über neue Kapazitäten zur Schuldentilgung verfügt, um die Anteile wieder zu erwerben.

Spezielle Lösungen

Der Nachfolgeproblematik widmet man sich auch bei Raiffeisen Wien: Potenzielle Nachfolger werden mit Beratung, passenden Finanzlösungen und über den Zugang zu einem umfassenden Netzwerk unterstützt, wie Martin Rapf, Bereichsleiter KMU, erklärt. „Bei der Finanzierung des Kaufpreises profitieren Unternehmer bei Raiffeisen Wien von speziellen Finanzierungslösungen aus Beteiligungskapital, Mezzaninkapital und konventionellem Fremdkapital.“ Zudem würde man den Unternehmern dabei helfen, öffentliche Förderprogramme und Subventionen, die es speziell für Unternehmensnachfolgen oder KMU gibt, optimal zu nutzen. Über eine Kooperation von Raiffeisen Continuum und Raiffeisen Wien gibt es den erwähnten Zugang zu einem Netzwerk von erfahrenen Unternehmern, potenziellen Nachfolgern, Investoren und Experten. Rapf betont dabei: „Auch nach der erfolgreichen Übergabe bleiben wir Partner auf Augenhöhe und unterstützen die neuen Inhaber bei der Weiterentwicklung des Unternehmens, beispielsweise durch die Bereitstellung von zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten.“

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„In Familienunternehmen sind die Erwartungen an den Nachfolger sehr hoch.“ – Martin Rapf – Raiffeisen Wien

Zeit und Kommunikation

Worauf kommt es generell an, damit die Übergabe eines Unternehmens reibungslos über die Bühne geht? Damit eine Nachfolge gelingt, spielen nach Ansicht von Boris Pelikan mehrere Faktoren eine entscheidende Rolle. „Zu den wichtigsten gehört eine frühzeitige und strukturierte Planung. So können alle relevanten Aspekte berücksichtigt und die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig ergriffen werden.“ Eine transparente und offene Kommunikation zwischen den Übergebern, der Nachfolge und gegebenenfalls weiteren Stakeholdern sei ebenfalls essenziell, um Erwartungen abzustimmen und Missverständnisse zu vermeiden.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die rechtzeitige Beschäftigung mit dem Thema. Firmeninhaber sollten früh beginnen, sich mit Nachfolge und Übergabe zu befassen. „Frühzeitige Unterstützung und gezielte Planung sind entscheidend, um den Fortbestand einer Firma zu sichern“, meint Martin Rapf. Wichtig ist, dass die Nachfolger in der Lage sind, das Unternehmen auf neue Marktanforderungen auszurichten. Viele Unternehmer würden von persönlichen Kundenbeziehungen leben, die sie über Jahre sorgfältig aufgebaut haben. „Hier muss es den Nachfolgern gelingen, diese Beziehungen zu übernehmen und zu pflegen.“

Es gibt einige Hürden zu überwinden: Finanzielle Herausforderungen, eine fehlende Branchenerfahrung bei externen Nachfolgern und ein mangelnder Wissenstransfer zu den Übergebern sind laut Rapf potenzielle Problemstellen. „Wir sehen auch, dass in Familienunternehmen die Erwartungen an die Nachfolger besonders hoch sind.“ Letztlich hängt aber das Wohl der österreichischen Wirtschaft auch davon ab, dass die Nachfolgen klappen.  

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